"Wer von uns ist schon vollkommen?"
Star-Fotografin Elfie Semotan über ihren Crossing-Europe-Film und Perfektion, die langweilt.
Sie hat Naomi Campbell fotografiert, Cordula Reyer für Designer Helmut Lang und auch Hollywood-Star Willem Dafoe, dessen Jahrhundert-Gesicht bis kurz vor Start des Linzer Filmfests Crossing Europe auf den Leinwänden im Moviemento-Kino noch Maler Vincent van Gogh darstellte.
Gestern saß Star-Fotografin Elfie Semotan nur ein paar Meter von diesen Leinwänden entfernt. Dank der verbindenden Künste von Festival-Chefin Christine Dollhofer ist die 77-Jährige, aufgewachsen in Vorchdorf, Donnerstagnacht buchstäblich selbst groß rausgekommen. Regisseur Joerg Burger hat Wesen und Arbeit der Lichtbildnerin für seinen Dokumentarfilm "Elfie Semotan, Fotographer" festgehalten und dem Crossing Europe zur Eröffnung dessen Weltpremiere geschenkt, der offizielle Kino-Start ist für Herbst geplant.
"Ich habe ihn am Donnerstag das erste Mal so groß und perfekt gesehen", sagt Semotan, die von einem "sehr gelungenen" Werk spricht wie von einer ebensolchen Arbeit mit Burger, selbst Fotograf.
Geltungsbereiche hätten sie keine abstecken müssen. "Weil ich ein Gefühl dafür gehabt habe, was er wollte. Und Joerg wiederum sehr genau wusste, was er von mir haben wollte." Wie es für sie war, sich im Kino selbst zu sehen? "Darüber kann ich gar nicht wirklich etwas sagen, das ist schwierig." Verständlich, schließlich ist sie eine Frau, die meist ungesehen andere sichtbar werden lässt. "Ich will dabei, dass sich die Menschen aufgehoben fühlen. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Fotograf auf dich zugeht." Wenn nicht? "Ist es schrecklich. Die meisten sehen dann auch so aus, man ist verzweifelt, denn wer ist schon vollkommen?", sagt die zweifache Mutter.
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Ihre Zeit in Paris, als sie dort als Modell arbeitete, habe sie gelehrt, dass Menschen vor der Kamera Hilfe brauchen. "Würde ich zu lange gar nichts sagen, würde ich die Person alleine stehen lassen." Auf die Frage aller Fragen in ihrem Fach, was ein Bild gut werden lasse, antwortet sie souverän, man müsse darin die Person als die erkennen, die sie ist. "Man muss sie ausschöpfen und finden."
Von Perfektion hält sie wenig. "Absolut kontrollierte Bilder sind tot. Außer, das Gewicht wird noch weiter stark auf das Künstliche, die Irritation gelegt. Aber Perfektion um der Perfektion willen ist nicht ausreichend spannend. Das hatten wir lange genug."
Crossing Europe
Semotan: Nach dem Film, der die Fotografin zwischen ihrem Bauernhof im Burgenland und New York zeigt, sind während des Festivals (bis 30. 4.) auf dem OK-Marktplatz (1. Stock, Moviemento, Saal 1) Werke von ihr ausgestellt.
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