Staatsaufträge gegen Wahlkampfhilfe: Heimliche Videos belasten Strache

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FP) soll vor der letzten Nationalratswahl einer vermeintlichen Investorin aus Russland öffentliche Aufträge versprochen haben, wenn sie der FPÖ zum Wahlerfolg verhelfe. Das berichten der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung". Ihnen wurde ein heimlich aufgenommenes Beweisvideo zugeschickt.
Den Berichten zufolge war die Russin ein Lockvogel, das Gespräch wurde heimlich mitgefilmt. In den am Freitag veröffentlichten Videos berichtet Strache davon, dass "ein paar sehr Vermögende" im Wahlkampf zwischen 500.000 und zwei Millionen Euro über einen gemeinnützigen Verein an die FPÖ bezahlen würden. An den Rechnungshof gemeldet werde das Geld nicht.
Weiters soll Strache der vermeintlichen Nichte eines russischen Olligarchen für den Fall einer Regierungsbeteiligung Staatsaufträge angeboten haben. Konkret habe er ihr Aufträge im Straßenbau in Aussicht gestellt, wenn sie der FPÖ zum Wahlerfolg verhelfe.
Die Frau sagt in dem Video, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen. Sie soll mehrmals angedeutet haben, dass es sich um Schwarzgeld handeln könnte. Strache und Gudenus diskutierten trotzdem stundenlang weiter über Anlagemöglichkeiten in Österreich, berichten der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung".
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"Strabag kriegt keine Aufträge mehr"
Einen Plan, wie die Frau an öffentliche Aufträge in Österreich kommen könnte, äußerte er in dem Video: "Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann." Weiter sagte er: "Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr!" Gemeint ist Hans Peter Haselsteiner, der langjährige Vorstandsvorsitzende und Miteigentümer des Baukonzerns Strabag.
Ein Szenario, das die Runde auslotete, war die damals vermeintlich angedachte Übernahme der "Kronen Zeitung" durch die Frau. "Wenn sie die Kronen Zeitung übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden", sagte Strache der Frau laut den Videoaufnahmen.
Würde die "Krone" nach einem Einstieg die FPÖ dann zwei, drei Wochen vor der Wahl pushen, "dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34" Prozent, sagt Strache in den veröffentlichten Videoausschnitten. Bei der Zeitung gebe es "drei, vier Leute, die müssen gepusht werden, drei vier Leute, die müssen abserviert werden", und dann hole man "gleich fünf neue rein, die wir aufbauen".
Strache und Gudenus konfrontiert
Strache teilte dem "Spiegel" mit, es sei ein "rein privates" Treffen in "lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre" gewesen. "Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen", wird der Vizekanzler zitiert. Das würde auch für "allenfalls in Aussicht gestellte Parteispenden bzw. Spenden an gemeinnützige Vereine im Sinne der jeweiligen Vereinsstatuten" gelten, heißt es weiter.
Strache ergänzte gegenüber dem "Spiegel", er oder die FPÖ hätten "niemals irgendwelche Vorteile" von diesen Personen erhalten oder gewährt. Fast wortgleich dürfte sich Johann Gudenus geäußert haben.
FPÖ sieht "schmutzige Silberstein-Methoden"
Zu dem aufgetauchten Video sagt FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker: "Derzeit prüfen unsere Rechtsanwälte das uns zugängliche Material. Da das Video ganz offensichtlich illegal aufgenommen wurde, bereiten wir auch entsprechende Rechtsschritte vor", so Hafenecker.
Er stellte die Frage, wer durch die Veröffentlichung eine Woche vor der Wahl Nutzen ziehe. Das erinnere verdächtig "an die sattsam bekannten schmutzigen Silberstein-Methoden aus dem Nationalratswahlkampf 2017 mit dem Versuch eines politischen Auftrags-Attentats".
Wie Hafenecker betonte, hätten sowohl Strache als auch die FPÖ niemals irgendwelche Vorteile von diesen Personen erhalten oder selbigen gewährt.
Böhmermann wusste von Videos
Wer steckt hinter den Videos, die kurz vor der EU-Wahl veröffentlicht wurden? Bisher weiß man: Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann kennt das Video offenbar schon seit Wochen. Bei der "Romy"-Verleihung Mitte April meldete sich der Preisträger per Video zu Wort und sagte, er hänge "gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Olligarchenvilla auf Ibiza" herum und verhandle über die Übernahme der "Kronen Zeitung".
Laut "SZ" war die Existenz des Videos zu dem Zeitpunkt offenbar "schon einer Reihe von Personen bekannt, die davon nicht von der SZ erfahren haben. Dazu gehört nach SZ-Informationen auch Jan Böhmermann."
Die Opposition forderte umgehende Konsequenzen - von Straches Rücktritt bis zu Neuwahlen. Alle Reaktionen zur "Ibiza-Affäre" lesen Sie in diesem Artikel.
Der kürzlich aus der Haft entlassene Rechtsextreme Gottfried Küssel drohte Strache mit Enthüllungen. Mehr dazu lesen Sie hier.
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