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Russland-Experte: "Eklatantes Versagen der russischen Militärführung"

Von nachrichten.at/apa, 14. September 2022, 09:06 Uhr
Bild: Screenshot ORF

KIEW/MOSKAU. Die Ukraine hat nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als 4.000 Quadratkilometer des von den russischen Streitkräften zurückeroberten Territoriums vollständig unter Kontrolle. Russland-Experte Gerhard Mangott sprach am Dienstagabend in der ORF-ZiB 2 von einem eklatanten Versagen der gesamten russischen Militärführung.

Das Land sei auch dabei, seine Kontrolle über weitere 4.000 Quadratkilometer zu stabilisieren, sagt Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Am Montag hatte er erklärt, die Ukraine habe bei ihrer jüngsten Gegenoffensive 6.000 Quadratkilometer zurückerobert.

Ukrainische Beamte weisen jedoch darauf hin, dass es wichtig ist, zwischen der Einnahme von Territorium und der Gewährleistung der völligen Sicherheit dieses Territoriums zu unterscheiden. 4.000 Quadratkilometer entspricht der Fläche von knapp 750.000 Fußballfeldern.

Gedämpfte Euphorie

Bereits zuvor hatte die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland weitere Geländegewinne im Nordosten des Landes gemeldet. Demnach zogen sich russische Truppen nach ihrer Niederlage in der Region bei Charkiw am Dienstag aus ersten Orten im Nachbargebiet Luhansk zurück. Die USA dämpften nach dem ukrainischen Vormarsch jedoch die Euphorie: Die Fortschritte seien bedeutsam, doch sei es zu früh, die weitere Entwicklung zu beurteilen, sagte US-Außenminister Antony Blinken in Mexiko.

Der Kommunikationsdirektor des US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby sprach von einem Momentum der ukrainischen Streitkräfte. US-Präsident Joe Biden entgegnete am Dienstagabend (Ortszeit) auf die Frage von Reportern, ob ein Wendepunkt in dem Krieg erreicht sei, dies sei schwer zu sagen. "Es ist klar, dass die Ukrainer bedeutende Fortschritte gemacht haben. Aber ich denke, es wird noch ein langer Weg sein", betonte Biden nach Angaben mitreisender Journalisten bei einem Besuch in Wilmington im Bundesstaat Delaware.

Russlands strategische Probleme

Der Russland-Experte Gerhard Mangott sprach am Dienstagabend in der ORF-ZiB 2 von einem eklatanten Versagen der gesamten russischen Militärführung. Sie habe große strategische Fehler gemacht. Versuche, nach großen personellen Verlusten Freiwillige oder gar Gefängnisinsassen für die Armee zu rekrutieren, habe die Streitkräfte nicht gestärkt.

Mangel an Verpflegung oder gar Wasser untergrabe zudem die Moral einer Truppe, die nicht wisse, warum sie in der Ukraine "gegen ein Brudervolk" kämpfen müsse. Eine Generalmobilmachung in Russland könne die Stimmung im Land aber zum Kippen bringen, so Mangott, wenn plötzlich "die Söhne und Enkel" an die Front beordert würden. Einen möglichen Einsatz von Nuklearwaffen beschrieb Mangott als möglich, wenn auch riskant, da er Putin diskreditieren würde. Der Bruch des nuklearen Tabus seit 1945 würde Russland nicht nur gegenüber dem Westen politisch und diplomatisch isolieren, sondern auch gegenüber dem Großteil der restlichen Welt. Selbst das verbündete China würde so einen Schritt kritisch sehen, meinte der Experte sinngemäß.

"Keine Mobilmachung geplant"

Die russische Führung um Präsident Wladimir Putin zeigte sich trotz der Rückschläge unaufgeregt. Es sei keine Generalmobilmachung geplant, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut Agentur Interfax. Doch werden in Moskau Rufe nach Konsequenzen lauter. Zugleich gibt es Hinweise auf vermehrte Kritik an Putin. Dutzende Lokalpolitiker in Russland forderten seinen Rücktritt. Es kämen neue Unterstützer hinzu, twitterte die Abgeordnete eines St. Petersburger Bezirksrats, Xenia Torstrem. Die direkten Auswirkungen solcher Protestaktionen dürften aber gering sein. Seit dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar geht Russlands Justiz besonders hart gegen Oppositionelle und Andersdenkende vor.

Vereinzelt Rückkehr zur Normalität

In den zurückeroberten Gebieten versucht die Ukraine nach Worten von Präsident Selenskyj, das Leben rasch wieder zu normalisieren. "Es ist sehr wichtig, dass mit unseren Truppen, mit unserer Flagge auch das normale Leben in die nicht mehr besetzten Gebiete zurückkehrt", sagte Selenskyj am Dienstagabend in seiner Videoansprache.

Als Beispiel sagte er, dass in der befreiten Stadt Balaklija im Gebiet Charkiw erstmals wieder Pensionen ausgezahlt worden seien - und zwar für fünf Monate. "In der Zeit der Besetzung konnten wir keine Zahlungen leisten."

Zu den anderen Aufgaben in dem Gebiet zählte Selenskyj die Suche nach versprengten russischen Soldaten und Sabotagegruppen sowie die Festnahme von Kollaborateuren. Die Sicherheit in den befreiten Landesteilen müsse hergestellt werden.

Gefangene mit Stromschlägen gefoltert?

Nach der Rückeroberung von Gebieten in der Ostukraine stoßen die ukrainischen Behörden indes dort nach eigenen Angaben auf Hinweise für mutmaßliche Verbrechen der russischen Besatzungsmacht. So berichtete der ranghohe ukrainische Polizist Serhij Bolwinow aus der Stadt Balaklija, dass die Invasoren im örtlichen Polizeirevier ein Foltergefängnis unterhalten hätten. Im Keller seien während der mehrere Monate dauernden Besatzung immer etwa 40 Menschen eingesperrt gewesen.

"Die Besatzer nahmen diejenigen mit, die beim Militär dienten oder dort Verwandte hatten, und suchten auch nach denen, die der Armee halfen", schrieb der Leiter der Ermittlungsabteilung bei der Polizei Charkiw am Dienstag auf Facebook. Nach Zeugenaussagen seien Gefangene mit Stromschlägen gefoltert worden.

Aus anderen Orten der Region gibt es noch nicht verifizierte Berichte über den Fund von Ermordeten. Nach dem Abzug russischer Truppen aus der Umgebung von Kiew im Frühjahr waren dort Hunderte tote Zivilisten entdeckt worden. Moskau stritt trotz erdrückender Beweise ab, dass die Tötungen auf das Konto russischer Soldaten gingen, und sprach von einer ukrainischen Inszenierung.

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