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Warum und seit wann wir gehen

Von Klaus Buttinger, 17. September 2022, 00:05 Uhr
Warum und seit wann wir gehen
Bild: OÖN

Am Anfang des Menschseins steht der aufrechte Gang. Der Beginn seiner Entwicklung wird von Forschern neuerdings nicht mehr in Afrika vermutet, sondern quasi bei uns ums Eck: im Unterallgäu in Bayern.

Auf die Frage, warum sich beim Menschen der aufrechte Gang entwickelt hat, könnte man frei nach Clinton eine kurze Antwort geben: "It’s the evolution, stupid!" Doch so einfach macht es sich die Wissenschaft nicht, zumal es keine einfachen Antworten gibt. Weder weiß man genau, wo sich der aufrechte Gang bei unseren Vorfahren entwickelt hat, noch wann oder warum. Man kann sich nur auf Interpretationen vereinzelter Skelettfunde stützen und Thesen von Experten für die menschliche Frühgeschichte abwägen.

Bis vor wenigen Jahren lautete die Lehrmeinung, der aufrechte Gang sei vom Vormensch Australopithecus entwickelt worden. Man stützte sich auf das Skelett von Lucy, einer nach dem Beatles-LSD-Song "Lucy in the Sky with Diamonds" benannten Vertreterin, die 3,18 Millionen Jahre alt ist. Aus ihren versteinerten Knochen ließ sich zum einen herauslesen, dass sie überwiegend auf zwei Beinen ging, und zum anderen, dass sie wohl vom Baum gefallen war, so sehr waren ihre Knochen gebrochen.

Doch im Stammbaum der Frühmenschen – Forscher sprechen wegen der vielen Abzweigungen vom "Stammbusch" – gibt es auch noch frühere Hinweise auf die Bipedie. Sie führen nach Griechenland, wo man Fußspuren fand, die auf eine relativ moderne Fußarchitektur hinweisen und die 2,5 Millionen Jahre älter sind als Lucy.

Madelaine Böhme
Madelaine Böhme Bild: dpa

Konnte das Gehen auf zwei Beinen mehrmals und unabhängig voneinander in der Evolutionsgeschichte zutage treten? Möglich wäre es, wenngleich "wenig wahrscheinlich", wie Paläoanthropologin Madelaine Böhme von der Universität Tübingen sagt. Sie und ihrem Team gelang vor drei Jahren ein großer Coup, im Forscherjargon: ein Paradigmenwechsel. Bei Ausgrabungen in einem Bachlauf in der Tongrube "Hammerschmiede" im Unterallgäu (Bayern) wurden Fossilien einer bisher unbekannten Primatenart entdeckt. Der sogenannte Danuvius guggenmosi habe vor 11,62 Millionen Jahren gelebt und sich wahrscheinlich sowohl auf zwei Beinen als auch kletternd fortbewegt, heißt es im Bericht des Fachmagazins "Nature".

Die Forscher tauften den möglichen Vorfahren von Mensch und Menschenaffe auf den Namen Udo – nach dem deutschen Rocksänger Udo Lindenberg, dessen Songs während der Ausgrabung im Radio liefen. Er soll sich darüber erfreut gezeigt haben.

Was die Knochen sagen

Woran erkennt man an alten Knochen, ob sie dem aufrechten Gang dienten? An ihrer Form. Da die Füße, statt nach Ästen zu greifen, nun das ganze Körpergewicht tragen mussten, wurden sie zu Sohlen mit dämpfendem Fußgewölbe umgestaltet. Die O-Beine der Menschenaffen wurden zu einem X, das Becken musste umgestaltet werden und die Wirbelsäule eine Doppel-S-Form ausprägen, um den Schädel zu balancieren. Eine These besagt, dass diese Veränderung am Kopf erst das Wachstum des Gehirns möglich machte. Doch das wird nur ein Teil der Geschichte sein, denn dazu hat wohl auch der zunehmende Werkzeuggebrauch der Vormenschen und die Entwicklung der Sprache beigetragen. Aber klar ist: Am Anfang war der aufrechte Gang.

Udo mit seinem Lebendgewicht von errechneten 31 Kilogramm wird noch keine Philosophie des Faustkeils mit seinem deutlich leichteren Weibchen besprochen haben. Die beiden ernährten sich von Pflanzen und lebten überwiegend in Bäumen. Sie hatten bereits eine S-förmige Wirbelsäule, mit der sie sich aufrecht halten konnten. Laut Böhmes Mitautor David Begun von der Uni Toronto "kombinierte Danuvius die von den hinteren Gliedmaßen dominierte Zweibeinigkeit mit dem von den vorderen Gliedmaßen dominierten Klettern".

