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Nylonstrümpfe: Ein Hauch von Nichts

Von Roswitha Fitzinger, 23. Mai 2020, 00:04 Uhr

Auf eine sehr wechselhafte 80-jährige Geschichte blicken die Nylonstrümpfe zurück.

Die Geschichte kennt den D-Day, die Landung der Alliierten 1944 in der Normandie, und dann gibt es da noch den N-Day. Als Nylon-Tag ging der 15. Mai 1940 in die (Mode-)Geschichte ein. An diesem Mittwoch stürmten Zehntausende Frauen amerikanische Kaufhäuser, um endlich ihre Beine in ein Hauch von Nichts zu hüllen. Stundenlang standen sie dafür Schlange. Es war der erste offizielle Verkaufstag von in Massenproduktion angefertigten Nylonstrümpfen. Tumultartige Szenen sollen sich in den ausgewählten Kaufhäusern abgespielt, die Frauen sich für ein Paar Nylonstrümpfe zwischen den Regalen sogar geprügelt haben. Am Ende dieser erfolgreichen Markteinführung waren fünf Millionen Paar innerhalb von vier Tagen über die Ladentische gegangen. Jede Frau wollte sie und sich fühlen wie ein Filmstar. Mit einem stolzen Preis von 250 Dollar pro Paar waren die Nylonstrümpfe bis zu besagtem N-Day lediglich einer gehobenen Klientel vorbehalten.

Polyhexamethylenadipinamid

Tatsächlich war es bis zur Entwicklung der Nylonfaser ein durchaus langer Weg. Nach elf Jahren Forschung, die mehr als 20 Millionen Dollar verschlungen hatte, gelang es 1935 einem gewissen Wallace Hume Carothers im Auftrag des amerikanischen Chemiekonzerns DuPont, das richtige chemische Gemisch zu finden, mit dem sich hauchdünne synthetische Fäden herstellen ließen: aus Polyhexamethylenadipinamid oder kurz Polyamid 6.6. (Nylon) Daraus wurden zunächst Zahnbürsten, Angelleinen und chirurgisches Garn gefertigt, bevor aus der durchsichtigen Faser bestehend aus Kohlenstoff, Wasser und Luft Nylonstrümpfe gefertigt wurden. Die Kunstfaser war feiner als herkömmliche Textilfasern und reißfester. Strümpfe wurden bis dahin aus Materialien wie Seide oder Kunstseide hergestellt, die wesentlich teurer und empfindlicher waren.

Doch Carothers war nicht der Einzige, der an einer Kunstfaser forschte. In Deutschland hatte 1938 der Chemiker Paul Theodor Schlack für die I.G. Farben eine ähnliche Faser erfunden – Perlon. Ein Strumpfkrieg blieb aus, man teilte sich den Absatzmarkt auf. DuPont bediente alle Länder westlich von Deutschland mit Nylons, die I.G. Farben den Markt östlich von Deutschland mit Perlonstrümpfen.

Dies- wie jenseits des Atlantiks wurden die Nylonstrümpfe ein Renner, in den USA im ersten Jahr 54 Millionen Paar verkauft. Die mittels eines Hüfthalters am Bein gehaltenen Strümpfe standen für Glamour, versprühten gleichzeitig Anrüchiges, aber auch damenhaft Seriöses. Doch die Freude der Damenwelt währte nicht lange. Im Zweiten Weltkrieg waren Nylons wie Perlons aus den Kaufhäusern verschwunden. Die Kriegsindustrie verleibte sich die Faser ein, um daraus etwa Fallschirme und Flugzeugreifen herzustellen. Während der Besatzungszeit schließlich erlangten Nylonstrümpfe wie Zigaretten den Status einer Zweitwährung. Ein Paar wurde für bis zu 200 Reichsmark gehandelt, was dem Monatslohn einer Sekretärin entsprach. Für die "zärtlichen Strümpfe", wie sie von einer deutschen Frauenzeitschrift genannt wurden, gab es Laufmaschendienste, die die Luxusartikel wieder reparierten, und wer kein Geld hatte, behalf sich mit Kaffeesatz und Kajalstift für die Strumpfnaht.

Nach Kriegsende kam die Strumpfproduktion in Europa und den USA bald wieder in Schwung. Die Nachfrage war groß wie nie. Bei Macy’s in New York wurden bereits 1945 innerhalb von sechs Stunden 50.000 Paar verkauft; in Pittsburgh standen 40.000 Personen in der Warteschlange für 13.000 Paar Strümpfe.

