Das ÖHB-Team und sein Qualitätsproblem
HERNING. Handball-Nationalteam zeigt nur phasenweise WM-Reife. Heute steigt das Entscheidungsspiel gegen Tunesien.
"Dreimal in Folge zu verlieren, bin ich nicht gewohnt", sagt Nikola Bilyk am Tag nach dem 17:28 Österreichs bei der Handball-WM gegen Co-Gastgeber Dänemark. Kein Wunder, hat der Rückraumspieler doch mit seinem Klub THW Kiel in der laufenden Bundesliga-Saison gerade einmal zwei der bisherigen 19 Partien verloren.
Das beim deutschen Rekordmeister (20 Titel) gelebte Erfolgsdenken hat der 22-Jährige, der seit 2016 bei den sogenannten "Zebras" spielt, längst verinnerlicht. Auch wenn Österreichs Chancen vor dem heutigen letzten Vorrundenspiel gegen Tunesien (17.30 Uhr live in ORF Sport Plus) drohen, ins Wunschdenken abzudriften, gelobt der 22-Jährige artig, sich bis zur letzten Sekunde aufzuopfern. Über den Afrikameister bräuchte es einen Sieg mit beinah unrealistischen elf Toren Unterschied, um doch noch in die Hauptrunde einzuziehen. Einzig: Sollte sich Chile gegen Underdog Saudi-Arabien einen Ausrutscher leisten, reicht Österreich bereits ein gewöhnlicher Sieg, was für sich schon schwer genug ist.
Das rot-weiß-rote Hauptleiden
Mut macht die Erkenntnis, dass man die Großen zumindest phasenweise ärgern kann. Gegen den dänischen Olympiasieger lag die Truppe von Teamchef Patrekur Jóhannesson nach 19 Minuten gar mit 7:3 in Führung. Phasenweise gut zu spielen, um dann einzubrechen, gilt als das Hauptleiden des ÖHB-Teams – und ist beileibe keine Erfindung dieser WM-Endrunde.
Eine Problematik, mit der man jedoch nicht alleine sei. "Teams wie Dänemark oder Norwegen haben genauso ihre Schwächephasen", sagte Bilyk. "Nur dauern diese bei Top-Mannschaften halt nur einige Minuten." Mehr Ausdauer und Konzentration fordert er deshalb von sich und seinen Nebenleuten. Auch wenn die drei WM-Niederlagen deutlich ausfielen, sind es für Bilyk nur "Kleinigkeiten, die fehlen". Oft sei es lediglich die Erfahrung, mit drei Spielen pro Woche zurechtzukommen. "Ich bin mir sicher, wenn wir drei, vier Legionäre mehr in der deutschen Bundesliga hätten, würde es anders ausschauen." Derzeit sind es deren gerade einmal drei, wobei mit Alex Hermann ein vierter für die WM verletzt ausfiel. Der Rest der ÖHB-Legionäre verdient in weniger konkurrenzfähigen Ligen sein Geld, gleich fünf Kaderspieler tun dies etwa in der Schweiz. Sechs spielen in der heimischen HLA. Besonders bedauerlich, dass die laufende Champions-League-Saison ganz ohne ÖHB-Beteiligung auskommt. Auch weil CL-Stammgast Kiel diesmal "nur" im EHF Cup spielt.
In Punkto Konstanz bei der WM nimmt sich Bilyk übrigens keineswegs aus: "Von mir muss mehr kommen." Gestern stieß Torhüter Thomas Bauer nach der Geburt seines Sohnes zum Team. (pue)