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Von der Euphorie zum Bürgerkrieg

24. Februar 2018, 01:12 Uhr
Von der Euphorie zum Bürgerkrieg
Bild: ORF

Die Erste Republik: Ihr erfreulicher Anfang und ihr bitteres Ende. Eine Analyse von Josef Achleitner.

Die Euphorie der Österreicher bei der Gründung der Ersten Republik galt mehr dem erlösenden Kriegsende als dem, was man nach Jahrhunderten Monarchie unter Demokratie verstand.

Keines der drei Lager hatte wohl eine Demokratie nach dem bewährten Muster der USA oder Großbritanniens im Sinn. Die Sozialdemokraten, die in der Koalition bis 1920 die relative Mehrheit hatten, wollten einen auf Mehrheiten gestützten Sozialismus. Letztlich wäre aber, so befürchteten Bürgerliche, auf sanfte Weise ein ähnliches System wie in Russland herausgekommen: ein mächtiger Staat, der durch verstaatlichte Banken und Betriebe, Wohnungs- und Arbeitsvergabe Herr über Gedeih und Verderb ist.

Die Christlichsozialen, im Wesentlichen bestehend aus der katholischen Mittel- und Oberschicht, aus der bäuerlich dominierten Landbevölkerung und konfessionell orientierten Arbeitern und Angestellten, standen prinzipiell zur Republik. Ihre Führung schwankte aber wie ihre Wähler zwischen der Sehnsucht nach dem Glanz des Kaiserreichs, andererseits nach der Führungsrolle des Bürgertums und später nach den an Italien, Ungarn und Jugoslawien vermeintlich zu sehenden Vorteilen autoritärer Führung.

Breiter Antisemitismus

Die Deutschnationalen, nach 1918 durch die vorwiegend von Beamten, Lehrern, Unternehmern und antikatholisch eingestellten Bauern gewählte Großdeutsche Volkspartei und den Landbund repräsentiert, stimmten in wesentlichen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen und im Anti-Marxismus mit den Christlichsozialen überein, teilten aber deren enge Bindung an die katholische Kirche nicht und hatten trotz Anschlussverbots das schon im Namen erkennbare Ziel, das Land zu einem Teil des bewunderten deutschen Reichs zu machen. Den in Österreich verbreiteten Antisemitismus hatten die Deutschnationalen im Programm ("Juden gehören nicht zum deutschen Volk"), womit deren Ausschluss angedeutet war.

Von der Euphorie zum Bürgerkrieg
Bild: OÖN-Archiv

Trennung und Polarisierung

So wie eine gemeinsame Vorstellung über das künftige Österreich fehlte, mangelte es auch am Willen zur Zusammenarbeit. Bis 1920 waren die wichtigsten rechtlichen Schienen für die Republik gelegt, dann zerfiel die große Koalition. Otto Bauer, bis 1919 Außen-Staatssekretär, aber schon dominierender roter Politiker, wollte nach dem Wahlsieg der Konservativen nicht mehr. Beide bürgerlichen Parteien wollten ebenso auf Distanz gehen zur Linken.

Gegen das, was später "Austromarxismus" genannt und in der Propaganda oft mit dem Bolschewismus gleichgesetzt wurde, definierten sich die aus Selbstschutzverbänden entstandenen, mehr oder weniger den Christlich-Sozialen und den Deutschnationalen nahestehenden Heimwehren. Als Reaktion darauf bildeten die Sozialdemokraten den Republikanischen Schutzbund, sodass neben Bundesheer und Polizei zeitweise bis zu 180.000 Österreicher in politischen Wehrverbänden unter Waffen standen. Kein Wunder, dass sich die Zusammenstöße häuften. Die Heimwehren übernahmen vielfach die Rolle einer Reservearmee der konservativen Regierungen. Lokal agierten sie oft auf Seiten der Arbeitgeber gegen sozialdemokratische Aktionen.

Schutzbund-Aufmarsch   Bild: (OON)

In dieser Atmosphäre gegenseitiger Bedrohung kam es am 15. Juli 1927 zu bürgerkriegsähnlichen Kämpfen rund um den von Protestierenden in Brand gesetzten Justizpalast in Wien. Auslöser war der Freispruch von rechtsradikalen "Frontkämpfern", die in Schattendorf im Burgenland einen Hilfsarbeiter und einen Buben erschossen hatten. Für die Linke ein klarer Fall von "Klassenjustiz", ein "Schandurteil". Die Ausschreitungen waren nicht unter Kontrolle zu bringen, sozialdemokratische Politiker zögerten anfangs. Bürgermeister Karl Seitz konnte die Menge nicht beruhigen, Otto Bauer weigerte sich, das nebenan liegende Parlament zu verlassen, Schutzbundtruppen mussten ohne Erfolg abziehen. Die Polizei ging dann brutal vor, schoss in die Menge: 89 Menschen starben, an die 1000 erlitten Verletzungen.

