Genom unseres nächsten Fischverwandten entschlüsselt
Was der Australische Lungenfisch mit den Ursachen des Schluckaufs zu tun hat und warum die Zwiebel fünfmal so viel DNA aufweist wie der Mensch.
Aus der Tierklasse der Fleischflosser gingen alle Landwirbeltiere hervor – darunter auch der Mensch. Der Australische Lungenfisch gehört zu den wenigen Überlebenden dieser uralten Tiere. Nun hat ein internationales Forscherteam, dem Wissenschafter des Instituts für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und der Universität Wien angehören, das Genom dieses luftatmenden und bis zu einem Meter langen Fisches entschlüsselt. Es handle sich um das größte bisher sequenzierte Tiergenom, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature".
Bevor die Fische im späten Devon erstmals ihre Flossen an Land setzten, entwickelten sie eine Reihe von Merkmalen, um außerhalb des Wassers zu überleben: Dazu zählen neben der Lunge und einem besseren Geruchssinn muskulöse, gelenkige Flossen mit einer Knochenanordnung, die bereits jener der menschlichen Gliedmaßen gleicht (siehe Grafik). Die Sequenzierung hat ergeben, dass dafür die gleichen Gene verantwortlich sind wie beim Menschen. Dadurch konnten die Forscher die evolutionäre Schlüsselposition der Lungenfische als nächste lebende Verwandte der Landwirbeltiere bestätigen. Die Lungenfische sind mit den Tetrapoden näher verwandt als der Quastenflosser, der lange als der dem Menschen nächste noch lebende Fischverwandte galt.
Riesengenom, kleiner Lurch
Das Genom des Lungenfisches ist mit 43 Milliarden Basenpaaren vierzehnmal größer als das des Menschen und um 30 Prozent größer als das 2018 entschlüsselte Genom des mexikanischen Axolotls, einer Schwanzlurchart.
Wai Yee Wong und Oleg Simakov vom Department für Neurowissenschaften und Entwicklungsbiologie der Universität Wien haben nun herausgefunden, dass das Genom des Lungenfischs zu bis zu 90 Prozent aus sogenannter "repetitiver DNS" besteht, was die Sequenzierung erschwerte (siehe Kasten). Dennoch konnte die Signatur des gemeinsamen evolutionären Ursprungs von Mensch und Fisch ersichtlich gemacht werden. "Unsere Befunde erweitern das Verständnis für diesen entscheidenden evolutionären Fortschritt und damit der Eroberung des Landes vor 420 Millionen Jahren", sagt Biologe Oleg Simakov.
An ihre alten Fischverwandten werden die Menschen immer dann erinnert, wenn sie der Schluckauf plagt. Das hängt mit den Nervenbahnen vom Hirnstamm zum Zwerchfell zusammen, welche die Lungenatmung steuern. Bei Fischen waren die Verbindungen weniger störungsanfällig, da sie nur bis zu den Kiemen gingen. Tiere, die über Lungen und Kiemen verfügen – Kaulquappen vor allem –, mussten einen Mechanismus entwickeln, der die Kiemenatmung ermöglichte, ohne die Lunge zu fluten. Forscher wie der Paläontologe Neil Shubin ("Der Fisch in uns") erkennen hier den Ursprung des Schluckaufs – wenn sich beim Einatmen die Stimmritze (Glottis) schlagartig schließt. Damit die Rest-Kaulquappe in uns nicht ertrinkt.
„Abfall-DNS“?
Als Abfall-DNS (Junk-DNA) bezeichnet man seit den 1960er-Jahren jene DNS-Abschnitte, die keine Funktion für den Organismus ausüben, also keine Proteine codieren, darunter die repetitive DNS, die sich wiederholt. Ob diese Sequenzen tatsächlich völlig funktionslos sind, darüber diskutieren die Gelehrten noch. Jedenfalls hat die Anzahl der Gene nichts mit der Komplexität eines Organismus zu tun. Beispielsweise verfügt die Gemeine Zwiebel über ein fünfmal größeres
Genom als der Mensch.