Ziel: Risikobewusstsein "wie es im Frühjahr war"
WIEN. Die Corona-Kommission im Gesundheitsministerium, welche Empfehlungen und Leitlinien für die geplante Risiko-Ampel erstellen soll, hat am Freitag die Arbeit aufgenommen.
Die erste reguläre Sitzung findet in der kommenden Woche statt, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag bei einer Pressekonferenz. Für den Minister ist sie ein "wichtiges zentrales Steuerungszentrum".
Anschober zufolge wurde die Corona-Kommission als sogenannte "Paragraf-8-Kommission" nach dem Bundesministeriengesetz eingerichtet. Sie besteht aus 19 stimmberechtigten Mitgliedern, davon fünf Vertreter des Bundes, fünf Fachexperten aus Public Health/Epidemiologie, Virologie, den medizinisch-klinischen Bereich sowie von AGES und Gesundheit Österreich, sowie je einer aus den neun Bundesländern, die von den jeweiligen Landeshauptleuten bestellt worden sind. Leiter der Kommission sind Ulrich Herzog und Clemens Auer vom Gesundheitsministerium, die Sprecherin der Kommission ist Daniela Schmid von der AGES.
Die Kommission soll mindestens einmal pro Woche zusammentreten - "in der Anfangsphase sicher öfter", so Anschober - und jene Leitlinien erstellen, welche Maßnahmen bei welcher Ampelschaltung gelten sollen. Die Ampel soll nach den Worten des Gesundheitsministers ab kommender Woche mit der ersten regulären Sitzung der Kommission in den Probebetrieb gehen, ab September in den Echtbetrieb. "Die erste Ampelschaltung sehen Sie dann Anfang September, vor Schulbeginn", so der Minister. "Wir stellen uns das so vor, dass Freitag der Ampeltag ist." Sollten durch Farbänderungen auf der vierstufigen Ampel neue Maßnahmen notwendig sein, würden diese dann in Pressekonferenzen verkündet.
Im Herbst beginnt Phase vier
"Wir wollen mit aller Kraft eine zweite Welle vermeiden", sagte Anschober. Neben der Einrichtung der Kommission und der Ampel gelte es möglichst flächendeckend das Risikobewusstsein wieder herzustellen, "wie es im Frühjahr war". Und es gehe darum, viele Tests und möglichst gutes Kontaktpersonenmanagement umzusetzen. Der Minister kündigte mehr Personal im Gesundheitsbereich an. Im Schnitt werden demnach pro Bundesland 30 bis 40 Personen zusätzlich aktiv sein, um das Kontaktpersonenmanagement "schnell und professionell durchzuführen". Mit dem Herbst beginne die Phase vier im Kampf gegen die Pandemie, in der es mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Fälle geben werde und das Risiko einer Infektion größer sei, weil "wir uns mehr Indoor aufhalten". Er gehe davon aus, dass sich die vierte Phase "ziehen wird, bis zum Vorliegen einer Impfmöglichkeit", die breit ausgelegt werden müsse. In den Bildungseinrichtungen sei das Ziel der "normale Betrieb ab September". Normalbetrieb heiße auch "keine Masken". Bei einer Verschärfung der Situation in gelb, orange oder rot, könne es aber auch Einschränkungen im Bildungsbereich geben. Das Gleiche gelte für Veranstaltungen in Kultur und Sport. Anschober teilte mit, dass es zuletzt in Österreich 141 SARS-CoV-2-Neuinfektionen binnen eines Tages gegeben hätte. >> Aktuelle Zahlen und Daten im Detail
So funktioniert die Corona-Ampel
Den Empfehlungen der Kommission sollen ganz harte epidemiologische Kennzahlen zugrunde liegen, erläuterte Schmid. Diese seien in den vergangenen Wochen von AGES und GÖG definiert worden. Erster Indikator ist die Übertragbarkeit, darunter fallen die jeweils aktuelle Sieben-Tages-Fallzahl und Clusteraktivitäten. Zweitens wird die Quellensuche - mit dem Anteil der Fälle mit geklärter Quelle und deren Herkunft (Cluster, Screening oder Ausland) - herausgegriffen. Ein weiterer Indikator sind die Ressourcen im Gesundheitsbereich, also die Spitalsauslastung, und viertens geht es um die Tests, mit der Gesamtzahl der Testungen sowie dem Anteil positiver Tests und asymptomatischer Fälle. Ein großer Teil der Indikatoren sei "den Clustern gewidmet", betonte Schmid.