Damit rückt eine bis dato eher stiefmütterlich behandelte These zur Entwicklung des aufrechten Gangs in den Mittelpunkt: "die Bipedie in Anpassung an Bäume", wie Böhme sagt: "Das wurde bisher nicht ernsthaft diskutiert, was sich gerade zu ändern beginnt."

Warum und seit wann wir gehen
Bild: OÖN-Archiv

Am Verhalten von Orang-Utans lässt sich die These illustrieren. Wenn sich die Primaten auf dünnen Ästen in den Baumkronen bewegen, richten sie sich auf und entlasten den dünnen Ast, indem sie nach Ästen über ihren Köpfen greifen und so scheinbar aufrecht gehen.

Favorisiert wurde bisher die Vermutung, der aufrechte Gang habe sich entwickelt, weil die Menschenvorfahren gezwungen waren, vom Baum zu steigen und sich auf dem Boden fortzubewegen. Diese Savannentheorie geht davon aus, dass sich die dichten Regenwälder im afrikanischen Grabenbruch durch einen Klimawandel zur offenen Graslandschaft mit vereinzelten Bäumen wandelten. Wie passt allerdings dazu, dass Schimpansen ihre Schlafnester sowohl auf Bäumen als auch auf dem Boden anlegen? Wahrscheinlich ist die Frage nach dem Entweder-oder die falsche. Und vielleicht spielt auch die These mit, wonach sich der aufrechte Gang in den vielen Flussläufen des früheren Regenwaldes entwickelte, wie der Berliner Evolutionsbiologe Carsten Niemitz vermutet? Denn es ist sinnvoller, auf zwei Beinen durch nahrungsreiches Wasser zu gehen als auf allen vieren. Gorillas zeigen dieses Verhalten und nutzen außerdem häufig einen Stock zum Abstützen.

Aufrecht gehen tut weh

Wo auch immer die Wiege jener stand, die sich aufmachten, die Welt auf zwei Beinen zu entdecken, und die ihre Gene zufällig erfolgreich weitergaben, die Menschen haben sich diese Fortbewegung teuer erkauft. Dem Vorteil, die Hände für alles Mögliche freizuhaben – für Werkzeuge oder Waffen, für Nahrungsmittel und Kleinkinder –, stehen die Nachteile gegenüber, die da heißen: Verengung des Geburtskanals, Verringerung der Kletterfähigkeit, Krampfadern und Kreuzweh.

Zeitleiste

  • Vor 12 Mio. Jahren turnte Udo, ein Vertreter der ausgestorbenen Menschenaffengattung Danuvius, durch Baumkronen des Allgäus – die Knochen seiner Hinterbeine zeigen Merkmale, die für Bipedie sprechen.
  • Vor 6 Mio. Jahren hinterließen Vertreter der frühesten Menschenvorläufer (Orrorin tugenensis) 50 Fußspuren auf Kreta, die versteinerten.
  • Vor 3 Mio. Jahren fiel Australopithecus Lucy in Ostafrika vom Baum und brach sich viele Knochen. Ihr Skelett zeigt eine deutliche Ausprägung des aufrechten Gangs.
  • 300.000 Jahre ist es her, dass sich der moderne Zweibeiner (Homo sapiens) in Afrika aufmachte, nach Europa zu gehen – auf zwei Beinen.
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Autor
Klaus Buttinger
Redakteur Magazin
Klaus Buttinger

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3  Kommentare
3  Kommentare
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oblio (24.807 Kommentare)
am 17.09.2022 19:56

Wie oft wurden die so genannten Thesen von Wissenschaftlern
revidiert.
Fakten werden phantasievoll interpretiert, aber wo liegt die
Realität wirklich.

Alle Thesen sind erlaubt, nur mit der Beweiskraft haperts!

Fachleute halt, eh schon wissen!

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Gugelbua (31.972 Kommentare)
am 17.09.2022 13:24

Ja Ja- die Realität der Forschung und der Wissenschaft👍
in der Bibel stehen ganz andere Märchen😉

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diwe (2.383 Kommentare)
am 17.09.2022 17:24

Und 58% der Amerikaner glauben, was in dem Märchenbuch steht. Noch mehr leugnen die Evolutionstheorie.

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