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Mühlviertler Alleskönner: Hopfen und Schmalz

Von Philipp Braun, 01. Juni 2024, 05:20 Uhr
Hopfen und Schmalz
Musketiere des Geschmacks: Maximilian Raab, Marek Ptaczek, Luis Grömer und Philip Rachinger vom "Hopfen und Schmalz" Bild: VOLKER WEIHBOLD

Das Mühlviertel gilt als Alleskönner. Die Dichte an Bauern, Manufakturen und Leitbetrieben ist großartig. Auch Bier fließt hier aus den Hähnen wie woanders Milch und Honig. Im Mittelpunkt Neufelden, für viele die Altstadt des Bezirks – und die Familie Rachinger.

Mühlviertler mag man eben. Das sagt nicht (nur) der Autor, ein bekennender Linzer, sondern auch viele andere Österreicher – vom Bodensee bis zum Neusiedlersee. Wenn beim Smalltalk die Frage auf die Herkunft und die Heimat fällt, dürfte die Sache für die Mühlviertler geritzt sein. "Grode Michln, gmiatlich, hilfsbereit, bodenständig, nicht abgehoben" sind sie – so hört man es immer wieder. Und die Mühlviertler? Sie bilden sich nichts darauf ein. Man ist einfach so.

Es mag sein, dass die bäuerlichen Wurzeln die Menschen so geprägt haben oder dass die Mystik des Mühlviertels mit seinen verwunschenen Wäldern, dem Blick ins hügelige Land und den Granitformationen dafür verantwortlich sind. Adalbert Stifter wurde von der Landschaft inspiriert, viele erfolgreiche Unternehmer haben hier ihre Wurzeln, und tolle Bio-Initiativen zeugen vom Mühlviertler Zauber.

Der Trumpf des Mühlviertels besteht sicherlich darin, dass die Dichte an Bauernhöfen, gastronomischen Leitbetrieben und Verarbeitern sehr groß ist. Es gibt nicht nur ein Leitprodukt, sondern eine Fülle davon: Kräuter, Öle, Hopfen, Molkereien, Viehwirtschaften, Fischzuchten, vegane Manufakturen, Bier, Most. Man könnte wochenlang von der kulinarischen Fundgrube erzählen. Doch am besten befragt man Vier-Hauben-Koch Philip Rachinger aus Neufelden. Er ist eines der Sprachrohre und Aushängeschild des Mühlviertels.

Mühlviertler Alleskönner

Rachinger bestätigt den Eindruck: "Das Mühlviertel ist ein Alleskönner und hat sich seine Bodenständigkeit bewahrt. Leitner Leinen, Haslacher Ölmühle, Neufeldner Bier, sicher auch unser Betrieb: Alle glänzen mit Top-Produkten und müssen, da sie abgesondert liegen, mehr als andere können."

Neufelden liegt außerhalb der Ballungsräume und abseits des Mainstreams. Aus Sicht des Tourismus ist das wunderbar, es bietet sich geradezu für eine Entdeckungsreise an. Für Städter ist es das Naherholungsgebiet, wenn sie mit dem Fahrrad ein paar Runden in den Hügeln drehen wollen. Es reicht auch eine Fahrt entlang der Donau. Nach zehn Minuten befindet man sich im Ruhemodus. In absoluter Tiefenentspannung erreicht man Neufelden, 30 Kilometer von Linz entfernt.

Küchenchef Max Raab Bild: VOLKER WEIHBOLD

Rachinger, der europaweit in Vorzeigebetrieben gekocht hat und bestens vernetzt ist, spricht gerne vom Underdog: "Ich glaube nicht, dass das Mühlviertel international sehr bekannt ist. Wir sind aber gerne der Underdog und begeistern Gäste mit dem Überraschungseffekt. Das ist unser Vorteil." Der Koch stapelt tief. Denn spätestens seit er vor sieben Jahren die internationale Kochelite wie Ana Ros, Rene Redzepi oder David Chang im Rahmen des Gelinaz-Festivals an die Mühl lotste, markieren Gourmets Neufelden mit einer roten Stecknadel. Frei nach dem Motto: Hier war ich schon. Oder: Da möchte ich unbedingt hin.

