Neue Offenbarungen, altes Beuteschema
Nach #MeToo verfolgen Stars fairere Images, der Streamingsektor wird dabei zum Boulevard.
Mehr als zehn Millionen Mal wurden die ersten zwei von vier Folgen der Dokureihe "Demi Lovato – Dancing with the Devil" seit Dienstag (23. 3.) kostenlos auf YouTube aufgerufen. Die US-Sängerin ("Sorry Not Sorry") setzt hier neue Maßstäbe im Tell–All-Genre, in dem Stars "die ganze Wahrheit" sagen.
Während Harry und Meghan mit Oprah Winfrey bei ihrem Interview einen Fragen stellenden Gegenpol hatten, erzählt Lovato ohne jeden Filter in 22-minütigen Häppchen über ihre Überdosis 2018, die sie knapp überlebte, und sexuellen Missbrauch durch ihren Dealer.
21 Millionen Mal aufgerufen
Jahrelang habe sie, die Tochter suchtkranker Eltern, trotz Therapien frühere Süchte (Alkohol, Anorexie) nicht überwunden, sondern das gesunde Leben zur Sucht erklärt, bis sie ausbrach. Die 28-Jährige will in ihrer Doku psychische Erkrankungen enttabuisieren.
Was ihr mit dieser Form der Selbstinszenierung (mithilfe ihres Regisseurs) zudem gelingt: Sie kann ihr Image steuern, wie es vor Social Media kaum möglich war. Paris Hilton (40) will das mit "This Is Paris" (115 Min.). Der Film hätte bei Festivals laufen sollen, landete aber wegen Corona auf YouTube, wo er 21 Mio. Aufrufe verzeichnet. Die Erfinderin der Selfies (40) erklärt darin, wie der Druck, einem konservativen US-Clan entsprechend eine Art Ivanka Trump sein zu müssen, in Rebellion endete: Sie stilisiert sich zur Dumpfbacke.
Bis zu den sozialen Veränderungen durch #MeToo habe aber etwas nicht zu "ihrer Marke" gepasst: ihr Leiden. Die Eltern ließen Paris "abholen", um sie in eine Anstalt für Schwererziehbare zu bringen. Sie glaubte, entführt zu werden. Dieser Vorfall und die "Schule", die sie öffentlich als Form von Gefängnis anklagte, bildeten Traumata. Als Opfer gebührt Hilton jeder Glaube. Letztlich sind solche Auftritte aber ein massiver Gewinn an Aufmerksamkeit – für Star und Anbieter. Selbst wenn so menschlichere Bilder gespeist werden, die Sensationsgierigen sind die steten Nutznießer.
Tragödien weiblicher Stars etablieren sich gerade zum Streaming-Trend, der den Wettkampf der Anbieter zeigt. Die in den USA gestartete Doku Framing Britney Spears (Hulu), entstanden ohne Zutun des Popstars (39), schlug große Wellen. Ausgehend von Spears Zusammenbruch beleuchtet man ihr Leben unter der Vormundschaft ihres Vaters. Sofort verkündete Netflix eine eigene Spears-Doku. Dann kam HBO Max: Man plane eine Reihe über Schauspielerin Brittany Murphy ("Girl – Interrupted"). Sie starb 2009 mit 32 Jahren an einer Lungenentzündung. Man drehe, weil es "eine Schande" sei, dass man sich nur wegen ihres Todes an sie erinnere.
Dass dieser bis heute Aufmerksamkeit garantiert, wird verschwiegen. Das wäre ja Leichenfledderei, keine Neubetrachtung.
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