Gegen die Großen fehlt Thiem noch das gewisse Etwas
Tennis: Nach der 3:6, 3:6-Niederlage gegen Medwedew beendet Österreichs Ass die Saison
Standing Ovations, ohrenbetäubendes Anfeuern, rhythmisches Klatschen, Gänsehautatmosphäre: Wer sich gestern in der mit 9500 Tennisfans bis auf den allerletzten (Steh-)Platz gefüllten Wiener Stadthalle eingefunden hatte, wähnte sich nicht bei einem "normalen" Tennisturnier. Die Stimmung glich eher einem Davis-Cup-Finale, bei dem nichts unversucht gelassen werden sollte, um den "Local Hero", Dominic Thiem, zum Sieg über den kaum aus der Reserve zu lockenden Russen Daniil Medwedew zu tragen.
Dazu gehört es offenbar auch, bei Doppelfehlern und anderen missglückten Schlägen des Gastes frenetisch zu applaudieren. So etwas führt nicht immer zum Ziel. Medwedew, der nur einmal kurz die Fassung verlor, als er dem Publikum zynisch den nach oben gestreckten Daumen präsentierte, entpuppte sich als unüberwindbare Gummiwand und zeigte sich trotz eines Gardemaßes von 1,98 Metern extrem beweglich. Die Nummer eins der Erste Bank Open 500 gewann das Achtelfinalmatch nach 99 Minuten 6:3, 6:3.
Nur eine einzige Breakchance
Dabei hatte Thiem im Gegensatz zum Match gegen Tommy Paul (USA) einen blendenden Start verzeichnet. "Die ersten sieben, acht Games waren richtig, richtig gut. Aber ich habe es nicht geschafft, das hohe Niveau durchzuziehen. Dann entsteht so ein Ergebnis", erklärte der 29-jährige Lichtenwörther, dem ab dem Break zum 3:4 im ersten Satz die Strapazen der vergangenen Wochen anzumerken waren. Gerne hätte der US-Open-Champion von 2020 seinen Fans heute (Viertelfinaltag ab 14 Uhr, ServusTV) eine Zugabe "geschenkt", doch es sollte nicht sein.
"Medwedew macht einfach keinen Fehler", sagte Thiem, der weiß woran er arbeiten muss, um bei 100 Prozent anzukommen. "Ich erarbeite mir gegen die Topgegner noch zu wenige Breakchancen. Dadurch bin ich bei eigenem Aufschlag so sehr unter Druck, dass es nicht mehr reicht." Medwedew, der vor rund zwei Wochen Vater einer Tochter (Alissa) geworden war, wackelte bei eigenem Aufschlag nur einmal, das war bei 4:3 und 30/40.
Weil Thiem diese Möglichkeit ausließ, marschierte der 26-Jährige aus Moskau, der noch Punkte im Rennen um einen Startplatz bei den ATP-Finals der besten Acht des Jahres in Turin braucht, unaufhaltsam weiter. Absolut gnadenlos. "Mein Job ist es, Tennismatches zu gewinnen. Das habe ich gemacht", stellte Medwedew lapidar fest.
Thiem versucht, "nach einer sehr emotionalen Woche" vorauszublicken. Und zwar schon auf die kommende Saison. Die aktuelle hat er für beendet erklärt, weil er davon ausgeht, an die Top 100 der Welt zu klopfen und damit fix im Hauptbewerb der Australian Open 2023 (ab 16. Jänner) zu stehen.
Jetzt gönnt sich Thiem einmal bis zu zwei Wochen Urlaub, anschließend folgen ein intensiver Trainingsblock und Exhibitions in Dubai und Saudi-Arabien (8. bis 10. Dezember).
Turnierbotschafter Muster traut Thiem die Top 15 zu
Seit 2. Oktober ist Thomas Muster, die ehemalige Nummer eins der Tennis-Welt (1996), 55 Jahre alt, bei den Erste Bank Open 500 in Wien gehört er aber unverändert zu den „gesetzten“ Akteuren. Der Steirer, der 1995 die French Open in Paris gewonnen hat, fungiert als enger Vertrauter von Turnierdirektor Herwig Straka seit 2012 als „Botschafter“.
Muster hat die Stadthalle liebgewonnen, nach ihm trat nur Dominic Thiem eine vergleichbare Welle der Begeisterung los. Also jener Mann, der Musters Karriere in Wien 2011 beendet hatte. Während der damals 44-jährige Altmeister bei seinem Abschied Tränen vergoss, feierte der hochtalentierte Thiem – mit 18 gerade volljährig – seinen ersten Sieg auf der ATP-Tour. Später sollten sich die Wege der nationalen Tennis-Helden wieder kreuzen, Musters Trainerengagement bei Thiem war aber von nur dreiwöchiger Dauer (Jänner 2020) und von Meinungsverschiedenheiten geprägt.
Das ist abgehakt. Heute traut der neutrale Beobachter Muster – er hat 44 ATP-Titel gewonnen, aber in Wien „nur“ dreimal das Finale erreicht – seinem ehemaligen Schützling die Rückkehr in die Weltspitze zu. Dafür braucht es Zeit und Geduld, denn die schwere Handgelenksblessur am 22. Juni 2021 hat Thiem weit zurückgeworfen. „Es war abzusehen, dass der Weg steinig wird. Eine Tennisregel besagt: Um ganz zurückzukommen, brauchst du die Zeit, in der du verletzt warst, mal drei“, rechnete Muster in einem TV-Interview vor. Thiem war fünf Monate außer Gefecht, dazu kamen Rückschläge bei den Comeback-Bemühungen.
„Thiem hat zumindest das Potenzial, wieder in die Top 15 der Welt zu kommen. Er hat eine bessere Beweglichkeit, eine bessere Position auf dem Platz. Nur die Vorhand ist noch nicht ganz das, was es sein soll“, analysierte Muster. Hoffnungsvoller Nachsatz: „Aber auch das wird kommen.“
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