Leonardo, der Wissbegierige
Sein Name wird als Inbegriff des Universalgelehrten gehandelt. Auch 500 Jahre nach seinem Tod hat Leonardo da Vinci nichts von seiner faszinierenden Aura eingebüßt.
Maler, Architekt, Bildhauer, Naturphilosoph, Erfinder, Anatom, Mechaniker, Musiker. Leonardos Denken folgte keiner geregelten Bahn, sondern verlief weitverzweigt. Sein Drang, alles wissen zu wollen, warf Fragen auf, für deren Beantwortung enge Genregrenzen sowohl in Kunst als auch in Wissenschaft hinderlich gewesen wären.
Es gab nichts, das ihn nicht beschäftigte. Was ist eine Seele? Woher kommen die Träume? Wie funktioniert der Körper? Wie fliegen Vögel? Warum ist der Himmel blau? Wie wirken die Kräfte des Wassers? Er skizzierte einen Panzer, kritzelte einen Fallschirm auf Papier, plante Brücken und Kanäle, entwarf eine Flugmaschine und Kriegsgeräte.
Der Durst, im Zeitalter der Renaissance den Dingen auf den Grund zu gehen, erwies sich letztendlich als unstillbar. Leonardo, der am 15. April 1452 als unehelicher Sohn einer Magd und eines aufstrebenden Notars im toskanischen Vinci geboren wurde, fing viel an und brachte wenig zu Ende. Einer seiner zahlreichen Aphorismen darf diesbezüglich als selbstironischer Anflug verstanden werden: "Geniale Menschen beginnen große Werke, fleißige Menschen vollenden sie."
Schmales Kunst-Werk
Das Kunst-Oeuvre, das er hinterlassen hat, nimmt sich quantitativ geradezu dürftig aus – die Wirkung auf die Nachwelt schmälert das nicht. Immerhin zählen zwei der Bilder, die unter dem Pinsel des außergewöhnlich Begabten entstanden sind, zu den berühmtesten der Kunsthistorie: die mit dem mysteriösen Lächeln gesegnete "Mona Lisa" und das monumentale Wandgemälde "Das Abendmahl".
Dabei hätte sich der in der Werkstatt des bedeutenden Bildhauers und Malers Andrea del Verrocchio in Florenz geschulte Künstler nach seinen Lehrjahren über Aufträge nicht beklagen können. Für den ersten, ein Altarbild, kassierte er zwar eine Anzahlung, führte das Werk aber nicht bis zum Schluss aus. Diese Art sollte sich als notorisch erweisen. Porträts wurden bestellt und blieben unvollendet. Das mächtige, sieben Meter hohe Reiterstandbild, das er dem Mailänder Herzog Ludovico Sforza versprochen hatte, schaffte es nie auf einen Sockel. Auch das von der Stadt Florenz für den neuen Ratssaal im Palazzo della Signoria in Auftrag gegebene Wandbildnis "Schlacht von Anghiari" kam über das Stadium der Studie und des Entwurfes nicht hinaus.
Selbstzweifel und der Hang zum Perfektionismus dürften ihm im Weg gestanden sein. "Seine Wahrheitssuche und sein Misstrauen gegenüber dem Althergebrachten ließen ihn ausgetretene Pfade bewusst vermeiden. Das hat eine gradlinige Karriere verhindert und führte dazu, dass Leonardo, trotz weltmännischen Auftretens und überragenden Talents als Entertainer, der wurzellose Außenstehende blieb, der sich selbst das Leben schwermachte", schreibt Boris von Brauchitsch in der aktuellen Biografie "Das Leben des Leonardo da Vinci" (Insel Taschenbuch, 253 Seiten, 17,50 Euro). So experimentierte er beim "Abendmahl" mit Grundierungen und Farben, was das Gemälde noch zu Lebzeiten seines Schöpfers schädigte.
Überflieger im Geiste
Scheitern und Misserfolge gehörten zu dem Mann, der Männer liebte, kein Fleisch verzehrte, exzentrisch auftrat und von Neugier getrieben war. "Leonardo war ein Überflieger im Geiste, und im Leben ein Meister der Bringschuld", formulierte es die Wochenzeitung "Die Zeit".
Sein ungezügelter Forschergeist sprang von einem Thema zum nächsten. Er inszenierte spektakuläre Feste, überraschte den französischen König mit der Apparatur eines mechanischen Löwen, studierte Botanik, sezierte Leichen, um "zu erlernen, wie er die verschiedenen Gelenke und Muskeln, ihr Biegen und Strecken, in seiner Malerei den Gesetzen der Natur entsprechend darstellen könne", schreibt Paolo Giovio (1483-1552), ein früher Biograf Leonardo da Vincis. Was die einen als Verzetteln ansehen, legen andere als Freiheit des Denkens aus.
