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"Es ist eine Tragödie, die unsere Gemeinde bis heute begleitet"

Von Gabriel Egger, 08. April 2024, 00:04 Uhr
"Es ist eine Tragödie, die unsere Gemeinde bis heute begleitet"
An der großen Suchaktion beteiligten sich mehr als 350 Personen.

OBERTRAUN. Hans Georg Seiler kehrte nicht um. Nicht, als er eindringlich gewarnt wurde, dass er sich und die Schüler ernsthaft in Gefahr bringen werde, sollte er weiterhin stur in die aufziehende Kaltfront laufen. Und auch nicht, als der Schnee zuerst die Sicht und dann die Hoffnung nahm. Warum, darauf gibt es auch 70 Jahre später keine eindeutige Antwort. Die einen sagen, er habe auch im Frühjahr 1954 noch zu sehr den Tugenden des Krieges nachgehangen. Dass er die Jugend zur Kruppstahl-Härte erziehen wollte und Müdigkeit und Widerworte nicht tolerierte. Andere sagen, er habe es nicht kommen sehen. Zumindest nicht in dieser Form. "Er war eine eklatante Fehleinschätzung, das steht außer Zweifel. Aber von Schuldzuweisungen wird auch niemand mehr lebendig", sagt Egon Höll. Er ist Bürgermeister jener Gemeinde, in der das Unglück am 15. April 1954 seinen Lauf nahm.

Seiler, Lehrer an der Knabenmittelschule in Heilbronn, bricht an diesem Gründonnerstag mit zehn Schülern und drei erwachsenen Begleitpersonen von der Bundessportschule zu einer Wanderung Richtung Krippenstein auf. Für die Schüler soll es die Krönung einer 13-tägigen Ferienreise werden, ein symbolischer Aufbruch in eine bessere Zeit nach den Leiden des Zweiten Weltkriegs.

Das letzte Lebenszeichen

Das Wetter ist gut, die Aussichten schlecht: Ab Mittag sind Schneefall und Windspitzen bis zu 50 km/h angesagt. Um 9.30 Uhr trifft die Gruppe auf der Schönbergalm ein, Hüttenwirtin Susanna Berschitz prognostiziert ihnen keinen angenehmen Aufstieg. Seiler setzt die Wanderung fort, schlägt auch die Warnung des Bautrupps, der seine Arbeit an der neuen Seilbahn wegen des Wetters um kurz nach 11 Uhr abbricht, in den aufkommenden Wind. Die Arbeiter sind die Letzten, die die Heilbronner Wandergruppe lebend sehen. Regen setzt ein, wandelt sich zu Schnee, der Wind wird zum Orkan.

In der Bundessportschule steigt die Nervosität, wird zur Panik, als auch am Abend noch immer kein Licht ins Dunkel kommt. Rückfragen auf der Gjaidalm, am Krippenstein und in Krippenbrunn bringen dasselbe Ergebnis: Niemand hat die Heilbronner gesehen. Begleiterin Hildegard Mattes ist zu diesem Zeitpunkt längst im Tal. Sie war umgekehrt, weil sie Verwandte in St. Wolfgang besuchen wollte – ihre Rettung. In der Nacht setzt der Schneefall auch im Tal ein. Zuerst hofft man noch, die Gruppe könnte sich auf dem Krippenstein in eine Bauhütte gerettet haben. Der Aufstieg bei Nacht und Schneesturm ist lebensgefährlich, die Hütte leer. Nach Tagesanbruch dasselbe Bild: nämlich keines. Sturm, Schneefall und Nebel machen die Suche beinahe unmöglich, sogar eine Gruppe von sechs erfahrenen Rettern gerät in Bergnot und kann nach einer Biwak-Nacht in Richtung Steiermark absteigen. Die bis dato größte Suchaktion der alpinen Geschichte bricht an. Aber es dauert neun Tage, bis sich der Himmel über dem Dachstein beruhigt. Am 24. April schicken die Einsatzleiter mehr als 350 Helfer in die Schneewüste. Mit Skiern an den Füßen und Sonden in den Händen durchkämmen sie das Gebiet rund um Däumling und Speikkogel. Dann plötzlich ein Knall: Eine Leuchtrakete verglüht am Himmel. Es ist keine Jubelmeldung. Zuerst werden das Lehrer-Brautpaar Hans-Werner Rupp und Christa Vollmer aus dem Schnee gezogen. Danach findet man in der Nähe weitere neun erfrorene Schüler. Erst am 28. Mai, sechs Wochen nach dem Karfreitag, werden die letzten Vermissten entdeckt: Lehrer Seiler, der seinen Schüler Rolf Mößner eng umschlungen hält.

"Es ist eine Tragödie, die unsere Gemeinde bis heute begleitet", sagt Höll. Auch weil Obertraun und Heilbronn seitdem eine Art Städtepartnerschaft verbindet. Ein schlichtes Holzkreuz erinnert am Wanderweg zwischen Krippenstein und Gjaidalm noch immer an die Tragödie. "Die Gedenkbücher für das Kreuz kommen auch noch immer aus Heilbronn. Und wir schreiben uns nach wie vor zum Jahreswechsel", sagt der Bürgermeister. Das einzig Schöne, das von diesem Tag geblieben ist.

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Autor
Gabriel Egger
Redakteur Oberösterreich
Gabriel Egger
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