Das begehrte Beinkleid wurde zum Statussymbol, stand einmal mehr für Weiblichkeit und Sexappeal. Daran hatten auch zahlreiche Leinwandheldinnen einen nicht unerheblichen Anteil. Die Nylonstrümpfe hatten es ins Kino geschafft – als Mordwerkzeug und noch viel häufiger als Blickfang. Stars wie Marlene Dietrich, Sophia Loren, Elizabeth Taylor, Marilyn Monroe machten sie populär, leisteten ihre filmische Beinarbeit in Nylonstrümpfen – oder Nylons, wie sie kurzerhand genannt wurden.

Insbesondere in den 50er Jahren hatten sie sich als Verkörperung fraulicher Begehrlichkeiten einen Kultstatus erobert. Nylonstrümpfe waren nicht bloß ein Textil, das den Blick auf die Beine lenkte. Benimm-Experten von damals betrachteten sie als gesellschaftlichen Gradmesser und Schlüssel für ein besseres Leben. Wer sich einen erfolgreichen Mann angeln wollte, hatte auch seine Beine entsprechend zu kleiden.

Ein Hauch von Nichts
Schauspielerinnen wie Rita Hayworth wussten ihre nylonbestrumpften Beine in Filmen, aber auch zu Werbezwecken in Szene zu setzen. Bild: ap

Der Minirock als Spielverderber

Zunächst bestimmten Nylonstrümpfe mit Naht den Markt, aus technischen Gründen. Maschinen, die sogenannte Rundlinge produzieren konnten, gab es noch nicht. Erst als 1955 Wirkmaschinen auch rund stricken konnten, gewannen nahtlose Strümpfe die Oberhand. Nähte wurden zunehmend als altmodisch angesehen. Auch Strumpfhosen maschinell herzustellen, war damals noch nicht möglich, die Strümpfe wurden deshalb an Strumpfhaltern oder Strumpfbändern getragen. Künstlerinnen nähten die Strümpfe aus praktischen Gründen gerne an ihre Unterhosen und fabrizierten den Vorläufer der Strumpfhosen. Deren Aufstieg begann mit dem Aufstieg des Minirocks ab Mitte der 60er Jahre. Beide führten zum Niedergang der einst so heiß begehrten Strümpfe, die, weil alle Mini trugen, plötzlich zu kurz waren und sich zu einer Randerscheinung im Strumpfsektor entwickelten. Auch das Material hat sich im Lauf der Jahre verändert. Anstelle von 100 Prozent Nylon bestehen die meisten Strümpfe und Strumpfhosen mittlerweile aus einem Polyamid-Elasthan-Gemisch, das sich besser ans Bein schmiegt und keine Fältchen wirft.

Strumpfzauber und ein Skandal

In Österreich brachte der Wäschehersteller Palmers im Juli 1949 erstmals "original amerikanische Nylonstrümpfe garantiert fehlerfrei" um 29,50 Schilling auf den Markt. Davor hatte sich Frau mit einem "Strumpfzauber" beholfen, einem kosmetischen Palmers-Produkt, das den Beinen "in wenigen Minuten ein sonnengebräuntes, jugendliches Aussehen" gab. Aufsehenerregende Werbeaktionen brachten dem Unternehmen damals schon jede Menge Publicity. Als 1953 ein Palmers-Plakat mit zwei bestrumpften Frauenbeinen, die bis zu einem kurzen Unterrock sichtbar waren, veröffentlicht wurde, löste das einen handfesten Skandal samt Moraldebatte aus. Das Innenministerium sah die "Schamhaftigkeit" verletzt und die "sittliche Entwicklung jugendlicher Personen, insbesondere durch Reizung der Lüsternheit" bedroht. Der Unterrock wurde schließlich grün übermalt.

  • No-run: Die Kunstfaser Nylon sollte ursprünglich „No-run“ heißen, was so viel wie keine Laufmaschen bedeutet. Um keine Schadenersatzprozesse zu riskieren, einigte man sich schließlich auf den Kunstnamen Nylon.
  • 29,50 Schilling kostete ein Paar Nylonstrümpfe von Palmers bei der Einführung 1949.
  • Perlon: Der Name des deutschen Nylon-Pendants wurde anfangs werksintern als „Perluan“ bezeichnet, eine Wortschöpfung aus einer chemischen Reaktion und dem Chemiestandort, die später zusammengeschrumpft wurde.
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Autorin
Roswitha Fitzinger
Roswita Fitzinger
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