Seine Ideen, Visionen und Betrachtungen hält der Vielseitige in peniblen Aufzeichnungen auf rund 4000 Seiten fest, häufig in Spiegelschrift gehalten. Als Traktate oder Codex wurden erst spät Teile daraus verlegt, über die Anatomie des Menschen, über die Malerei, über den Vogelflug. Seine mit Skizzen gefüllten Manuskripte dienten später geborenen Geistesgrößen als Fundament für bahnbrechende Erkenntnisse.
Das Genie
Dass Leonardo seiner Zeit voraus war, würdigte auch Psychoanalytiker Sigmund Freud: "Er glich einem Menschen, der in der Finsternis zu früh erwacht war, während die anderen noch alle schliefen." Auf das Besondere passte auch ein Zitat des Philosophen Arthur Schopenhauer: "Das Genie trifft in seine Zeit wie ein Komet in die Planetenbahnen."
Der Komet Leonardo da Vinci verglühte nach mehreren Schlaganfällen am 2. Mai 1519 im Alter von 67 Jahren im französischen Amboise, wo er sich auf Einladung von König Franz I. niedergelassen hatte. Fürs Vollenden war das Leben zu kurz. Seine Aura hat den Tod überdauert.
Seine Werke
Die Zahl seiner Kunstwerke ist überschaubar. Ein Bildnis, klein aber fein, überstrahlt alles: die "Mona Lisa". Sechs Millionen Menschen erfreuen sich jährlich an ihrem mystifizierten Lächeln.
Tagtäglich ist sie 20.000 Menschen ausgesetzt, die sich vor ihr drängen, die Handys zücken und abdrücken. Und sie lächelt immer noch, die "Mona Lisa", in ihrem 77 mal 53 Zentimeter großen Rahmen, der im ausladenden Salle de la Joconde im Pariser Louvre noch kleiner wirkt. Sie hängt hinter Panzerglas in einer klimatisierten Hochsicherheitskammer, als Meisterwerk aus Leonardos Hand.
Der Künstler hatte sich an der verklärt blickenden Dame mit dem schiefen Lächeln regelrecht abgearbeitet. 1503 mit der ersten Porträtsitzung begonnen, begleitete ihn das Bild auf allen seinen Umzügen, schlussendlich bis nach Frankreich. Immer wieder überarbeitete er das Gemälde, trug die Farbe mit feinen Pinselstrichen und in mehreren durchschimmernden Schichten auf. Obwohl es mehrere Deutungen für die Identität der Gemalten gibt, dürfte es sich um Lisa del Giocondo handeln, die dritte Gemahlin eines Florentiner Geschäftsmannes.
Beim Wandbild "Abendmahl" brach Leonardo mit der Tradition, den Judas abseits der anderen Jünger abzubilden. Stattdessen platziert er ihn in einer der drei dynamisch gemalten Dreiergruppen in jenem Moment, in dem Jesus verkündet, dass ein Verräter unter ihnen sei.
Berühmt wurde auch die Illustration zu den menschlichen Proportionen, die es sogar auf die italienische Euro-Münze schaffte.
Leonardo in Linz
Die Ausstellung "Die großen Meister der Renaissance" in der Linzer Tabakfabrik bringt bis 12. Mai neben Michelangelo, Botticelli und Raffael auch die Kunst Leonardos als Reproduktionen näher, darunter die "Mona Lisa" und "Das Abendmahl". Zum 500. Todestag ist die Schau am 2. Mai bis 22 Uhr geöffnet, das Ausstellungskino zeigt durchgehend einen Film über das Leben des Genies. Ab 19 Uhr präsentieren die Sopranistin Elisabeth Pratscher und der Bariton Thomas Weinhappel inmitten der Kunstwerke "Die großen Meister des Belcanto" mit Arien und Duetten von Mozart, Puccini, Verdi, etc. Zur gleichen Zeit präsentiert Kunsthistoriker Lothar Schultes Leonardos vielfältiges Schaffen im Deep Space des Ars Electronica Centers.
Infos und Karten unter die-grossen-meister.at; Inhaber der OÖNcard erhalten 2 Euro Rabatt im Vorverkauf, 4 Euro auf das Familienticket
Das Fragezeichen
Um 450 Millionen Dollar ersteigerte ein saudischer Prinz den „Salvator Mundi“. Stammt das Bildnis tatsächlich von Leonardo?
Es ist das teuerste versteigerte Kunstwerk der Welt. Im November 2017 erzielte der „Salvator Mundi“ 450 Millionen Dollar im New Yorker Auktionshaus „Christie’s“. Das 65,6 mal 45,4 Zentimeter große, auf eine Walnusstafel gemalte Ölbild zeigt Jesus als Heiland der Welt, mit segnender Geste und Kristallkugel.
Doch die Zweifel mehren sich, dass das um 1500 entstandene, Leonardo da Vinci zugeschriebene Werk tatsächlich allein von des Meisters Hand gefertigt wurde. Auch Gehilfen seiner Werkstatt kämen in Betracht. Der Zustand des Bildes sei ebenso beklagenswert wie die lückenhaft belegte Provenienz.
