Netflix muss Programm europäischer machen
Die EU verordnet Videoplattformen eine 30-Prozent-Quote. „Das ist sehr gescheit“, sagt ein Experte.
Wer auf Netflix, Amazon Prime oder einer anderen Videoplattform nach Filmen sucht, sollte bald bei rund jedem dritten Angebot auf eine Produktion aus Europa stoßen. Das jedenfalls besagt die „30-Prozent-Quote“, die das EU-Parlament am Dienstag als Teil der neuen Richtlinie für TV und Videos beschlossen hat. „Die neuen Regeln sind eine großartige Nachricht für den europäischen Filmsektor und die kulturelle Vielfalt Europas“, meinte die deutsche Abgeordnete Sabine Verheyen (CDU), die den entsprechenden Bericht verfasst hatte. „Das ist sehr gescheit“, pflichtet ihr der Salzburger Kommunikationswissenschafter Josef Trappel bei.
In den letzten Jahren hat sich der TV-Markt dramatisch verändert. Filme, Dokus, TV-Serien und Shows werden nicht mehr nur von den herkömmlichen TV-Sendern produziert und ausgestrahlt. Die Zuseher holen sich ihre Lieblingsprogramme zunehmend über Videoplattformen – und schauen sie sich auch am Tablet oder Smartphone an. Während aber für TV-Sender eine Vielzahl von gesetzlichen und inhaltlichen Vorgaben gilt, war das Angebot im Internet wesentlich weniger reglementiert – auch was etwa den Jugend- und Verbraucherschutz betrifft. EU-Kommission, EU-Rat und als letzter Schritt nun das Parlament verringern dieses Ungleichgewicht, indem sie die Richtlinie für audiovisuelle Medien novellieren.
Josef Trappel erklärt die Vorgeschichte: 1989 wurde demnach den europäischen Fernsehanstalten vor allem auf Betreiben Frankreichs vorgeschrieben, dass die Hälfte ihres Programmes europäisch sein muss. Vor allem die Privatsender hätten wegen der Vorgabe anfangs gestöhnt, erinnert Trappel an die Anfänge. Schon nach wenigen Jahren aber hätten die Sender die Quote sogar übererfüllt. „Es hat sich herausgestellt, dass die Leute die europäischen Produktionen lieben.“ Mehr europäische Filme, Serien und Show-Formate seien entstanden, Dänemark habe etwa seine Version des „Cinema noir“ entdeckt, der spanische Regisseur Pedro Almodóvar seine internationale Karriere gestartet. Kurz: „Die Richtlinie hat dem europäischen Kino enormen Aufschwung gegeben“, sagt Trappel. Auf denselben Effekt hofft man diesmal. Zumal, wie EU-Mandatarin Verheyen betont, die EU-Staaten die Videoplattformen an der Finanzierung ihrer nationalen Filmfördersysteme beteiligen können.
Auf die Frage, ob sich Netflix & Co. an die Vorgaben halten werden, meint Trappel: „Netflix will in Europa im Geschäft bleiben, also wird es die Quote wohl erfüllen.“ Bis es so weit ist, vergeht aber noch einige Zeit. Die Richtlinie tritt voraussichtlich 2020 in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben dann 21 Monate Zeit, sie in nationales Recht zu gießen.