Ana Ros, Köchin des Jahres 2017, spricht über das Mühlviertel als "hidden treasure", einen Schatz, den es zu erhalten gilt. Die Rachingers sind sich dessen bewusst und kochen mit Mühlviertler Lebensmitteln auf höchstem Niveau. Philip bespielt das OIS im Mühltalhof mit traumwandlerischer Sicherheit und begeistert auf allen Sinnesebenen: Authentisch, geradlinig und mit viel Hirnschmalz komponiert er die Speisen. Schräg gegenüber schuf Vater Helmut vor sechs Jahren mit dem Fernruf 7 einen Wohlfühlort. Mit Speisen, die die Sehnsucht stillen. Also kein Beef Tatar und kein Carpaccio. Auch keine Spielereien, die vom Wesentlichen ablenken. Herzstück sind frisch gebackenes Brot und Speisen, die im Holzofen das unvergleichliche Aroma verliehen bekommen. "Nein, ein Restaurant sind wir nicht", betont Rachinger immer wieder. Taverne oder Bistro gefällt ihm besser. Die Gäste sind entspannt. Es ist "gspürig", sagen sie.

Wer weiter in die kulinarische Gedankenwelt der Rachingers eintauchen möchte, nimmt idealerweise im "Hopfen und Schmalz", dem Braustüberl der Neufeldner Bio-Brauerei, Platz und bestellt Mühlviertler Sushi, Brettljausn oder wuchtige Stelzen. "Es gibt Gerichte, nach denen mich in der Quarantäne am meisten blangte", sagt Rachinger. Diese, also klassische Wirtshauskunst setzt er nun um und umgarnt sie mit einem Hauch Extravaganz.

Bio-Bier des Mühlviertels

Es ist eine Wohltat, dass das Wirtshaus, aber auch die Brauerei noch immer beziehungsweise wieder existieren und einen Fixpunkt in Neufelden markieren. Bier wird hier schon seit mindestens 500 Jahren gebraut. Generell galt das Mühlviertel seit jeher als Bastion für die Vielfalt. In nahezu jeder Ortschaft braute man Bier. Doch in der Nachkriegszeit verschwanden die Brauereien langsam, wie der Schaum vom Bier. In Neufelden war es Ende der 60er Jahre so weit. Übrig blieben danach nur die Stiftsbrauerei Schlägl, Hofstetten und die Braukommune Freistadt. In Neufelden dauerte es trockene 30 Jahre, bis die Bevölkerung wieder lokales Bier verkosten konnte.

"Die auf das Jahr 1523 zurückgehende, zuletzt von Wilhelm Scherrer geführte und 1968 stillgelegte Brauerei wurde nun von dessen Neffen Gottfried Breuss und vom Bierspezialisten Peter Friedwagner reaktiviert. Aus Mühlviertler Hopfen, der praktisch vor der Haustür wächst, Böhmerwald-Hochquellwasser und Innviertler Braugerste wird nach dem Reinheitsgebot von 1516 die kleine, feine Marke Neufeldner Edelmärzen gebraut", schrieben die OÖNachrichten am 18. Mai 1995.

2010 kaufte die Familie Mayr die Brauerei und wandelte sie in die erste Biobrauerei aus Oberösterreich um. Es ist eine kleine Brauerei, die sich der Unabhängigkeit und der Qualität verschrieben hat. Die Bio-Zutaten kommen aus der Region. "Der Hopfen wird mit dem Stapler zu uns gebracht", sagt Tobias Pumberger und lacht. Der Braumeister arbeitet seit vier Jahren in Neufelden und hat klare Vorstellungen von Bier. "Wenn man zusammensitzt, soll ein Glas Freude bereiteten. So, dass man gerne noch eins trinkt. Ein Bier soll das Miteinander abrunden. Das ist die Aufgabe. Das andere sind Bierbrauerprobleme."

„Ein Bier muss Freude bereiten“, sagt Braumeister Tobias Pumberger. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Kommunikationsjausn

Die Melange aus Geselligkeit und Genuss gelingt mit einer Brettljause, die im "Hopfen und Schmalz" in mehreren Varianten angeboten wird. Ein Brett in die Mitte gestellt, jeder nascht, plaudert – genauso funktioniert Wohlfühlen. Das Brot (schmeckt übrigens vorzüglich und rechtfertigt allein eine Reise) wird selbst gebacken, Wildsalami oder Wurzelspeck sind selbstgemacht. Vegetarier dürfen sich mit einer Kasjausn glücklich fühlen, und wer einen Ausflug in die Moderne wagen möchte, bestellt sich eine japanische Brettljause. Rachinger versteht das Zusammenspiel von Tradition und Weltoffenheit und beglückt mit neuen Aromen: Umami-Ripperl mit Ponzu eingepinselt, etwas Miso, Knoblauch und Chili. Fermentierte Karotten bereiten Lust, wie hausgeräucherte Lachsforelle aus Piberbach. Wunderbar! Oder es ist "ois was schmeckt", wie Rachinger erklärt.

