Vater beteuert im Mordprozess um totes Baby: "Schütteln ist nicht passiert"
WIEN. Am Dienstag hat am Wiener Landesgericht in einem bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal ein nicht alltäglicher Mordprozess begonnen.
Ein 30-Jähriger muss sich vor Geschworenen verantworten, weil er seinem drei Monate alten Sohn mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz schwerste Kopfverletzungen zugefügt haben soll. Laut einem gerichtsmedizinischen Gutachten starb der Bub "eindeutig" an den Folgen eines Schütteltraumas. Der Angeklagte bekannte sich "nicht schuldig".
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"Ein Schütteln ist nie passiert. Weder absichtlich noch unabsichtlich", beteuerte der Angeklagte. Er habe mit den Verletzungen und dem Ableben seines Sohnes nichts zu tun. "Ich hab' eine Erklärung, aber mir wird immer wieder gesagt, dass ich kein Arzt und nur ein kleiner Bürger bin", vermutete der Mann, dass es bei der notärztlichen Behandlung des drei Monate alten Buben in einem Spital zu Behandlungsfehlern gekommen sein könnte. Die Ärzte hätten zwei Mal eine Drainage gemacht, ohne dass er dem zugestimmt hätte, betonte der 30-Jährige.
Die Mutter des Buben hatte am 3. Februar gegen 23.00 Uhr mit ihrem Sohn ein Krankenhaus aufgesucht, wo unverzüglich mit der Behandlung des laut Anklage misshandelten Säuglings begonnen wurde. Für das Baby kam jede ärztliche Hilfe zu spät. Das Kleinkind dürfte schon zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme keine Gehirnfunktionen mehr gehabt haben. Am 6. Februar wurden die lebenserhaltenden Geräte abgeschaltet und der Bub für tot erklärt.
Das Spital alarmierte in weiterer Folge die Polizei, da sich bei dem Baby die typischerweise auf ein so genanntes Schütteltrauma hindeutenden Hirnverletzungen zeigten. Zudem wies das Baby neben den Kopfverletzungen auch ältere Verletzungen - eine gebrochene Rippe und einen gebrochenen Arm - auf.
Die Eltern wurden in weiterer Folge wegen Mordverdachts fest- und in U-Haft genommen. Die Mutter wurde dann allerdings Ende Mai enthaftet, das gegen sie gerichtete Ermittlungsverfahren mittlerweile eingestellt.
"Lassen sie sich nicht einlullen"
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist gegen die 27-Jährige kein Tatverdacht mehr gegeben. "Das Kind ist tot. Er ist der Einzige, der dafür in Frage kommt", meinte Staatsanwältin Franziska Fent zu Beginn der Verhandlung und blickte dabei in Richtung des Angeklagten. "Er leugnet vehement. Lassen Sie sich nicht einlullen", appellierte die Anklägerin an die Geschworenen, der Verhandlung aufmerksam zu folgen.
Die Mutter, die seit mehr als zehn Jahren mit dem Angeklagten liiert war, hatte am Nachmittag des 3. Februar gemeinsam mit ihrer zwei Jahre alten Tochter eine Geburtstagsfeier besucht. Von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr war der Vater allein mit dem Sohn zu Hause. Für die Staatsanwältin bestand kein Zweifel, dass es in diesen sieben Stunden zu den festgestellten Hirnverletzungen gekommen sein muss: "Was genau in diesen sieben Stunden passiert ist, wissen wir nicht. Aber ein Baby, ein Säugling kann in sieben Stunden besonders nervenaufreibend sein."
Dem Jugendamt war die an einer Adresse in Wien-Liesing gemeldete Familie nicht bekannt. In der Vergangenheit waren den Behörden nie Vorfälle hinsichtlich der 2022 geborenen Tochter gemeldet worden. Ihr Mandant sei "ein verantwortungsvoller Familienmensch", der sehr liebevoll mit seinen Kindern umgegangen sei, betonte Verteidigerin Astrid Wagner. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe würden nicht zu seiner Persönlichkeit passen: "Er ist ein ruhiger Mensch. Gewalt ist ihm fremd." Die Anklage klinge plausibel, sei aber "zusammengebaut, konstruiert. Es kann sich so, muss sich aber nicht so zugetragen haben", sagte Wagner. Die Ermittlungsbehörden hätten sich auf den Vater "festgebissen". Sie hätten ihn für den einzig möglichen Täter gehalten: "Sie waren nicht mehr offen für andere Varianten."
Das droht im Falle einer Verurteilung
Die Geschworenenverhandlung ist auf zwei Tage anberaumt. Am ersten Tag sollen mehrere Zeuginnen und Zeugen - darunter auch die Mutter des Buben, die ursprünglich ebenfalls unter Mordverdacht stand, aber Ende Mai als nicht mehr tatverdächtig enthaftet wurde - und ein psychiatrischer Sachverständiger angehört werden. Der Gerichtsmediziner und ein Neuropathologe werden ihre Gutachten erst am 24. Oktober erstatten. Dann soll die Verhandlung auch zu Ende gehen. Dem bisher gerichtlich Unbescholtenen drohen im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.
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Es bräuchte eine Hotline, bei der sich überforderte Elternteile melden könnten, wo dann zB. Freiwillige kurzfristig zur Deeskalation die Kinderbetreuung übernehmen.