Ab diesem Zeitpunkt ging es mit der Demokratie bergab. Die Arbeiterführer verloren an Autorität, das Bürgertum suchte das Heil in antidemokratischen Ideen.

Heimwehr in der Regierung

Die Weltwirtschaftskrise 1929 traf die exportorientierte Wirtschaft massiv, in Oberösterreich vor allem in Steyr. Das verstärkte das Elend in Arbeiterfamilien und die autoritären Tendenzen. Es gelang noch der Verfassungkompromiss zwischen Schwarz und Rot, der den Bundespräsidenten gegenüber dem Parlament aufwertete. Zwei Jahre später – der in Richtung Mussolini-Faschismus tendierende Heimwehrführer Ernst Rüdiger Starhemberg war kurzzeitig Innenminister gewesen – versuchte Kanzler Ignaz Seipel noch einmal, mit Otto Bauer ins Gespräch zu kommen. Doch der wollte nach der Wirtschaftskrise mit dem "Prälaten ohne Milde" nicht die Aufräumarbeit machen.

Demokratie ausgeschaltet

Innenpolitisch unter Druck der Heimwehren und als führender Partner von der SDAP abgelehnt, umging der ab 1932 ohne relative Mehrheit regierende Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Parlament bei der Sanierung der Creditanstalt mit dem "Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz" aus 1917. Im März 1933 dann der Anfang vom Ende: Dollfuß nannte den Rücktritt der drei Präsidenten "Selbstausschaltung des Parlaments", die aber leicht zu beheben gewesen wäre. Der Versuch, durch ein Bündnis mit "Duce" Benito Mussolini den Druck der Nationalsozialisten zu mildern, endet mit dessen Forderung nach Ausschaltung der Sozialdemokraten. Dollfuß tat das schrittweise, erst mit der Auflösung des Schutzbundes. Dann mit forcierten Hausdurchsuchungen in sozialdemokratischen Lokalen, die in den Februarkämpfen 1934 mündeten. Teile des Schutzbundes kämpften gegen Heer, Heimwehr und Polizei. 60 Menschen starben in Oberösterreich, 34 waren Schutzbündler. Die Parteiführung flüchtete nach Brünn. Am ersten Tag des Aufstands verbot Dollfuß die Partei.

Heimwehr in Linz   Bild: (Archiv der Stadt Linz)

Der Kanzler überlebte die Ausrufung des Ständestaates, der das bessere Deutschland hätte werden sollen, nur kurz. Beim erfolglosen Juliputsch österreichischer Nationalsozialisten wurde der Kanzler in seinem Amtshaus erschossen.

 

1920 – Koalitionsende

Nach der gemeinsamen Gründung der Republik "Deutsch-Österreich" durch Sozialdemokraten, Christlichsoziale und Deutschnationale 1920 verlor die SDAP die relative Mehrheit. Otto Bauer lehnte eine weitere Koalition mit den Christlichsozialen ab. Die Partei kam trotz mehrerer Angebote erst 1945 wieder in eine Regierung.

1923 – Bewaffnet

Im Jahr 1923 gründeten die Sozialdemokraten unter Julius Deutsch, der bis 1920 die Volkswehr geführt hatte, den Republikanischen Schutzbund als Gegengewicht zu den Heimwehren, die Christlichsozialen und Nationalen nahestanden. Der Februaraufstand geschah ohne Parteiführung.

1926 – Klassenkampf

Das "Linzer Programm", das die SDAP unter Federführung von Otto Bauer 1926 beschloss, gab den Bürgerlichen Gelegenheit, von "Austro-Bolschewismus" zu sprechen. Es sah die Enteignung vorerst von Großkapital und Großgrundbesitz vor und, wenn nötig, die "Diktatur des Proletariats".

1930 – Gegen Demokratie

Die Heimwehren sahen sich als rechte, antimarxistische, später klar antidemokratische bewaffnete Einheit. Der Korneuburger Eid 1930 enthielt Grundzüge des autoritären Ständestaats (Austrofaschismus). Mit Ernst Rüdiger Starhemberg kamen die Heimwehren 1930 in die Regierung.

1933 – Autoritär regiert

Im zweiten Jahr der Kanzlerschaft schaltete Engelbert Dollfuß das Parlament aus und begann, Zug um Zug mit Verordnungen autoritär zu regieren. In Deutschland war Adolf Hitler Reichskanzler geworden. Im Jahr darauf rief Dollfuß den Ständestaat, auch Austrofaschismus genannt, aus.

1934 – Letztes Gefecht

Als Verzweiflungsakt sehen die meisten Historiker die unterstützte aussichtslose, bewaffnete Gegenwehr sozialdemokratischer Schutzbündler nach von der Regierung angeordneten Hausdurchsuchungen. Fazit: Hunderte Tote in Österreich, gnadenlose Urteile der Justiz ohne faire Ermittlungen.

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