Es ist tatsächlich der Geschmack des Mühlviertels, der genauso begeistert wie ein Spaziergang durch Neufelden mit seiner prächtigen Barock- und Klassizistik-Fassade. Wer es märchenhafter haben möchte, flaniert Mitte Juni im Mühlviertel an Leinfeldern vorbei und genießt am Vormittag die blau angepinselte Landschaft.

Es ist das Authentische, das dem Mühlviertel seinen Charme verleiht. Einfach anreisen, abschalten und auftanken. Dann macht es klick – und man versteht die Mystik und die Kraft des Mühlviertels. Eine zauberhafte Region, wo es noch menschelt.

Mühlviertel, ja, man mag es eben.

Rezepttipps

  • Leinölerdäpfel
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Zutaten: ½ kg Erdäpfel (speckig), 200 ml Milch, 60 g Sauerrahm, 70 ml Leinöl, Salz, Muskat

Zubereitung: Erdäpfel kochen, schälen und in 1,5-cm-Würfel schneiden. Mit Milch einkochen, bis sämige Struktur entsteht. Mit Salz und Muskat würzen. 2 EL Sauerrahm unterrühren. Zum Schluss Leinöl hinzufügen. Dreimal umrühren.

Leinsaatchips: 700 ml Wasser, 200 ml Leinsaat, 40 g Erdäpfelstärke, 5 g Salz; Zubereitung: 650 ml Wasser mit Salz aufkochen. Erdäpfelstärke mit 50 ml kaltem Wasser anrühren. Mit Leinsaat 1 min köcheln lassen. Masse hauchdünn auf „Silpat“-Matte streichen, bei 110°C 50 min trocknen. Frittieren.

  • „Kasjausn“
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Zutaten Erdäpfelkas: 2 Stk Zwiebel, 200 g schaumige Butter, 650 g Topfen, 350 g Sauerrahm, 20 g Salz, 8 g Kümmel gemahlen 1,2 kg Erdäpfel, 7 Stk Knoblauch, 4 El Leinsaat, Muskatnuss

Zubereitung: Zwiebel, Knoblauch fein hacken, anschwitzen. Erdäpfel kochen, schälen, mit Erdäpfelpresse pressen. Schaumige Butter mit Topfen, Sauerrahm, Erdäpfel vermengen. Abschmecken.

Zutaten Topfenkäse: 750 g Topfen, 600 g Sauerrahm, 350 g schaumige Butter, 28 g Salz, 6 g weißer Pfeffer, 20 g Schnittlauch, 8 g Sardellenpaste, 9 Stk. Knoblauch gepresst, 5 Stk. Essiggurkerl gewürfelt, 1 El Dijon Senf

Zubereitung: Alles verrühren und abschmecken.

  • Leberschedl
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Zutaten: 8 Zwiebeln, 5 Knoblauchzehen, 1 Stück Schweinsleber, je 500 Gramm Schweinsbauch und -schulter, 2 Eier, 200 g Weizengrieß, 4 alte Semmeln, 300 ml Milch, 2 Stück Schweinsnetz, Pfeffer weiß gemahlen

Zubereitung: Zwiebeln und Knoblauch in Pfanne anschwitzen, überkühlen lassen. Schweinsleber, Schweinsschulter und Schweinsbauch faschieren. Zwiebelmasse mitfaschieren. Alte Semmeln in Milch einweichen, mitfaschieren. Grieß als Bindung untermengen. Würzen, abschmecken. In Schweinsnetz einschlagen, bei 160 Grad 45 Minuten lang backen.

  • Bochene Mäuse
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Zutaten: 25 g Germ, ¼ l Milch, 200 g Mehl, glatt, 50 g Mehl, griffig, 40 g Butter, 25 g Staubzucker, 4 Dotter, 1 EL Vanillezucker, Rum, Salz, Zitronenzesten, Schweineschmalz

Zubereitung: Germ in warmer Milch auflösen, mit wenig Mehl glatt rühren, Dampfl an warmem Ort gehen lassen. Butter schmelzen, alle Zutaten außer Mehl und Schmalz vermischen. Dampfl, Mehl hinzufügen, kneten, bis sich Teig vom Rand löst. Herausnehmen, 20 min gehen lassen. Falten, Gas aus dem Teig schlagen. Mit Suppenlöffel Nocken ausstechen, auf bestaubtes Tuch legen, gehen lassen. Schmalz erhitzen, „Mäuse“ herausbacken. Zuckern.

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Autor
Philipp Braun
Kulinarik-Redakteur
Philipp Braun
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