Ketamin, LSD, Zauberpilze: Wann sind Drogen Medizin?
Prinz Harry spricht über seine Erfahrungen mit Drogen, die eine Rolle bei der Bewältigung seiner psychischen Probleme spielten. Fachleute sehen darin Potenziale, aber auch Grenzen und Gefahren
"Unter dem Einfluss solcher Substanzen konnte ich die starren Vorstellungen der Welt hinter mir lassen." Jenseits seiner "massiv gefilterten Wahrnehmung" liege noch eine andere, ebenso reale, aber doppelt so schöne Welt. So berichtet der britische Prinz Harry in seiner Biografie "Reserve" über Erfahrungen mit psychedelischen Drogen. Das Experimentieren damit habe eine zentrale Rolle bei der Bewältigung seiner psychischen Probleme gespielt. Das sagte der 38-Jährige in einem Gespräch mit dem kanadischen Trauma-Experten Gabor Maté und spricht damit ein Thema an, um das es seit einiger Zeit wieder einen ziemlichen Hype gibt. Auf illegalen Stoffen wie Psilocybin (Zauberpilzen), MDMA (Ecstasy) und LSD ruhen nämlich durchaus Hoffnungen: Haben sie womöglich ein Potenzial, gegen unterschiedliche psychische Erkrankungen zu helfen? Gegen Depressionen, Angst-, Zwangs- und Suchterkrankungen oder posttraumatische Belastungsstörungen?
Wie wirkt LSD auf die Psyche?
Bisherige Erkenntnisse reichen aber nicht aus, um den Einsatz außerhalb klinischer Studien zu rechtfertigen, heißt es in der offiziellen Leitlinie zu Depressionen. Wirklich neu ist das Thema allerdings nicht: Schon in den 50er- und 60er-Jahren wurde die Wirkung etwa von LSD und Psilocybin auf die Psyche untersucht.
Spätere Verbote unterbrachen dann lange die Forschung. In Großbritannien zogen Harrys Äußerungen jedenfalls heftige Kritik auf sich. Im Buch erwähnt Harry Pilze und den halluzinogenen Trank Ayahuasca (DMT). Die Anwendung nennt er "rein medizinisch", allerdings sind die Substanzen in vielen Ländern illegal.
Dabei können Erinnerungen an 2009 wach werden: Bei einer illegalen "Drogentherapie" in Berlin starben zwei Männer an einer Überdosis Ecstasy. Der verurteilte Arzt hatte die Droge damals falsch abgewogen.
Derzeit laufen in Europa diverse Forschungen zum Thema: Wissenschafter wollen etwa wissen, wie lange mögliche Wirkungen anhalten und wie unerwünschte Nebenwirkungen das Verhältnis von Risiko zu Nutzen beeinflussen.
Zu Psilocybin läuft beispielsweise eine Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, an der auch die Charité in Berlin beteiligt ist. Es geht um Depressionen, deren Behandlung bisher erfolglos war. Die Substanz löst laut Angaben auf der Studienwebsite für einige Stunden einen Zustand ähnlich einem Tagtraum aus, oft verbunden mit verstärkten Emotionen. Hinweise, dass die Substanz abhängig mache, gebe es nicht. 2024 lägen voraussichtlich Ergebnisse vor, teilte Charité-Studienkoordinator Michael Koslowski mit.
Weiter fortgeschritten ist der Einsatz des Narkose- und Schmerzmittels Ketamin, auch bekannt als "Partydroge". Bei Menschen mit therapieresistenten Depressionen kann es unter bestimmten Voraussetzungen verabreicht werden. Als Vorteil gilt, dass die Wirkung schnell eintritt. Die Gabe hat etwa zur Folge, dass Patienten eine Zeit lang quasi von ihrer Umwelt abgekoppelt sind. "Wir haben mit Ketamin teils ganz erstaunliche Erfolge bei Betroffenen gehabt. Ich sehe es als wertvolle Bereicherung der therapeutischen Möglichkeiten", sagt Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinik Frankfurt. "Solche Therapien müssen aber immer eingebettet sein in eine psychiatrische Gesamtbehandlung."
Gefährliche Selbstversuche
Sprich: Einen Drogen-Trip in Eigenregie darf man sich keinesfalls als einfache Lösung für komplexe psychische Probleme vorstellen. Im Gegenteil. Das könnte nach hinten losgehen. Selbstversuche erschienen zunehmend auf Portalen wie YouTube, berichtet Koslowski von der Charité. Nachahmer liefen Gefahr, gefährliche Komplikationen zu erleiden: Angstreaktionen, Psychosen, Unfälle und Risiken für das Herz, etwa wenn eine zu hohe Menge eingenommen wird oder eine Mischung mehrerer Substanzen.
Die Substanzen seien nach bisherigen Erkenntnissen kein Heilsbringer für alle Patienten, sagt Reif, der im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde ist. "Man darf sie aber auch nicht verteufeln. Wir sollten froh sein über jedes zusätzliche Medikament, das wir zur Verfügung haben." Weitere Psychedelika dürften aus Reifs Sicht in Zukunft für die Nutzung im psychiatrischen Bereich hinzukommen. Fachleute erwarten, dass es etwa bei Psilocybin noch eine Frage mehrerer Jahre sein dürfte.