Herzog freute sich, die Kommission gemeinsam mit Auer, "in den nächsten Jahren" leiten zu können, besserte sich dann aber bei gleichzeitiger Nachfrage von Anschober, ob er denn schon mehr wisse, auf "Monate" aus. Er betonte die beratende Funktion einer "Paragraf-8-Kommission", die Entscheidung über Maßnahmen werde am Ende immer eine politische bleiben - auf verschiedenen Ebenen, wie Bund, Bundesländern, Bezirken und Regionen. Dafür werde es Änderungen im Epidemie- sowie im Covid-Maßnahmengesetz geben, erläuterte Anschober. Diese sollen kommende Woche in Begutachtung gehen, die bis 28. August dauern werde.
Herzog kündigte eine Webseite an, auf der die Empfehlungen der Kommission weitergegeben werden. Die Herausforderung sei es, "Informationen zu verknüpfen", betonte GÖG-Geschäftsführer Herwig Ostermann. "Wir arbeiten in Echtzeit", betonte er, das helfe, "dass wir Fälle gut auflösen können". Nur bei den Tests wünschte sich Ostermann einen "noch zeitnaheren Anschluss". Die genauen Leitlinien und Maßnahmen für die jeweiligen Ampelfarben - grün, gelb, orange und rot - sind noch in Ausarbeitung. Zielsetzung sei jedenfalls, nicht in die rote Farbe wechseln zu müssen und orange auch selten zu benötigen, erläuterte Ostermann. Bei grün ist weiterhin Achtsamkeit geboten - es handle sich dann um die "neue Normalität".
Kritik der Opposition
Kritik an den Ausführungen kam von der Opposition. "Wir wissen mittlerweile, dass für die Corona-Ampel außer den Farben noch nichts feststeht", kommentierte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. "Die Kommission hätte ihre Arbeit schon längst aufnehmen sollen", hieß es in einer Aussendung. "Viel wichtiger wäre zu wissen, welche Ampelfärbung welche Maßnahmen nach sich ziehen könnte", monierte auch die stellvertretende FPÖ-Klubobfrau Dagmar Belakowitsch. "Egal, ob in den Schulen, in den Betrieben, im Tourismus, überall - die Bevölkerung muss einfach wissen, welche konkreten Maßnahmen welche Ampelfarbe mit sich bringt. Seit Wochen kündigt die Bundesregierung ihre Ampellösung aber nur an", hielt NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker fest.
Lockdown "allerletztes Mittel"
Anfang September bzw. mit Schulbeginn soll der Regelbetrieb der Corona-Ampel starten, zuvor muss das System der aus den Farben Grün, Geld, Orange und Rot bestehenden Ampel getestet werden. Dieser interne Probebetrieb beginnt noch diese Woche, am Freitag wird die Thematik bei einer Pressekonferenz präsentiert.
"Da wird der Arbeitsprozess einmal aufgesetzt und umgesetzt", sagte Gesundheitsminister Anschober am Mittwochabend in einem Interview auf oe24.TV. Rot auf der Corona-Ampel sei aber nicht gleichbedeutend mit automatischem Lockdown. "Das ist das allerletzte Mittel. Ich möchte das mit aller Kraft vermeiden. Das heißt, es würde auch bei Rot noch andere Maßnahmen geben." Gelb würde in leichtes Risiko, Orange ein deutlich erhöhtes Risiko bedeuten.
Für größere Städte soll die Ampel nicht zwischen den diversen Bezirken unterscheiden. "Im großstädtischen Bereich, beispielsweise in Graz, Linz und Wien, wird es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine Gesamtdarstellung für die Stadt geben. Weil es in diesen Städten fließende Grenzen gibt", sagte Anschober.
"Der Probebetrieb wird aber nicht sichtbar sein", führte Anschobers Pressesprecherin Margit Draxl aus. Es würden sehr viele Prozesse dahinterstecken, viele sehr gute Experten würden daran arbeiten. Auch sie die Miteinbeziehung der Bundesländer, anderer Ressorts sowie der Bezirksbehörden von Anfang an nötig.
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