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Näher kann man Jesus nicht sein

Von Fabian Poser, 09. April 2011, 00:04 Uhr
Näher kann man Jesus nicht sein
Pilger können sich Holzkreuze mieten, um sie zur Grabeskirche zu tragen. Bild: Poser

ISRAEL. Mehr als 30.000 Christen aus aller Welt drängen sich zu Ostern in Jerusalem, um der Kreuzigung Christi zu gedenken.

Zwei Dutzend Pilger drängen sich durch die schmale Gasse in der Altstadt von Jerusalem. Einige von ihnen sind als Zeichen des Leids mit roter Farbe beschmiert, andere tragen riesige Holzkreuze auf dem Rücken. Dann spricht Henry, der Priester aus South Carolina: „Hier stürzte Jesus zum ersten Mal.“

Seine Worte werden vom Klappern der Scheren der Barbiere, vom Feilschen der Händler, vom Dröhnen der CD-Spieler in den Auslagen beinahe übertönt. Doch sie haben Gewicht: Einigen in der Gruppe laufen die Tränen über die Wangen. Das sei normal, sagt Henry. „Wenn in Jerusalem überhaupt etwas normal ist.“

Es ist Karfreitag, die wichtigste Prozession im Jahr. An ein Durchkommen ist in der Gasse kaum noch zu denken. Überall stehen Pilger.

Zu Zeiten Pontius Pilatus soll Jesus hier zur Hinrichtungsstätte am Hügel Golgota geschritten sein. Das Kreuz musste er selbst tragen. An diesem heiligen Tag, dem Karfreitag, wollen zigtausende Christen aus aller Welt den Leidensweg nachvollziehen.

Ziel ist die Grabeskirche

Im Schritttempo bewegen sie sich. Immer wieder machen sie Halt und Gedenken des Leids Christi. Ziel der Prozession ist die Grabeskirche.

Während der zweiten Intifada, dem bewaffneten Kampf der Palästinenser gegen die Israeli, gingen die Besucherzahlen auf Null zurück. Seit dem Waffenstillstand 2005 boomt das Geschäft. Von kleinen Pensionen über die Pilgerhospize bis hin zu den großen Hotels ist zu Ostern in Jerusalem alles ausgebucht, was ein Bett hat.

Die Touristen stehen vor den Geschäften der Souvenirhändler Schlange. „Es ist schon schwer, sich an normalen Tagen durch die Altstadt zu bewegen“, sagt Yael Shilo, die seit vielen Jahren Touristengruppen durch die Altstadt von Jerusalem führt. „Zu Ostern ist es fast unmöglich.“

Die amerikanische Gruppe ist mittlerweile an der sechsten Station angelangt. An der kleinen Franziskanerkapelle soll Simon Jesus geholfen haben, das Kreuz zu tragen. Auch heute wiegt das Kreuz schwer. Mary-Lou, Religionslehrerin aus Tennessee, reicht es weiter an James, den Informatiker aus Wisconsin.

Alle 20 Meter wechselt das Holzkreuz den Träger. „Jeder soll es ein Stück tragen, um das Leid Christi nachempfinden zu können“, sagt Henry. So schwer wie damals sind die Kreuze nicht mehr: Sie wiegen 30 Kilogramm, sind zwei Meter groß, aus massivem Olivenholz und werden am Beginn der Via Dolorosa meist von jungen Palästinensern vermietet.

Das Jerusalem-Syndrom

Das ganze Jahr über drängen Pilgergruppen durch die Altstadt. Mit den Auswüchsen ist dabei nicht immer zu spaßen. Rund 100 Personen erkranken jedes Jahr am Jerusalem-Syndrom, einer von Jerusalemer Ärzten anerkannten Diagnose, die nur hier auftritt. „Es handelt sich um eine Psychose“, weiß Henry. „Ich bin selbst Leuten begegnet, die so etwas erlitten haben. Sie halten sich für Jesus, König David oder Moses.“

In Handtücher oder Bettlaken gewickelt, irren sie durch die Stadt, halten Predigten. Wenn die Polizei sie aufgreift, kommen sie meist in eine der Kliniken. Dort kenne man das Syndrom und behandle es meist mit Beruhigungsmitteln. „Nach drei bis fünf Tagen ist der Spuk vorbei“, sagt Henry.

Die Gruppe bahnt sich jetzt immer tiefer den Weg in den arabischen Markt, vorbei an israelischen Wachsoldaten und arabischen Händlern. Mit hastigen Schritten eilen immer wieder orthodoxe Juden mit schwarzen Mänteln zur nahen Klagemauer. Vom Tempelberg hallt der Ruf des Muezzins herüber.

Die 14 Stationen der Via Dolorosa sind keine historischen Stellen, sondern nur Anhaltspunkte für die Prozession. Nur acht von ihnen befinden sich überhaupt auf der Via Dolorosa. Die neunte liegt auf dem Dach der Grabeskirche, die letzten fünf darin.

Von der Tariq-el-Wad-Straße im arabischen Viertel führt der Leidensweg Christi über steile Stufen hinauf zum Allerheiligsten der Christenheit. Noch ein paar Schritte durch den Markt, dann durch eine schmale Tür, und schon steht man vor der Grabeskirche.

Von außen wirkt das Gotteshaus, das 300 Jahre nach dem Tod Jesu über dessen angeblichem Grab erbaut wurde, relativ unscheinbar. Aber kaum betritt man das Innere, wird einem die Heiligkeit gegenwärtig. Der Geruch von kaltem Stein, jahrtausendealtem Holz und Weihrauch dringt in die Nase. Im Hintergrund erklingen Choräle.

Dann geht es der Menge nach in ein Seitenschiff der Kirche. Näher kann man Jesus kaum sein. An der 14. Station der Via Dolorosa, dem Heiligen Grab, soll Jesus begraben liegen, in einem goldenen Schrein im Halbdunkel, vor dem sich fast immer eine riesige Menschentraube bildet.

Viel Zeit hat man nicht, diesen Ort zu besichtigen, denn schnell wird man von den Pilgermassen nach draußen gespült. Auch wenn der Augenblick kurz ist, spürt man doch die Energie dieses Ortes.

Kreuz aus Olivenholz

Noch einmal treffe ich Mary-Lou und ihre Gruppe im Gedränge vor der Tür. Ergriffen von der Heiligkeit des Ortes ist die Lehrerin direkt in die Hände eines Souvenirhändlers gelaufen. Nur wenige Worte benötigt es, um sie zu überzeugen. Dann willigt sie ein. Was sollte man an diesem Tag anderes kaufen als einen gebeugten Jesus mit Holzkreuz aus Olivenholz?

Informationen

Einreise: Für die Einreise ist ein mindestens sechs Monate gültiger Reisepass erforderlich. Den Einreisestempel gibt es bei Ankunft. Die Einreise mit Visumstempeln anderer Länder ist kein Problem. Wer keinen israelischen Stempel im Reisepass wünscht (für die Einreise in eines der Nachbarländer), der sollte dies dem Grenzbeamten rechtzeitig mitteilen.

Reisezeit: Die angenehmsten Reisemonate sind März bis Mai und September bis November. Zwischen Juni und August kann es sehr heiß werden.

Unterkunft: Eine der schönsten Unterkünfte ist das Österreichische Pilgerhospiz. Das im Stil des Wiener Ringstraßenpalais erbaute Haus im Herzen der Altstadt bietet schlichte, aber saubere Zimmer in einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Von der Dachterrasse erstreckt sich ein fantastischer Blick über Jerusalem samt Felsendom und Grabeskirche. Kontakt: Österreichisches Pilgerhospiz, Tel. 00972/2/6265800 , www.austrianhospice.com .

Fein, aber teuer: King David Hotel, Tel. 00972/2/6208888 , www.danhotels.com .

Leidensweg Christi: Wer nicht die Möglichkeit hat, am Karfreitag hier zu sein, den führen Franziskaner-Mönche jeden Freitag um 15 Uhr (im Sommer um 16 Uhr) in einer feierlichen Prozession vom Löwentor zur Grabeskirche. Dann sind auch die zwei Stationen geöffnet, die sonst nicht geöffnet sind.

Sicherheit: Seit 2008 war es in Jerusalem sehr ruhig. Trotz dem Anschlag vom März 2011 am Jerusalemer Busbahnhof sieht das Außenministerium „derzeit keine konkreten Hinweise auf eine gezielte Gefährdung von Ausländern“. Zur Sicherheit sollte man größere Menschenmassen meiden, gerade an öffentlichen Plätzen wie Bushaltestellen und auf Märkten.

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