Minister Rauch sieht Kanzler bei Gesundheitsreform an seiner Seite

WIEN. Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hält trotz der Proteste der Ärztekammer an der von Bund, Ländern und Sozialversicherung vereinbarten Gesundheitsreform fest.
Es werde "gerungen bis zuletzt", verwies er im Ö1-"Mittagsjournal" auf noch laufende Gespräche zu dem Paket, das gemeinsam mit den Finanzausgleich beschlossen werden soll. Unterstützung vom Koalitionspartner ÖVP habe er, betonte Rauch. Die Reform werde "bis hinauf zum Bundeskanzler" mitgetragen. Es werde ein gutes und abgestimmtes Paket werden, dass es in dieser Größenordnung seit Jahrzehnten nicht gegeben habe. "Ich bin der Anwalt der Patienten", erklärte er in diesem Zusammenhang sein Selbstverständnis. Für diese gelte es eine gute medizinische Versorgung sicherzustellen, und zwar unabhängig vom Einkommen.
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Die Arbeit an der Reform verglich er mit dem Bohren eines meterdicken Brettes. Sollte sie nicht gelingen, "dann wird es lange gewesen sein", so Rauch. Denn niemand sonst tue sich diese "Ochsentour" an. Zur Ärztekammer, die um ihre Macht im Gesundheitswesen fürchtet und vor einer Zerschlagung und Einsparungswelle gewarnt hatte, sagte der Minister, dass das Gegenteil der Fall sei. Die Ärztekammer habe Desinformation verbreitet.
Hoffnung nach Gespräch
Dennoch gab sich Rauch nach dem Gespräch mit Kammerpräsident Johannes Steinhart vom Freitag hoffnungsfroh, am Ende auch mit der ärztlichen Standesvertretung zu einem konstruktiven Ergebnis kommen zu können, das Anfang kommender Woche präsentiert werden soll. Bei welchem Punkt er der Kammer noch entgegenkommen könnte, sagte Rauch nicht. "Ich habe gelernt: der Sack ist erst zu, wenn alle im Boot sind", meinte er nur.
Zur von der Kammer angedrohten Aufkündigung des Kassenvertrags meinte Rauch, weder die Ärzteschaft noch die Ärztekammer wolle das wirklich: "Also diese Drohung ist meiner Meinung nach mittlerweile vom Tisch."
Kritik von der FPÖ
FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak übte in einer Aussendung scharfe Kritik an Rauchs Aussagen. Weder sei der Minister "Anwalt der Patienten", noch verbessere seine Reform - von Kaniak unter Anführungszeichen gesetzt - das Gesundheitssystem auch nur ansatzweise. Rauch zementiere Fehlentwicklungen mit weiteren hunderten Millionen Euro Steuergeld ein. Das "Bewertungsboard für ausgewählte Arzneimittelspezialitäten im intramuralen Raum" wertete der FPÖ-Mandatar als "eine Art 'Sterbekommission'", die über die Behandlung schwerkranker Menschen mit teuren Arzneimitteln entscheiden solle.
Gesundheitsreform: Das ist geplant
- Die Gesundheitsreform soll noch im November als Regierungsvorlage in den Nationalrat eingebracht werden.
- Geplant ist unter anderem, den flächendeckenden Ausbau von Primärversorgungseinheiten (PVE) zu forcieren. Die Zulassung selbstständiger Ambulatorien soll erleichtert werden, etwa wenn mindestens drei Ärztestellen in einer Region zweimal erfolglos ausgeschrieben wurden. Ärztekammern können hier künftig nur noch Stellungnahmen abgeben. Bei Gruppenpraxen (auch bei jenen von Zahnärzten) entfallen langwierige Vergabeverfahren.
- Die Gesamtverträge, die das Verhältnis zwischen niedergelassenen Ärzten und den Krankenversicherungen regeln, werden weiter zwischen den Trägern und der Ärztekammer abgeschlossen. Kommt kein Gesamtvertrag zustande, können künftig auch Einzelverträge mit den Ärzten abgeschlossen werden. Die Position der Ärztekammer wird hier also geschwächt, ebenso wie beim Stellenplan: Kommt es innerhalb von sechs Monaten zu keiner Einigung über die räumliche Verteilung von Praxen, Gruppenpraxen und Primärversorgungseinrichtungen, kann das die Kasse selbst entscheiden.
- Auch Wahlärzte sollen ab Anfang 2026 verpflichtet sein, die elektronische Gesundheitsakte ELGA und die E-Card zu nutzen. Zudem werden alle Ärzte ab 2025 zur Diagnose- und Leistungscodierung verpflichtet.
- Bei der Verordnung von Arzneimitteln sollen Ärzte künftig in der Regel nur noch den Wirkstoff, nicht aber das bestimmte Medikament verschreiben können.
Video: Sie die Befürchtungen der Ärztekammer gerechtfertigt? Gesundheitsökonom Christian Köck mit einer Analyse: