Bauern sollen auf viele Pestizide verzichten
BRÜSSEL. Die EU-Kommission will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln halbieren. Das bringt große Aufregung.
Pestizide helfen der Landwirtschaft im Kampf gegen Schädlinge, bergen aber auch Risiken. Ihr Einsatz wird mitverantwortlich gemacht für das Bienensterben, für chemische Rückstände im Grundwasser und eine Reihe teils schwerer Krankheiten. Die EU-Kommission will daher den Gebrauch vor allem chemisch-synthetischer Pestizide massiv zurückdrängen - im EU-Durchschnitt um 50 Prozent bis 2030.
Den Gesetzesvorschlag hat Frans Timmermans, der für den Green Deal zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, bereits im Juni des Vorjahres präsentiert. Die große Auseinandersetzung beginnt jetzt im EU-Parlament. Die zuständige Abgeordnete ist Sarah Wiener von den Grünen. Sie hat am Donnerstag im Umweltausschuss ihren Bericht vorgelegt, der Grundlage ist für das parlamentarische Verfahren.
Er enthält vier Kernforderungen. Erstens eine Reduzierung der Pestizide im Schnitt um 50 Prozent. Das ist im Einklang mit dem Vorschlag der Kommission.
Weiter geht Wiener - zweitens - bei besonders gefährlichen Pestiziden. Diese sollen um 80 Prozent zurückgedrängt werden. „Dabei handelt es sich um krebserregende, organschädigende Substitutionskandidaten, die ohnehin längt ersetzt werden sollten“, sagt sie.
Im dritten Punkt mildert Wiener den Kommissionsvorschlag hingegen ab, der für sensible Gebiete ein vollständiges Verbot von Pflanzenschutzmitteln vorsah, einschließlich solcher im Bio-Landbau. Dem folgt sie nicht. „Landwirtschaft muss möglich sein.“ Das zielt etwa auf viele Weinbauregionen wie die Wachau ab. In Städten aber sollen Pestizide in Schutzzonen, etwa nahe von Schulen oder Kinderspielplätzen, nicht mehr erlaubt sein.
Und viertens fordert die Abgeordnete eine Steuer auf Pestizide: „Ich bin dafür, dass die Industrie für Schäden aufkommt.“
Die Gegenposition vertritt ebenfalls ein Österreicher - Alexander Bernhuber, Chefverhandler für die Europäische Volkspartei (EVP). Er wirft Wiener Ideologie und der Kommission Praxisferne vor. Der Abgeordnete sieht durch ein Pestizidverbot die Lebensmittelversorgung in Europa in Gefahr. Bernhuber, selbst Bauer aus Niederösterreich, führt eine Studie der Universität Wageningen aus den Niederlanden ins Treffen. Diese besage, „dass die Umsetzung der Kommissionsvorschläge zu einem Rückgang von 20 Prozent der Erntemengen führen könnte“.
Das kontert Wiener mit dem Hinweis: „20 bis 30 Prozent aller Lebensmittel in Europa landen auf dem Müll.“ Europa produziert mehr, als es braucht. Bernhuber wiederum weist auf die geänderte globale Versorgungssituation durch den Ukraine-Krieg hin: „Wir haben auch eine Verantwortung für andere Teile der Welt.“
Der ÖVP-Politiker sieht die Existenz kleinstrukturierter Landwirtschaft in Gefahr, wenn es durch Pestizidverzicht zu Ertragseinbußen komme. Ihm fehlt eine umfassende Folgenabschätzung der Kommission. Er kritisiert, dass die Datenlage über den Einsatz und Verkauf von Pestiziden ungenügend sei, um einen evidenzbasierten Gesetzesvorschlag zu unterbreiten.
Wie es weitergeht? Im Juli könnte der Umweltausschuss im Parlament über den Bericht und Änderungsanträge abstimmen, im September das Plenum. Damit würde die Verhandlungsposition der Volksvertretung feststehen. Allerdings müssen sich auch die 27 Staaten auf eine gemeinsame Position einigen. Erst dann kann über die endgültige Ausformung des Pestizidabbaus verhandelt werden.
Sehr lustig: er EVPler wirft der Grünen "Ideologie" vor.
Ja was denn sonst?
Das verstehen Fans des ungehemmten Lobbyismus vermutlich nicht, dass jemand zu Werten steht.
Als Biobauer verwende ich schon seit Jahrzehnten keine Agrarchemie mehr und deshalb haben wir natürlich nur den halben Ertrag als ein konventioneller Ackerbauer.
Das ist auch der Grund warum Biogetreide und Bioprodukte teurer sind als konventionelle Produkte und zum Glück gibt es immer mehr Konsumenten denen die Umwelt das Wert ist.
Bei den konventionellen Kollegen kann ich der Reduktion von Agrarchemie nur zustimmen, wenn auch Gleichzeitig der Import von Getreide und Fleisch mit schlechteren Produktionsstandorts verboten wird.
Nur aus der EU ein Agrardisneyland zu machen und dann Produkte fragwürdiger Herkunft mit niedrigeren Umwelt und Sozialen Standarts, aus aller Herren Länder zu importieren, ist verlogen und verlagert Umweltprobleme nur in andere Regionen der Welt.
Nur bevor wieder alle Schnappatmung bekommen:
PESTIZIDE heißt auf deutsch Schädlingsbekämpfungsmittel.
Zu diesen gehören 1) Pflanzenschutzmittel 2) Tierarzneimittel (also auch die für die Haustiere) und die größte Gruppe sind 3) Biozide (zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zur Haltbarmachung von Materialien)
Zu Nummer 3 der "Pestizide" gehören vom Pilzschutzmittel in Fassadenverkleidungen über Badreiniger bis zum Gelsenschutzspray. Also die Pestizide die Hinz und Kunz taglich verwenden.
Übrigens: das beliebteste Pestizid der letzten Jahre stand im Eingangsbereich aller Geschäfte und Supermärkte: der Handreinigungsspender (mit ganz bösem Gift das Viren und Bakterien tötet). War und ist immer noch sehr beliebt.
Und das alles zum Wohle der Diskonter und deren Kunden.
Mindestens 99% der Käufer profitieren zumindest kurzfristig eben genau von diesem täglichen Raubbau.
Konsum jetzt, nach mir ...
Ohne dem keine zivilisierte Lebensform. Zumindest bis dato ...
Lieber Uther, ich verstehe nicht, worin das Privileg liegt, wenn man ein Feld bewässern muss, dass darauf was wächst.
Wo "Mistus"- da Christus! Ohne Dünger wachsen Pflanzen halt nicht so prächtig und haben halt nur kleine Früchte. Sie sind wahrscheinlich auch so einer, der im Zweifel lieber die größere/schönere Frucht der weniger vollkommenen vorzieht.
Lieber Wellenreiter!
Ich habe in unmittelbarer Nähe einen Bauern mit riesigen Erdbeerfeldern!
Der Leitungen mit ca 160 mm für das Bespritzen der Erdbeerfelder benutzt!
Unsere Hausbrunnen sind die letzten Jahre um 50 cm zurückgegangen!
Erdbeeren sind nicht Überlebenswichtig!
Das Trinkwasser schon !
Und Nitratwerte zu hohe von wo kommen die???
Wer ist der Verursacher?