5 Gründe, warum Vorsingen für Babys so wichtig ist
WIEN. Wie das Vorsingen durch Eltern die Sprachentwicklung des Nachwuchses prägt, zeigt eine neue Studie.
Musik spielt eine tiefgreifende Rolle im menschlichen Alltag – und das schon von ganz früh. Weltweit singen Eltern instinktiv für ihre Babys in vielerlei alltäglichen Situationen, z.B. beim Wickeln oder Spielen. Dabei wollen sie ihre Kleinen beruhigen, deren Aufmerksamkeit gewinnen oder einfach gemeinsam Spaß haben. Wiener und Londoner Forscher haben nun die Effekte von vorgesungenen Lieder auf die Sprachentwicklung bei Babys untersucht.
Ziel der Wissenschafter aus dem Wiener Kinderstudien Labor der Universität Wien und von der University of East London war es, aufzuzeigen, wie junge Säuglinge auf von der Mutter vorgesungene Rhythmen reagieren und welche Folgen die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Rhythmen für die Sprachentwicklung hat. Ihr Fazit: Die Verarbeitung der Lieder und Reaktion der Kinder auf Rhythmen stand in Beziehung zur späteren Größe des Wortschatzes, wie die Wissenschaftler im Fachjournal "Developmental Cognitive Neuroscience" berichten.
Spiel- und Schlaflied vorgesungen
Es wurden zunächst 30 sieben Monate alte Kinder im Labor beobachtet, wie sie bei einem durch die Mutter vorgesungenen, achtstrophigen Schlaflied ("Schlaf, Kindlein schlaf") und einem achtstrophigen Spiellied ("Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann") mit ihrer über Elektroenzephalografie (EEG) gemessenen Gehirnaktivität reagierten. Spiellieder zeichnen sich durch eine höhere Rhythmik, ein schnelleres Tempo und höhere Tonhöhen aus. Sie sind zudem musikalisch vielfältiger und komplexer als Schlaflieder. Letztere sind durch ein langsames Tempo, tiefere Tonhöhen und weniger musikalische Variation gekennzeichnet, um Babys zu beruhigen und beim Einschlafen zu helfen.
"Es hat sich gezeigt, dass die Gehirnwellen der Babys den Klang des Gesangs widerspiegeln können, nämlich insbesondere beim Schlaflied", sagt Gabriela Markova vom Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung der Uni Wien. "Die Funktion von Schlafliedern ist, die Kinder zu beruhigen. Es hat sehr reguläre und vorhersehbare Strukturen. Das hat wahrscheinlich das Tracking erleichtert", so Markova. Mehr rhythmische Bewegungen zeigten die Säuglinge während des Spiellieds, das sie demnach mehr anregte, hieß es.
In einem weiteren Versuch waren wiederum 30 sieben Monate alte Kinder nicht, wie im ersten Setting, in einer Babyschale gebettet, sondern saßen mit mehr Bewegungsfreiheit in einem Hochstuhl. Hier hätten vor allem auch die rhythmischen Bewegungen der Kinder, also etwa das Wippen oder Strampeln, als Reaktion auf die vorgetragenen Lieder im Vordergrund der Beobachtung gestanden, so Markova.
Spiellieder prägen Sprachfähigkeiten
Als die Kinder 20 Monate alt waren, befragten die Wissenschafter die Eltern dann mittels Fragebogen über den Wortschatz ihrer Kleinkinder, einerseits in Bezug auf das Verstehen von Wörtern und andererseits in Bezug auf das eigenständige Produzieren. Aus ihren Beobachtungen und auf Basis statistischer Auswertungen habe sich gezeigt, so Autorin Trinh Nguyen, dass "wohl nur das neuronale Tracking und die rhythmischen Bewegungen beim Spiellied, aber nicht beim Schlaflied, mit einem vergleichsweise größeren Wortschatz der Kinder im Alter von 20 Monaten zusammenhängen". Die Studie lege nahe, so hieß es, dass die Art und Weise, wie Babys auf unterschiedliche Lieder reagieren, mit ihrer späteren sprachlichen Entwicklung zusammenhängen könnte. Damit sehen die Forscher neue Ansätze gegeben, um die Mechanismen und genauen Zusammenhänge zwischen musikalischer Wahrnehmung und Sprachentwicklung noch besser zu verstehen.
Warum Eltern ihren Babys vorsingen sollten
- Musik fördert die motorische Entwicklung: Lieder wie "Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann" regen dazu an, sich rhythmisch zur Musik zu bewegen und das Gesehene zu imitieren. Die Kleinen trainieren spielerisch ihre Körperwahrnehmung und die Motorik. Ohr und Gleichgewichtssinn werden beim Zuhören ebenso geschult.
- Kognitive Fähigkeiten werden geschult: Babys beobachten aufmerksam die Mund- und Lippenbewegungen, die Mimik und Gestik der Eltern, und versuchen diese nachzuahmen. Noch bevor sie selber sprechen können, werden sie mit der Sprachmelodie und ihrer Muttersprache vertraut.
- Singen stärkt die Bindung: Durch die intensive Zuwendung beim Vorsingen wird die Bindung zwischen Eltern und Baby gestärkt. Singt man seinem Kind etwas vor, erfährt es Nähe, Aufmerksamkeit und Sicherheit. All das wirkt sich positiv auf die Bindung aus.
- Vorsingen erinnert an die Zeit im Bauch: Säuglinge genießen es, geschaukelt zu werden und dabei ein leises Lied zu hören - denn genau das haben sie auch im Mutterleib erfahren, wo sie unter der Stimme ihrer Mutter eingeschlafen sind.
- Lieder erweitern den Sprachschatz: In Kombination mit rhythmischen Bewegungen wirken sich spielerische Lieder positiv auf die Größe des Wortschatzes von Kindern aus, wie die aktuelle Studie nun zeigt.