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Küsschen für Freund und Feind - Ein großer Europäer tritt ab

Von nachrichten.at/apa, 27. November 2019, 20:54 Uhr
Jean-Claude Juncker  Bild: (REUTERS)

BRÜSSEL. Jean-Claude Juncker tritt nach fünf Jahren als EU-Kommissionspräsident ab.

Er hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Griechenland in der Eurokrise gerettet wurde. Den Brexit werde er aber "immer bedauern", sagte der Luxemburger bei seiner Abschiedsrede im Europaparlament Ende Oktober. In Erinnerung bleiben werden sein Humor und seine unkonventionelle Sprache gegenüber den Mächtigen der Welt.

So begrüßte er den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban beim EU-Gipfel 2015 schon einmal mit "Hallo, Diktator" und tätschelte ihm die Wange. Dem damaligen belgischen Premier Charles Michel gab er einen Kuss auf die Glatze, ebenso wie seinem Kommissions-Vize Frans Timmermans. Legendär ist auch sein Klaps auf den Hinterkopf des damaligen Bundeskanzlers Werner Faymann (SPÖ), als dieser vor laufenden Kameras Rede und Antwort stand.

Verstand es, Kritik zu verpacken

Küsse und liebevolle Watschen verteilte er generell gerne. Seine Meinung hielt Juncker dennoch nie zurück, und Kritik an seinem Gegenüber verpackte er stets so geschickt, dass jeder wusste worum es geht, ihm aber niemand böse sein konnte. Als der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) während der österreichischen Ratspräsidentschaft in Brüssel weilte und auf seiner auf Abschreckung basierenden Flüchtlingspolitik beharrte, sagte Juncker, der sich darüber stets geärgert hatte, zu Kurz: "Du weißt, dass ich ein großer Anhänger des Wiener Schnitzels bin. Ich frage in der Mongolei und in Afrika immer nach Wiener Schnitzel. Aber auf den Teller des Hauses EU gehört nicht nur Wiener Schnitzel. Okay, vielen Dank."

Stahlarbeiter-Kind

Aufgewachsen ist Juncker im Süden Luxemburgs. Sein Vater war Stahlarbeiter und christlicher Gewerkschafter. Das dürfte ihn geprägt haben, so sagte er einmal: "In der christlichen Soziallehre heißt es, Eigentum verpflichtet. Also verpflichten wir das Eigentum." Die Mittelschule absolvierte der am 9. Dezember 1954 Geborene im grenznahen belgischen Arlon, ehe er zum Studium der Rechtswissenschaften ins französische Straßburg ging. Nach dem Studium legte er in Luxemburg die Rechtsanwaltsprüfung ab. Als Anwalt arbeitete er allerdings nie, sondern stets als Berufspolitiker.

Luxemburgs Politik prägte er nicht nur 18 Jahre als Premier, sondern auch 20 Jahre als Finanzminister. Von 2005 bis 2013 stand er zudem an der Spitze der Gruppe der Euroländer, in der sich die Finanzminister der Währungsunion treffen und die Weichen für die europäische Politik etwa in Steuerfragen stellen. Nach einer Geheimdienstaffäre und Neuwahlen verlor Juncker 2013 die Regierungsmehrheit im Großherzogtum, womit der Weg frei war für eine Kandidatur als EVP-Spitzenkandidat bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2014.

Gehprobleme nach schwerem Unfall

Junckers Karriere hätte aber zweifelsohne schon viel früher enden können. Nach einem schweren Verkehrsunfall im Herbst 1989 lag er zwei Wochen in kritischem Zustand im Koma. Danach musste er das Gehen erneut lernen und seit dem Unfall leidet er eigenen Angaben zufolge an einem beschädigten Ischiasnerv und Gehproblemen. Das hinderte die britische Boulevardpresse und die extreme Rechte in Europa, angeführt von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, nicht daran, seine manchmal etwas unorthodoxen Umgangsformen scharf zu kritisieren und ihm zumindest indirekt einen Hang zum Alkohol vorzuwerfen.

Als erster hatte Junckers Nachfolger als Eurogruppen-Chef, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, 2014 diese Vorwürfe erhoben. In einer Fernsehsendung meinte Dijsselbloem, mit dem Abgang des "verstockten Rauchers und Trinkers" Juncker aus der Eurogruppe sei die Stimmung "calvinistischer" geworden. Doch habe er nie erlebt, dass ein Mitglied der Eurogruppe "funktionsunfähig" gewesen sei, sah sich der Niederländer noch in der gleichen Sendung genötigt zu betonen. Juncker dementierte damals schon heftig, und Dijsselbloem konnte sich nach dieser Aussage auch den Posten als EU-Währungskommissar, auf den er geschielt hatte, in die Haare schmieren.

