Der Fingerzeig des EM-Debütanten
MINSK. Europaspiele in Minsk: Österreichs Judoka liegen nach zwei von drei Bewerbstagen hinter ihren EM-Erwartungen zurück – nur der Welser Shamil Borchashvili überraschte positiv.
Nach zwei von drei EM-Tagen ist die Stimmung im heimischen Judo-Lager bei den Europaspielen in Minsk etwas gedrückt. Insbesondere in den gestrigen Gewichtsklassen "muss der Anspruch sein, eine Medaille zu erkämpfen", erklärte ÖJV-Sportdirektor Markus Moser. Unterm Strich stand ein siebenter Platz von Michaela Polleres als bestes Ergebnis. Doch auch von der Niederösterreicherin, die im Vorjahr noch EM-Dritte geworden war, hatte Moser schon bessere Leistungen gesehen.
Genau andersherum lag die Sache bei Shamil Borchashvili. Der Welser war als Debütant mit keinerlei Erwartungsdruck in das Turnier gegangen. Mit zwei Siegen schaffte der 24-Jährige den Einzug in das Achtelfinale der Klasse bis 81 Kilogramm, in dem er erst vom späteren Finalisten Ivaylo Ivanov (Bul) gestoppt wurde. "Shamil hat überrascht", lobte Moser. "Er steigert sich mit der Aufgabe und ist auf einem guten Weg." Dass Borchashvili in Minsk seine EM-Premiere feiern würde, war vor rund einem Jahr praktisch noch unvorstellbar gewesen. Damals konnte er das lange Prozedere für den Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft endlich abschließen. Im Herbst konnte er auf Anhieb auf der World Tour punkten.
Als Kind war Borchashvili mit seiner Familie aus Tschetschenien geflohen. Bei Multikraft Wels begannen er und seine Brüder Kimran und Wachid vor rund zehn Jahren mit Judo. "Gleich nach dem allerersten Training haben sie bei den Fortgeschrittenen mitgemacht, weil ihnen ein Training pro Woche zu wenig war", erinnerte sich Trainer Willi Reizelsdorfer. Die Leidenschaft der drei Brüder, die heute allesamt österreichische Spitze sind, sucht ihresgleichen. Ein Abwerbungsversuch eines anderen Klubs schlug fehl. "Unsere Rennerei für die Staatsbürgerschaft ist halt nicht mit Geld aufzuwiegen", sagte Reizelsdorfer.
Das Vorbild im eigenen Klub
Wie von Wels aus der Sprung in die Weltspitze möglich ist, wurde den Borchashvilis von Sabrina Filzmoser vorexerziert. Für die 39-Jährige, die am Samstag im EM-Achtelfinale ausschied, war es etwas ganz Besonderes, Shamil bei der Eröffnungsfeier der Europaspiele zu sehen. "Ich glaube, er war so stolz wie noch nie in seinem Leben", sagte die zweifache Europameisterin. "Leider durfte er ,nur‘ eine kleine Fahne tragen, aber ich bin mir sicher, dass er irgendwann auch die große trägt."
Heute haben die ÖJV-Judoka in den schweren Gewichtsklassen noch die Chance auf Edelmetall. Unter anderem greift über 100 Kilogramm der Mühlviertler Daniel Allerstorfer an. (pue)
Erste Medaille in Minsk
Der Steirer Daniel Auer holte mit Bronze im Rad-Straßenrennen Österreichs erste Medaille bei den Europaspielen in Minsk. Der 24-Jährige musste sich nur dem Italiener Davide Ballerini und dem Esten Alo Jakin geschlagen geben.