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Franz Brunner: Von Lebensrettern und Brückenspringern

13. Oktober 2020, 17:39 Uhr
Franz Brunner
Franz Brunner

STEYR. Franz Brunner wollte diesmal zwar nur ein wenig die Sonne am schönen Zusammenfluss von Enns und Steyr genießen, wurde dabei aber von einem deutschen Touristen gerettet. Warum er dies danach bei einem kleinen Bier feierte, lesen Sie in seinem Wortwechsel.

Von Lebensrettern und Brückenspringern

Ein sonniger Tag im Spätherbst. Standort Steyr Zwischenbrücken. Ich befand mich auf der Ennsbrücke, lümmelte mit den Ellbögen am Geländer. Genau über der Mitte des Flusses, von mir exakt vermessen und markiert. Nein, nicht wie die Hunde das machen, mit einem Bleistift hatte ich ganz dezent ein Kreuzchen auf den Handlauf der Brücke gesetzt. Verbotenerweise, deswegen sehr dezent. Die Mittagssonne wärmte mir den Rücken, ich war total entspannt. Ein herrlicher Anblick, wie sich die Wässer von Steyr und Enns tosend vereinigen, ein berauschendes Farbenspiel. Ich hätte allen Grund gehabt, glücklich zu sein, war ich aber gerade nicht. Durchaus zufrieden ja, allerdings nicht so richtig glücklich. Was war los mit mir?

"Tun Sie's bitte nicht, es wird schon wieder. Das Leben ist doch so schön.“ Ich drehte den Kopf, hinter mir stand ein Herr mittleren Alters, als Tourist verkleidet und Corona-konform maskiert, trotz dieser Sprechbehinderung mit unverkennbar norddeutschem Akzent. "Was bitte, soll ich nicht tun? Und was wird schon wieder?" Viel konnte ich mit der Anmache des Germanen auf Anhieb nicht anfangen. "Springen Sie nicht, junger Mann, tun Sie's nicht." Dass er mich mit „junger Mann“ ansprach, machte ihn sogleich sympathisch, ja doch, der ist nett. Ein deutscher Tourist, aber trotzdem nett. "Wie kommen Sie drauf, dass ich springen möchte? Ich finde auch, dass das Leben schön ist."

Na, sie wirken irgendwie traurig, gar nicht lebenslustig", erklärte er mir. Wenn der jetzt auf meine körperlichen Wehwehchen anspielt, allesamt vom exzessiven Sport, dann hat er seine Sympathiewerte sofort wieder verspielt. Nein, die konnte er nicht gemeint haben, ich hatte mich ja kaum bewegt. Meine fallweise arthrotische Gangart war es demnach nicht. Was dann hatte ihn zu meiner Rettung veranlasst?

„Ich stehe öfters hier, es ist ein großartiger Anblick. Hunderte Male hab‘ ich den bereits fotografiert. Wollen Sie sehen?“ Ich wollte rasch wieder meine Ruhe haben und auf den Fluss starren, deshalb durfte der Deutschmann einen Blick in die Fotosammlung meines Handys machen. Nach etwa 50 Flussfotos machte ich Schluss, so dicke Freunde waren wir nun auch wieder nicht.

Ich dankte meinem Lebensretter und versuchte, ihn zu beruhigen. "Seien Sie unbesorgt, guter Mann, ich mach's nicht, ich springe nicht. Versprochen." Ich lächelte ihn ziemlich gekünstelt an, was ihn zwar nicht überzeugte, aber er zog doch kopfschüttelnd von dannen. Er ging Richtung Schloss Lamberg und bog in die Enge ab, also wählte ich instinktiv die andere Richtung, steuerte zielsicher den Gastgarten beim Hotel Minichmayr an. Ein Blick auf die Uhr, es war fünf vor zwölf. Das muss ein Zeichen des Himmels sein, der will was von mir. Abgesehen von der symbolhaften Wirkung dieser Uhrzeit, ab 12 Uhr, da erlaube ich mir ab und zu ein kleines Bier, es war also an der Zeit. Heute wollte ich die Gastronomie rechts der Enns fördern, ich ließ mich genüsslich und etwas nachdenklich nieder. Was stimmte nicht mit mir, dass man(n) mich retten wollte?

Während des Verzehrs des Mittags-Seiterls kam schleppend die Erleuchtung: verwöhnt bin ich, schlichtweg verwöhnt. Ich betreibe Jammern auf allerhöchstem Niveau. Darf in einer wunderbaren Stadt leben, bin gesund, brauche nicht zu hungern, kann meinen Durst nach Belieben stillen, habe ein Sparbuch und genug WC-Papier zu Hause. Habe Freunde und erfüllende Aufgaben, auch an Anerkennung mangelts nicht. Und ich schaff’s trotzdem nicht, gute Laune zu verbreiten? Ein Tourist will mich retten? Jetzt reicht’s, du Jammerlappen, Schluss damit.

Ein Superspreader möchte ich sein, ein Superspreader der guten Laune. Ja, ich werde Lächeln versprühen und hoffnungsvoll auf den Schneeball-Effekt warten. Wenn's daneben geht, habe ich eben für mich gelächelt. Ich werde trotzdem zufrieden nach Hause gehen und zieh mir zum Trost ein paar Kabarett-Videos rein. Mit Geschichten von Hader, Gunkl und Co bin ich gut versorgt. Zunächst jedoch starte ich meinen Gute-Laune-Versuch und drehe auf dem Stadtplatz ein paar Runden.

Sollten Sie in den nächsten Tagen in der Innenstadt jemanden unaufhörlich lächeln sehen, rufen Sie nicht gleich die Polizei, sondern lächeln Sie zurück. Den ersten Dreien, die mitmachen und mich zusätzlich mit dem Codewort "Buburuza" ansprechen, spendiere ich ein ebensolches Tüten-Eis. Na, wenn diese Delikatesse kein Anreiz ist, ist Ihnen wirklich nicht zu helfen. Erfreuen Sie sich doch an der wilden Schönheit des Zusammenflusses von Enns und Steyr, Sie dürfen gerne meine Markierung auf der Ennsbrücke benutzen, der Standort ist vielfach erprobt. Zum Fotografieren, zum Träumen und zum Glücklichsein. Es gibt kaum schönere Plätze in einer der schönsten Städte Europas, überzeugen Sie sich selbst auf meiner Homepage.

Versprühen Sie hemmungslos Ihre Freude und lassen Sie Ihre Umwelt teilhaben. Bedanken Sie sich beim Schicksal, das es gut mit Ihnen meinte. Und ich danke zusätzlich meinem deutschen Retter, der mit Zivilcourage und putziger Maske mein Herz berührte.

www.franzbrunner.at

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