Sein Leben
- 1452: Als unehelicher Sohn eines Bauernmädchens und eines Juristen kommt Leonardo am 15. April in Anchiano bei Vinci zur Welt.
- 1469: Nach dem Tod des Großvaters, bei dem er aufwächst, übersiedelt er zum Vater nach Florenz. Dort beginnt er eine Lehre in der Werkstatt des Bildhauers und Malers Verrocchio.
- 1472: Nach drei Lehrjahren wird Leonardo Mitglied der Zunft der Maler, womit er auch selbstständig Aufträge annehmen durfte.
- 1478: Für seinen ersten Auftrag, ein Altarbild, nimmt der Künstler eine Anzahlung entgegen, das Gemälde stellt er aber nicht fertig.
- 1482: Leonardo wechselt an den Hof des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza, dem er sich mit Entwürfen für Kriegsgeräte und einem zu schaffenden Reiterdenkmal für dessen Vater andient.
- 1495: Leonardo beginnt mit seinem Wandgemälde „Das Abendmahl“ für die Klosterkirche Santa Maria delle Grazie.
- 1503: Zurück in Florenz beginnt er mit einem Werk, das ihm den Platz im Olymp der Kunstgeschichte sichern sollte und das heute im Louvre in Paris hängt: die „Mona Lisa“.
- 1513: Leonardo begibt sich in Rom in die Dienste des Papst-Bruders Giuliano de’ Medici.
- 1516: Der Meister kehrt Italien den Rücken und bezieht auf Einladung von König Franz I. seinen Alterssitz im französischen Amboise.
- 1519: Am 2. Mai stirbt Leonardo 67-jährig in seinem Haus Clos Lucé.
Weltbeweger
Die Leonardos von heute haben Visionen, um die Welt zu verändern. Auch sie stoßen dabei nicht nur auf Verständnis.
Elon Musk - Der Vielseitige
Der gebürtige Südafrikaner (47) wird gerne mit hellen Geistern wie Henry Ford und Thomas Edison verglichen und gleichzeitig zwischen Genie und Wahnsinn einsortiert. Als Credo verbreitet er, „zusammen mit seinem Team Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die für Menschen sinnvoll sind“.
Sein milliardenschweres Vermögen, das ihm als Spielgeld für Entwicklungen dient, scheffelte der Vater von fünf Söhnen als Mitbegründer des Online-Bezahlsystems Paypal, das an Ebay verkauft wurde. 2002 gründete er das Raumfahrtunternehmen SpaceX, das Satelliten in den Orbit bringt, die Raumstation ISS versorgt, an wiederverwendbaren Raketen tüftelt und von einer Besiedlung des Mars fantasiert. Mit Tesla gilt Musk als Vorreiter der E-Mobilität. Sein jüngstes Projekt Hyperloop sieht vor, Fahrzeuge samt Passagieren in Tunnelröhren von Stadt zu Stadt rasen zu lassen.
Mark Zuckerberg - Der Kommunikator
„Ich habe im Lauf der Jahre jeden erdenklichen Fehler gemacht“, schrieb Mark Zuckerberg im Vorjahr auf seiner Facebook-Seite. Was den Umgang mit Nutzerdaten, Löschungen und Falschmeldungen betrifft, steht das soziale Netzwerk wiederholt in der Kritik.
Ob es einem aber gefällt oder nicht: Der 34-jährige Studienabbrecher und Gründer des sozialen Netzwerks hat mit Facebook die Welt verbunden und damit die Form der Kommunikation revolutioniert. Aktuell verfügt der virtuelle Menschenverbinder über mehr als 2,2 Milliarden Kunden. Seit 2012 gehört auch der Instant-Messaging-Dienst Whatsapp zum Unternehmen.
Zuckerberg, dessen Vermögen auf rund 62 Milliarden Dollar geschätzt wird, steckt – wie sein großes Vorbild Bill Gates – Teile davon in wohltätige Zwecke. Er hat Schulen mit Spenden begünstigt und Stiftungen gespeist.
Greta Thunberg - Die Umweltaktivistin
„Euch gehen die Entschuldigungen aus. Und uns geht die Zeit aus. Wir sind hierhergekommen, um euch wissen zu lassen, dass Veränderung kommen wird. Ob es euch gefällt oder nicht. Die echte Macht liegt bei den Menschen.“ Mit einer beherzten Rede bei der Klimakonferenz in Kattowitz las das schwedische Mädchen mit den Zöpfen den Vertretern von 194 Staaten die Leviten.
Was damit begann, dass die heute 16-jährige Greta freitags die Schule schwänzte, um vor dem schwedischen Parlament für den Klimaschutz zu demonstrieren, hat sich zur globalen Bewegung „Fridays for Future“ ausgewachsen.
Der Einsatz gegen die mangelnde politische Bereitschaft zum Handeln gegen den Klimawandel bescherte dem Teenager eine Nominierung für den Friedensnobelpreis. Das „Time“-Magazin zählt sie zu den 100 einflussreichsten Menschen des Jahres 2019.