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Ein Film zur rechten Zeit über das Ende einer österreichischen Lebenslüge

Von Nora Bruckmüller, 04. Oktober 2018, 00:04 Uhr
Die "Affäre Waldheim", ein Wendepunkt nach 1945
Bild: APA

Ruth Beckermanns "Waldheims Walzer" in der OÖN-Kritik.

Das Beste an der Wahrheit ist, wenn sie endlich gesagt wird. Vor allem dann, wenn das Schweigen darüber längst darin gegipfelt hat, dass es im Leben gärt.

Das ist in Beziehungen und Familien nicht anders als in Gesellschaften. Der neue Dokumentarfilm von Ruth Beckermann "Waldheims Walzer", der ab 5. Oktober im Kino läuft, skizziert im guten Sinne streng, aber auch auf sehr persönliche Weise, was passiert, wenn einem Land wie Österreich die Wahrheit um die Ohren fliegt.

Der Anlass: Der Skandal um die NS-Vergangenheit von Kurt Waldheim, der der frühere UN-Generalsekretär im Jahr 1986 mit Erinnerungslücken begegnete. Waldheim ging für die ÖVP um das Amt des Bundespräsidenten ins Rennen. Etwas, was moralisch und ethisch nicht möglich sein darf, wenn unaufgeklärt im Raum steht, für das NS-Regime in Regionen, wo Gräueltaten verübt worden sind, tätig gewesen zu sein. Waldheim schwieg, wand sich, und Beckermann, damals eine junge Frau, protestierte gegen. Und war so zur Chronistin mit tragbarem Videogerät wie Aktivistin geworden.

Das gute an ihrem präzise montierten und aufwendig in Archiven des ORF, der britischen BBC und des amerikanischen Senders ABC recherchierten Filmessays zur "Affäre Waldheim" ist, dass es ihr nicht darum geht, Waldheim um jeden Preis in dieser Sache dingfest zu machen. Viel mehr erzählt und erinnert sie auf ihre Weise, was die Wahrheit war, die damals öffentlich, hoch emotional und von allen ideologischen Perspektiven betrachtet ans Licht kommen musste: Österreich war nicht "das erste Opfer" des Nationalsozialismus. Mit dem offiziellen Frieden verschwanden die braunen Reste nicht von selbst, und mit dem Ende der Nürnberger Prozesse war längst nicht alles gut gemacht.

Juden, öffentlich denunziert 

Wer sich mit  Österreichs Geschichte und seiner  Skandalkultur beschäftigt hat, wird vielleicht nicht viel Neues erfahren. Doch er wird bestimmt überrascht sein, mit welch unumwundener Dreistigkeit  Menschen, die auf der Seite Waldheims waren, Juden bei den öffentlichen Protesten auf der Straße denunzierten.  Denn es war der Jüdische Weltkongress (JWC) in New York, der Dokumente vorgelegt hatte, die Lücken in Waldheims Schilderungen seiner letzten Kriegsjahre offenbarten: Ganz bewusst habe er u.a. seinen Dienst im Stab des Wehrmachtgenerals und Kriegsverbrechers Alexander Löhr und seine Anwesenheit in Saloniki während der Massendeportation von Juden im März 1943 verschwiegen.

Im Film fallen Sätze, die hier nicht wiederholt werden sollen, aber deshalb so hart treffen, weil sie an Hassparolen erinnern, die man jetzt wieder hören kann. 

Von selbst sickernde Ironie

Beckermann ergötzt sich auch nicht an der Fallhöhe, die die Karriere und die Bedeutung Waldheims mit sich brachten. Er war ein Mann, der für christliche und familiäre Werte stand, und als oberster Diplomat global für Vertrauen und eine kosmopolitische Haltung. Beckermann stellt diese seinem Leben innenwohnende Ironie nicht extra in den Mittelpunkt, sie sickert von selbst durch.  Und erinnert daran, wie zerbrechlich öffentliche Bilder sind und wie leicht sie zerstört werden können – von innen und von außen.

All das macht "Waldheims Walzer" zum Film zur rechten Zeit in einer medial intensiv vernetzten Welt. Dass er für Österreich ins Rennen um Oscar für den besten fremdsprachigen Film geschickt wird, ist ein starkes Zeichen – für den Dokumentarfilm, aber in erster Linie für das Land und Menschen an den Schnittstellen zur Öffentlichkeit. Denn einen Oscar wird er mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit nicht gewinnen, aber jedes Mal wenn er in einer Schule gezeigt wird, kann daraus ein aufklärerischer Sieg "im Kleinen" werden.

Kino: "Waldheims Walzer",  A 2018, 93 Min., Regie: Ruth Beckermann

OÖN-Wertung: fünf von sechs Sternen  

Zum Interview mit Ruth Beckmann

 

Ein Wendepunkt nach 1945

1986 kandidierte Ex-UN-Generalsekretär Kurt Waldheim (ÖVP) als Bundespräsident. Bald wurden Infos öffentlich, wonach er seine NS-Vergangenheit verschwiegen habe. Konkret stand u. a. die Tätigkeit als untergeordneter Offizier zur Debatte – dort, wo die Wehrmacht an Deportationen beteiligt war.