Beim NATO-Gipfel 2018 sah die ganze Welt seine aufgrund eines Ischiasleidens ausgelösten Gehprobleme. FPÖ und AfD nutzten das aus und erneuerten die Alkoholvorwürfe. Juncker stellte klar, dass er nicht betrunken gewesen sei, sondern wegen Schmerzen taumelte. "Man kann nicht Trump in die Knie zwingen, wenn man betrunken ins Weiße Haus geht", stellte Juncker in einem Interview vor Kurzem klar. Schließlich hatte er dem abstinenten US-Präsidenten im vergangenen Jahr den vorläufigen Verzicht auf Zölle auf EU-Autoimporte abgerungen.

Junckers Wirken unbetritten

Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wird sicher einen anderen Stil pflegen als Juncker. Dessen Humor wird aber sicher fehlen, sein Wirken für Europa bleibt unbestritten. In einer Rede anlässlich der Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU im Jahr 2012 fand er wie so oft die passenden Worte, im Nachhinein betrachtet, wohl auch die Motivation für sein politisches Lebenswerk: "Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen!"

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19  Kommentare
19  Kommentare
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Schuno (6.609 Kommentare)
am 28.11.2019 12:31

Kann er altersmässig in Pension gehen oder geht er wegen seines Ischiasleidens in die I-Pension?

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fanfarikuss (14.172 Kommentare)
am 28.11.2019 07:55

Baba und stolper' net! Auf - hoffentlich - Nimmerwiedersehen!
Und bitte keine mediale Bühne mehr bieten wie dem Heinz.

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metschertom (8.070 Kommentare)
am 28.11.2019 05:35

Uns kann es egal sein was er macht, brauchen tut ihn keiner! Genauso wie seine Nachfolgerin! Braucht Europa wirklich so "großartige Politiker"? Wo man hin sieht - Fehlentwicklungen, nicht funktionierende Bereiche usw. Und von einem vereinten Europa sind wir weiter weg als je zuvor!

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boris (1.939 Kommentare)
am 28.11.2019 09:08

@METSCHERTOM:
Da Du offensichtlich in Europa nur Fehlentwicklungen ortest, wäre wohl Deine Flucht nach Syrien, Hongkong oder gleich China, Venezuela, Iran oder ähnlichen Weltgegenden in Südamerika, Asien oder Afrika mit dortigem Ansuchen um Asyl wegen Deiner politischen Verfolgung durch die EU der einzig richtige Schritt, um Deine Lebenssituation erträglicher zu gestalten.

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( Kommentare)
am 28.11.2019 12:53

"Und von einem vereinten Europa sind wir weiter weg als je zuvor!"
Ja und Nein.
Nein: beim Brexit standen alle 27 zusammen. keiner scherte aus. alle hielten disziplin = sie hielten sich an die vereinbarungen.
Ja: einige staaten verneinen unsere Europäischen christlich-aufgeklärten werte. in anderen haben geistig verwandte parteien starken zulauf. ich muss sie wohl nicht aufzählen?

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Selten (13.716 Kommentare)
am 28.11.2019 05:30

Diese Lobhudelei der APA hätten die OÖN nicht unbedingt devot 1:1 übernehmen müssen.

Dass dieser Herr ein humorvoll-joviales Original ist, womit man ja Positives verbindet, wird kaum ein Leser schlucken.

Dazu konnten wir alle JCJ zu lange beobachten.

Die Formulierung

"Nach einer Geheimdienstaffäre und Neuwahlen verlor Juncker 2013 die Regierungsmehrheit im Großherzogtum, womit der Weg frei war für eine Kandidatur als EVP-Spitzenkandidat bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2014"

allerdings ist ein elegant formulierter Befund darüber, was die D€U eigentlich ist:

ein Pool für privilegierte Selbstvermarkter, die an der äußersten Grenze ihrer Inkompetenz angekommen sind und eine neue Spielwiese bekommen.

So gesehen ist VdL eine würdige Nachfolgerin.

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( Kommentare)
am 28.11.2019 12:55

"ein Pool für privilegierte Selbstvermarkter, die an der äußersten Grenze ihrer Inkompetenz angekommen sind und eine neue Spielwiese bekommen." soviele flaschen gibt's doch auch wieder nicht in der FPÖ.

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salbeitee (3.135 Kommentare)
am 27.11.2019 23:21

Juncker ist ein großer Antieuropäer. Er arbeitete nach Kräften darauf hin, die Präsenz der europäischen Paradigmen wie Liberté, Egalité und Secularité zu verringern, die Machtbestrebungen in Richtung Kalifat und religionsgewichteter Ungleichwertigkeit hingegen zu mehren.
Das krasse Gegenteil von dem wahrhaft großen Europäer Hellmut Kohl, der schon vor vier Jahrzehnten ein Rückführungsprogramm der schon damals sprießenden türkischen Parallelbevölkerung anstrebte. Seine sich Christdemokraten nennenden Parteifreunde(Feinde) wussten es zu verhindern.

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Selten (13.716 Kommentare)
am 28.11.2019 05:31

Die Kohl-Geschichte kenne ich nicht.

Bitte mehr und genauer.

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salbeitee (3.135 Kommentare)
am 28.11.2019 10:26

Jawohl, das mit dem Kohl kennt fast keiner.
Es wird zur Unhistorie erklärt, denn die Lefties kriegen davon Zirbeldrüsenkoliken.
Wie ich das letzte Mal in Wikipedia den Kohl-Biographie-Artikel nachgeschlagen hab, stand es noch dort -- kann sein, dass es auch dort schon geschwärzt wurde.

Jedenfalls ist es eine nach Mernschenermessen feststehende Tatsache, dass Kohl in einem nicht als vertraulich behandelten Gespräch mit der britischen Premierministerin Thatcher in den Achtzigerjahen dieses von ihm geplante Projekt erörtert hat.

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( Kommentare)
am 28.11.2019 11:02

Kohl war tatsächlich ein grosser Europäer. aber erst in den 1990er jahren. nachdem er die chance seines lebens genutzt hatte. davor war er peinlich und kleingeistig. mehltau lag über der BRD.
Die geschichte mit der rückführung der türkischen gastarbeiter kenne ich nicht. aber Helmut Schmidt hatte ähnliche ansichten. nur geht die zahnpasta nicht mehr in die tube zurück. und geschichte kann man nicht zurückdrehen. darum haben Kohl und Schmidt über vergossene milch räsoniert. ganz so schlecht ist D mit seinen türkischstämmigen bürgern auch nicht gefahren. es gibt da tolle schauspieler, journalisten, wissenschafter - jeweils beiderlei geschlechts.

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Lamborghini44 (1.972 Kommentare)
am 27.11.2019 22:31

Angeblich haben bereits einige Wirte rundum Brüssel Zukunftsängste, wie gesagt angeblich.😉

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Selten (13.716 Kommentare)
am 28.11.2019 05:32

Vermute auch, dass die eher Existenzängste haben werden als die Orthopäden. Bei den Neurologen bin ich mir nicht sicher.

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( Kommentare)
am 27.11.2019 22:03

Gott sei Dank ist er bald weg. Baba und foi Ned. Naja Wenn er was getrunken hat, koennte es sein, daß er das ueber Gewicht bekommt.

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alpe (3.482 Kommentare)
am 27.11.2019 22:26

Nala, lern deutsch!

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salbeitee (3.135 Kommentare)
am 27.11.2019 23:27

alp >>>> die erste Sprachlektion für nala sollte sein, dass man Deutsch oder Englisch ooder Aramäisch usw groß schreibt, wenn es nicht adjektivisch, sondern als Substantivum gebraucht wird.
ok?
Hoppla ... das hast ja du getextet.
Tschuldige bitte, vergiss es.

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GunterKoeberl-Marthyn (17.968 Kommentare)
am 27.11.2019 21:11

Danke sehr geehrter Herr EU Präsident Jean-Claude Juncker für so viel Zuversicht und die kleinen Späße, die immer geholfen habe, die Probleme direkt anzugehen und dem Volk die Sorgen zu nehmen, um am jeweiligen Arbeitsplatz seine Leistung ungestört bringen zu können! Ich hätte auch gerne einmal eine kleinen Klatsch auf den Kopf bekommen, damit meine Lebensgeister neuen Schwung bekommen, oder meine Haare wieder wachsen würden und entschuldige mich für manche unserer österreichischen Politiker, die eigentlich nicht im EU Parlament sitzen sollten, oder ihre Liebenswürdigkeit nicht erkannten! Merci Monsieur Jean-Claude Junker und Gesundheit! Respekt und Hochachtung! Chapeau!

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salbeitee (3.135 Kommentare)
am 27.11.2019 23:34

martyn ---- ich glaub, wenn du deine Abendtabletten nimmst, brauchst du infolge deiner hypertrophen Speichelproduktion kein Glaserl Wasser.
Aber hin und wieder füll dir schon einen Liter ein, denn durch die Haut verdunstet ja auch was. Sogar der Wein hat einen hohen Wassergehalt.

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Selten (13.716 Kommentare)
am 28.11.2019 05:43

Was GKM schreibt, gereicht zu einem Suchrätsel.

Wo beginnt ein Gedanke und wo der nächste?

Und wo beginnt und endet jeweils ein Satz?

Wie sind Gedanken miteinander verknüpt?

Wie die Sätze?

Gibt es überhaupt eine Verbindung zwischen diesen Elementen?

Oder ist das alles das gesamte GKM-Universum in einem?

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