Reinhold Stecher: Ein geradliniger Tiroler und beliebter Bischof
INNSBRUCK. Mit Reinhold Stecher verlor die römisch-katholische Kirche eine prägende Persönlichkeit und einen kritischen Geist.
Als humorvoller Gesprächspartner mit guter körperlicher Verfassung beeindruckte der damals schon 90-jährige Innsbrucker Altbischof, als er vor rund einem Jahr im Linzer Dom einen Gottesdienst mitzelebrierte. Im Bischofshof nannte er sich danach scherzhaft den vermutlich ältesten Postmitarbeiter: Doch die 70-Cent-Weihnachtsbriefmarke 2012 sollte die letzte werden, für die der malende Bischof zu Lebzeiten ein Bild zur Verfügung stellte: Stecher starb vorgestern 91-jährig nach einem Herzinfarkt in Innsbruck.
Mit Stecher verliert nicht nur die Diözese Innsbruck, der vom Jahreswechsel 1980/81 bis 1997 vorstand, eine prägende Persönlichkeit. Die römisch-katholische Kirche in ganz Österreich, Vertreter anderer Konfessionen und Religionen sowie der Politik würdigten gestern einen beliebten Hirten, der geradlinig auch Kritik an der eigenen Kirchenhierarchie geäußert hatte. Zwar soll er nicht besonders glücklich gewesen sein, dass das Kirchenvolksbegehren 1995 in seiner Diözese seinen Anfang nahm. Doch ließ er mit der Zeit erkennen, dass die dort formulierten Anliegen zumindest teilweise die seinen waren: So sagte er 2011, bei der Zölibatsverpflichtung wäre eine „Veränderung notwendig“. Über die Weihe von Frauen müsste die Kirche entscheiden, blieb Stecher vorsichtig, fügte aber an, er wüsste nicht, „was rein biblisch-dogmatisch dagegen einzuwenden wäre“.
Verständnis äußerte Stecher auch für den „Aufruf zum Ungehorsam“ der reformorientierten Pfarrer-Initiative. Schon kurz vor dem Ende seiner Amtszeit hatte Stecher in einem Brief an Rom dem Vatikan „ein theologisches und pastorales Defizit“ attestiert.
Gegen antisemitischen Kult
Zu Recht genannt wird in Würdigungen Stechers Verbot des Anderl von Rinn-Kultes. Dieser war das Relikt eines hartnäckigen Antijudaismus’ gewesen, entstanden rund um eine haltlose Ritualmord-Legende. Gegen Widerstand der Kult-Anhänger setzte Stecher einen entschiedenen Schlussstrich.
In seiner Zeit als Bischof wurden die Priester Otto Neururer und P. Jakob Gapp, beide Opfer der Nazis, selig gesprochen. Reinhold Stecher war einst selbst ins Visier des NS-Regimes geraten: 1941 verdächtigte die Gestapo den damaligen Priesterseminaristen, eine Wallfahrt gegen das NS-Regime organisiert zu haben. Nach zwei Monaten Haft entging er nur knapp dem KZ und wurde zur Wehrmacht eingezogen. 1945 konnte er das Studium fortsetzen. Als Priester war Stecher Jugendseelsorger, Lehrer und Professor für Religionspädagogik. 1980 erfolgte die Ernennung zum Bischof: Das Ja dazu sei ihm sehr schwer gefallen, sagte Stecher im Rückblick. „Ich hatte das Glück, dass mir Gottes Vorsehung immer ausgezeichnete Mitarbeiter geschenkt hat, die jene Fähigkeiten hatten, die ich nicht besaß.“
Einem weiten Kreis wurde der gebürtige Tiroler durch Bücher und Aquarelle bekannt. Letztere würden ihm zwar keinen Platz in der Kunstgeschichte sichern, aber ihre Versteigerung würde das Caritas-Budget aufbessern, sagte der Bischof einmal scherzhaft. In den letzten Jahren lebte Stecher in einem Wohnheim nahe Innsbruck. Bis zuletzt war er als Seelsorger aktiv. Am Samstag findet die Beisetzung im Innsbrucker Dom statt.
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