In Europa und in den USA wurde die "Affäre Waldheim" zum Skandal und zum Ventil dafür, Österreichs Rolle nach 1945 und seine NS-Zeit neu zu beurteilen. Waldheim wurde im zweiten Wahlgang Präsident, blieb aber isoliert. Auf Initiative des jüdischen Weltkongresses durfte er nie wieder in die USA reisen.

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14  Kommentare
14  Kommentare
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fritzlfreigeist (1.646 Kommentare)
am 04.10.2018 20:15

Waldheim war sicher auch im Krieg ein Mitläufer, ein Angepasster, der sich immer auf die Seite der momentanen Sieger stellte.

Was hat ihn abgehalten zu sagen ......... ja ich war dabei wie tausende andere Soldaten und die Geschichte hätte einen anderen Lauf genommen.

So sass er mit dem Makel des Lügners, im Präsidentenbüro, gemieden wie heute ein Strache oder Kickl.

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ichauchnoch (9.802 Kommentare)
am 04.10.2018 13:39

Und noch etwas: was soll das übrigens heißen: "Ein Film zur rechten Zeit...." - gibt's eine falsche Zeit auch für solche aufklärenden Filme?

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ichauchnoch (9.802 Kommentare)
am 04.10.2018 13:37

Und was sagt der Schwiegersohn Karas zu dem Film? Der wird ja sicher nicht nur in Österreich gesehen und ich könnte mir vorstellen, dass die EU-Kollegen Fragen an Karas haben. Den hätte man auch dazu interviewen können. Aber vielleicht kommt's noch.

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weinberg93 (16.406 Kommentare)
am 04.10.2018 14:02

@ichauchnoch
Das ist jetzt Sippenhaftung der übelsten Sorte!
Man ist ja nicht für Taten und Haltungen der Väter (Eltern) verantwortlich.
Noch weniger für jene der Schwiegereltern – die kennt man ja lange gar nicht, vor allem nicht in der prägenden Phase der Kindheit und Jugendzeit.

Pfui!
Karas braucht sich null rechtfertigen.

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Auskenner (5.366 Kommentare)
am 04.10.2018 13:17

Die Kritik hätte ruhig ein wenig kritischer sein können. So, wie ich das sehe, rechnet der Film nur mit der Person Waldheim ab. Das ist aber nur ein Teil der Geschichte. Der Umgang Kreiskys mit den Altnazis (Peter) hätte genau so hineingehört wie der Handschlag von Frischenschlager mit Reder. Das wäre eine wirkliche Auseinandersetzung des Österreichs der 1980er Jahre im Umgang mit Kriegsverbrechern gewesen.
Und zu Waldheim, die (ebenso unrühmliche) Rolle der SPÖ in dieser Affäre scheint mir da auch zu wenig beleuchtet worden zu sein.

So bleibt der Eindruck, dass ein SPÖ-Mitglied (oder zumindest eine nahestehende) späte Rache übt. Nachtreten ist aber unfair.

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weinberg93 (16.406 Kommentare)
am 04.10.2018 14:17

Ruth Beckermann könnte auch einen film über Heinrich Gross machen.

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weinberg93 (16.406 Kommentare)
am 04.10.2018 14:26

Und mit dem reißerischen Titel “Die Bestie vom Spiegelgrund“ würde es sicher ein Kinoerfolg.
Wird aber nicht passieren, da der BSA (und andere) das nicht erlaubt.

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FreundlicherHinweis (15.581 Kommentare)
am 04.10.2018 15:35

Haben Sie den Film gesehen? Nein? Warum wissen Sie dann alles darüber, was und was nicht drinnen ist?

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LASimon (11.524 Kommentare)
am 04.10.2018 10:09

Kurt Waldheim hätte nicht BP werden dürfen. Nicht wegen seiner Tätigkeit in der Wehrmacht & seiner Mitgliedschaft in der SA, sondern wegen seines unehrlichen Umgangs mit seiner Lebensgeschichte. Und wegen seiner Verteidigung: Er habe nur seine Pflicht getan.
Sein Pech war, dass er sich zu viele Feinde in den USA gemacht hatte wegen seiner Haltung in der Palästina-Frage - und dass er zu spät kandidierte. Denn auch sein Vorgänger hatte keine moralisch saubere Weste aus dem 2.Weltkrieg mitgenommen, auch Rudolf Kirchschläger litt an Pflichterfüllung.

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Orlando2312 (22.361 Kommentare)
am 04.10.2018 10:35

Woher kommen die Infos über eine Nazi-Vergangenheit Rudolf Kirchschlägers? Wahrheit oder Schmutzkübel?

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jack_candy (7.954 Kommentare)
am 04.10.2018 10:57

Der erste Absatz ist okay, aber dann kommen schon wieder die typischen antisemitischen Vorurteile gegen irgendwelche anonyme "Feinde in den USA", gefolgt von einem typischen Fall von Whataboutismus - man kann den eigenen Standpunkt nicht verteidigen, also wechselt man schnell das Thema.

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 04.10.2018 14:38

Ja, er hat wie Millionen andere, die es auch nicht besser wussten, seine Pflicht getan! Im Nachhinein kann man immer gscheit daherreden.

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FreundlicherHinweis (15.581 Kommentare)
am 04.10.2018 15:36

Aber man kann im Nachhinein gescheiter werden. Außer man will nicht.

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essbesteck (6.034 Kommentare)
am 04.10.2018 05:05

der schuller wars...

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