"Mumie war in fantastischem Zustand"
HELLMONSÖDT/LINZ. Mumienexperte Andreas Nerlich hat unter anderem den "Luftg’selchten Pfarrer" und den "Ötzi" untersucht – Todesursache der Kindermumie aus Hellmonsödt kurz vor der Klärung.
Den "Luftg’selchten Pfarrer" aus St. Thomas am Blasenstein, den berühmten Gletschermann "Ötzi" und nun auch die Kindermumie aus der Starhemberg-Gruft in der Pfarrkirche Hellmonsödt: Sie alle hat der deutsche Pathologe Andreas Nerlich (61) untersucht. Im OÖN-Interview erzählt der Mumienexperte über die Bedeutung von Gewebsproben, ungewöhnliche Untersuchungsmethoden und Gesichtsrekonstruktionen.
OÖN: Wie gehen Sie vor, wenn Sie mit der Untersuchung einer jahrhundertealten Mumie betraut werden, über die – wie es etwa bei der Kindermumie aus der Starhemberg-Gruft – kaum etwas bekannt ist?
Nerlich: Bei dieser Mumie gab es keinen Hinweis auf ihre Identität. Sie war aber in fantastischem Zustand: Nicht nur Knochen, sondern auch viele Teile der Weichteile waren erhalten. Auch befanden sich die inneren Organe noch in ihrer typischen Anordnung.
Es gab auch keine Hinweise auf das Alter des Kindes. Wie kann dieses nach so langer Zeit bei einer Mumie bestimmt werden?
Mit Hilfe einer Gewebsprobe. Diese wurde an einer Hautfalte am Gesäß abgetragen und mit Hilfe der Radiokarbonmethode analysiert.
Wie läuft diese ab?
Solange man lebt, nimmt man täglich Radiokarbon auf, das von Haut, Knochen oder auch Knorpeln eingelagert wird. Ab dem Tod, dem Ende der Stoffwechselfunktion, zerfällt dieses langsam über Tausende von Jahren. Dieser radioaktive Zerfall kann wie eine Art Uhr genutzt werden, mit Hilfe derer der Sterbezeitraum ziemlich gut eingegrenzt werden kann.
Und dadurch konnte das Alter der Mumie berichtigt werden?
Genau. Es konnte festgestellt werden, dass diese nicht – wie bisher angenommen – 200, sondern 400 Jahre alt ist.
Wodurch dann auch die Identität des Kindes (Gregor von Starhemberg) geklärt werden konnte. Dann konnte auch das Alter des Buben bei seinem Tod festgestellt werden. Wie gelang das?
Durch eine Computertomografie, die wir heuer Anfang Jänner in Linz in Auftrag gegeben haben.
Welche Kriterien sind bei dieser Computer-Röntgenuntersuchung entscheidend?
Etwa die Knochenlänge, die Anlage und Knochenanordnung des Gebisses sowie mögliche Veränderungen im Inneren. Aufgrund dieser Gegebenheiten konnte das Alter des Buben auf einen Zeitraum zwischen zehn Monate und einem Jahr festgelegt werden.
Konnte auch die Todesursache geklärt werden?
Nein. Organische Krankheiten konnten anhand der CT-Bilder nicht festgemacht werden. Das Kind dürfte als Säugling gut ernährt worden sein, da es eine dicke Fettschicht hatte. Diese war zuletzt für den guten Erhalt der Mumie ausschlaggebend. Auch die inneren Organe konnten dabei gut erkannt werden. Überraschenderweise waren auch die Darmschlingen gut erhalten, was bei Mumien sonst eher untypisch ist. Noch ist unklar, ob diese aufgrund der Lagerung der Mumie oder wegen einer krankhaften Veränderung so gut erhalten sind.
Das heißt, die Mumie muss noch weiter untersucht werden?
Genau. Weil noch abgeklärt werden muss, ob das Kind – ob nun zufällig oder auch gezielt – einer Vergiftung etwa durch Schwermetalle ausgesetzt gewesen war. Bestätigt sich eine Vergiftung, wäre damit auch der gute Zustand der Darmschlingen zu erklären.
Wie geht es nun weiter?
Derzeit läuft eine toxikologische Untersuchung am Münchner Institut für Rechtsmedizin. Fällt diese negativ aus, ist eine Vergiftung vom Tisch...
... und die Ursachensuche wird fortgesetzt?
Nein. Bei den jetzigen technischen Möglichkeiten muss man den Fall dann so abschließen. Eventuell erben sich sich in zehn oder 20 Jahren dann andere Möglichkeiten.
Soll auch noch eine computergestützte Gesichtsrekonstruktion gemacht werden, wie sie vom "Luftg’selchten Pfarrer" angefertigt wurde?
Das ist theoretisch vorstellbar, aber mit den heutigen Rekonstruktionsverfahren nicht umsetzbar. Für Kleinkinder sind die Referenzdaten noch sehr dünn.
Ein Name für die Mumie
Anstoß für die wissenschaftliche Untersuchung der vorerst unbekannten Kindermumie wurde durch die Restaurierung der Starhemberg-Gruft in der Pfarrkirche Hellmonsödt genommen.
Diese wurde von Josefine und Johann Mülleder in einer Privatinitiative im Jahr 2015 eingeleitet. Während die anderen neun Särge mit Inschriften versehen waren, fehlte auf dem Kindersarg jegliche Aufschrift, sagte Josefine Mülleder, eine pensionierte Lehrerin. Nach der Restaurierung der Mumie wurde der deutsche Pathologe und Mumienexperte Andreas Nerlich (s. Interview oben) heuer zu Jahresbeginn mit der Feststellung des Alters der Mumie betraut, das Ergebnis stand im April fest.
Demnach ist die Kindermumie nicht wie bisher angenommen 200, sondern 400 Jahre alt. Wie Josefine Mülleder schließlich herausfand, dürfte es sich um Gregor von Starhemberg (1566 bis 1567) handeln.
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