Amelie Bes zog aus, um ihr Glück auf dem Rücken der Lipizzaner zu finden
KIRCHBERG / WIEN. Als Lehrling in der Spanischen Hofreitschule genießt die junge Kirchbergerin ihre Ausbildung zur Pferdewirtin an einer der exklusivsten Adressen der ganzen Welt
Ehrgeiz, die Liebe zu Pferden und Durchhaltevermögen sind die Grundvoraussetzungen, die ein Lehrling in der Spanischen Hofreitschule mitbringen muss. Eine ordentliche Portion Mut gehört noch obendrauf, wenn man so wie Amelie Bes aus Kirchberg ob der Donau mit Sack und Pack nach Wien zieht, um ebendort das Handwerk der Pferdewirtin zu erlernen – an einer der exklusivsten Adressen der Welt. Im vergangenen Oktober trat die junge Mühlviertlerin die Lehre in der Hofreitschule an. "Ich bin mit Pferden aufgewachsen und habe mir nie vorstellen können, je in meinem Leben etwas anderes zu machen, als mit Pferden zu arbeiten", sagt sie. Zu Hause betreut sie drei Pferde, ein viertes folgt bald. "Jetzt muss halt die Mama einspringen, wenn ich in Wien bin. Sie macht das aber auch gerne", erzählt Amelie Bes.
Zügel in die Hand genommen
Auf die Möglichkeit einer Lehre in der Spanischen Hofreitschule aufmerksam wurde sie durch die Social-Media-Kampagne "Nimm die Zügel in die Hand". Es folgten ein erstes Kennenlernen in Wien und ein Auswahlverfahren. "Dann hieß es warten, warten, warten", erinnert sich Amelie Bes an den wohl längsten Sommer ihres Lebens. Umso größer war die Freude, als dann die Zusage kam. Schnell musste eine Wohnung in der Hauptstadt gefunden werden. "Jetzt ist es ein Zimmer. Ich schlafe halt momentan neben der Küche."
Alles für die Lipizzaner
Die Arbeit mit den Lipizzanern entschädigt aber dafür umso mehr. Die ersten Lektionen wird Amelie Bes wohl nie vergessen. "In diesem Beruf hat man, auch wenn man wie ich mit Pferden aufgewachsen ist, nie ausgelernt. Man lernt jeden Tag wieder etwas dazu", sagt die angehende Pferdewirtin. Spannend sei auch, dass man mit Menschen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Sprachen arbeitet und dass alle durch die gemeinsame Liebe zu den Lipizzanern verbunden sind. Denn diese sind die Stars der Spanischen Hofreitschule. Alles dreht sich um die Hengste. "Es gibt genaue Abläufe, die einzuhalten sind", das hat die Mühlviertlerin schnell gelernt. Immerhin trägt jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin eine hohe Verantwortung: "Täglich kommen Besucher aus aller Welt zu uns, um die Pferde und eine Vorführung zu sehen. Unsere Verantwortung ist es, ihre Erwartungen zu erfüllen", sagt Bes: "Wir repräsentieren ein außergewöhnliches Unternehmen, darauf bin ich sehr stolz." Entsprechend hoch sind auch die Anforderungen an das Team der Hofreitschule: Freude und Spaß bei der Arbeit mit den Pferden sind ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Eine hohe Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit gehören ebenso dazu wie die Flexibilität im Zusammenhang mit Arbeitsabläufen, täglichen Herausforderungen und – ganz wichtig – Selbständigkeit. Leidenschaft für Pferde, körperliche Belastbarkeit und die Fähigkeit zur Selbstorganisation, darüber hinaus Verantwortungsbewusstsein, Selbstmotivation, körperliche Selbstkontrolle und natürlich Disziplin: alles Attribute, die für die Mühlviertlerin selbstverständlich sind.
Einzigartiger Lehrplatz
Die Spanische Hofreitschule ist ein einzigartiger Lehrplatz. Entsprechend einzigartig ist auch die Ausbildung. "Mir ist bewusst, dass das nichts Selbstverständliches ist. Außerdem ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass auch von unserer Generation die Tradition aufrechterhalten wird." Immerhin ist die Spanische Hofreitschule eine der ältesten Reitschulen und die einzige Institution, an der die klassische Reitkunst in der Renaissancetradition der "Hohen Schule" seit mehr als 450 Jahren gelebt und gepflegt wird.
Der Weg zur Bereiterin
Übrigens ist die Lehre auch der erste Schritt auf der Karriereleiter zur Bereiterin. Ist man erst sattelfest in der Pferdehaltung und -zucht, dem klassischen Reiten und Fahren und in den Aufgaben der Pferdewirtschaft geschult, wird man Elevin. Dann gilt es, sich zu beweisen, um zur Bereiter-Anwärterin aufzusteigen. Als Anwärterin hat man die Aufgabe, in sechs Jahren einen jungen Hengst so weit auszubilden, dass man sich selbst und das Pferd in einer Vorführung in der Schulquadrille präsentieren kann. Wer genügend Disziplin, Geduld und Einfühlungsvermögen an den Tag legt, kann schließlich den Bereiterrang erlangen und es sogar zum Oberbereiter oder zur Oberbereiterin schaffen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, und vorerst konzentriert sich die junge Mühlviertlerin, die auszog, um ihr Glück auf dem Rücken der Lipizzaner zu finden, ganz auf ihre Lehre.