Der lange und aufwendige Weg zum autonomen Fahren
Extreme Rechenleistungen, unzählige Unabwägbarkeiten: Traton mit ersten Tests.
Die Meldungen überschlagen sich geradezu. Das Google-Auto düst autonom durch Kalifornien (und verunfallt), Uber kündigt Taxi-Fahrten ohne Chauffeur an, China arbeitet hart an Lösungen ohne Lenker. "Europa fährt in Sachen autonomes Fahren hinterher", sagt Joakim Gimholt von Traton, dem deutschen Konzern mit Sitz in München, in dem Scania, MAN und Volkswagen Caminho˜es e Oˆnibus vereinigt sind. Nachsatz: "Wir werden sie aber einholen." Der COO der Traton-Software-Abteilung entwickelt Programme, die die ersten Test-Trucks ohne Fahrer von A nach B steuern. "Konzernübergreifend arbeiten 2000 Mitarbeiter an der Digitalisierung unserer Fahrzeuge", sagt Traton-CEO Andreas Renschler. "Das ist ein Drittel unserer Ingenieure."
Versuch in Salzmine
Seit dem Vorjahr pendelt ein Scania-Lkw in einer australischen Salzmine von Rio Tinto – völlig autonom von der Be- zu einer Entladestelle. Der Versuch übertrifft alle Erwartungen, gröbere Probleme seien nicht aufgetreten.
30 Kilometer außerhalb von Stockholm, auf einem Scania-Testgelände, stellte der Nutzfahrzeughersteller Mittwoch im Beisein der OÖN erstmals AXL vor: einen autonom fahrenden Konzept-Lkw. Was auf der riesigen Asphaltfläche unspektakulär aussah, entzückte die Techniker. Sieben Kameras, vier Radar-Sensoren und sieben Lidar-Lasersensoren scannen die Umgebung des Nutzfahrzeuges. Zwei GPS-Empfänger bestimmen die aktuelle Position. 120 TOPS (Trillion Operations Per Second) verarbeiten die Computer in dem Versuchs-Lkw. "Statt der Fahrerkabine brauchen wir den Platz nun für die vielen Rechner", sagt Projektleiter Jihad Daoud. Und für eine mächtige Klimaanlage, damit die Computer nicht überhitzen.
Eingegeben wird der Zielpunkt, den Weg errechnet das Fahrzeug selbstständig. "Es kann sein, dass das System bei zwei identen Zielpunkten zwei unterschiedliche Routen errechnet", sagt Daoud. Unterwegs ist AXL ausschließlich auf gesperrten Geländen.
Mit Jahresende startet ein rein elektrischer Scania-Versuchsbus im Stockholmer Stadtteil Barkaby. Gleichzeitig geht ein MAN-Truck im Hamburger Hafen an den Start. Halbautomatisiert – also mit Fahrer – befährt der Lkw die Autobahn, beim Terminal Altenwerder steigt der Lenker aus und das Nutzfahrzeug wird irgendwo auf dem Hafengelände automatisch entladen und kehrt selbstständig wieder zum Fahrer zurück.
Enormes Interesse
"Unzählige Unternehmen haben uns kontaktiert", sagt Joakim Gimholt. "Alle wollen autonom fahrende Trucks." Was erklärbar ist: Das Bergbauunternehmen Rio Tinto beispielsweise erspart sich in der australischen Salzmine vier Mitarbeiter zu je 60.000 Euro Jahreslohnkosten. Wieviel der autonome Truck kostet? "Ein Versuchsfahrzeug!" lautet die Antwort. Die reellen Kosten könnten (noch) nicht ermittelt werden.
Allzu hoch sollten aber Transportfirmen ihre Erwartungen nicht schrauben. Gimholt erwartet, dass 2024 der Level 4, also "vollautomatisiertes Fahren", erreicht werden wird. Level 5, autonomes Fahren in allen Gegenden der Welt, "wird noch lange ein Traum bleiben".
Wandel der Technik
Eine Milliarde Euro investiert die Traton Group (MAN, Scania und Volkswagen Caminoes e Onibus) in die Digitalisierung ihrer Produkte. Die Hälfte fließt in die Entwicklung des autonomen Fahrens. Ein anderer Teil ist die „elektronische Deichsel“: Lkw werden auf der Autobahn elektronisch miteinander verbunden. Der Vorteil: Der geringere Abstand zwischen den Lkw-Zügen minimiert den Verbrauch und die Fahrer können sich entspannt zurücklehnen. Das Lenken übernimmt der führende Truck-Fahrer. 350.000 Testkilometer legten Traton-Lkw in nur sieben Monaten zwischen Nürnberg und München zurück. „Die Ergebnisse sind mehr als zufriedenstellend“, sagt Traton-CEO Andreas Renschler, der auch die Elektrifizierung der Lkw vorantreiben möchte. In 10 bis 15 Jahren habe jeder dritte Lkw einen alternativen Antrieb, so Renschler.