366 Schilder erzählen Geschichten über Linz
LINZ. Der Linzer Peter Pauer dokumentiert seit 20 Jahren Hausnummernschilder – Jetzt wurde ein Kalender daraus.
Wenn ein Bild schon mehr als tausend Worte sagt, spricht dann ein Hausnummernschild Bände? Eher nicht, würde man meinen. Bis man jene 366 Linzer Hausnummern sieht, die Peter Pauer fotografiert und in seinem neuen Kalender für 2020 verewigt hat. Jedes von ihnen hat für den leidenschaftlichen Fotografen seine eigene Geschichte. Kein Wunder, dass der Linzer von einer Herzensangelegenheit spricht, die ihn seit 20 Jahren beschäftigt.
Im Sommer 1999 war es, als ein Entschluss in ihm reifte. "Ich wollte vor der Jahrtausendwende eine kleine Bestandsaufnahme der Hausnummernschilder in Linz machen", sagt Pauer. Er tat es. 20 Jahre später war die Zeit nun reif dafür, mit diesen Bilddokumenten etwas zu tun. Sie erzählen auf ihre ganz eigene Art die Geschichte der Stadt.
"Wenn ich heute die alten Bilder anschaue und die Häuser aufsuche, wo sie hingen, dann sieht man, was sich an so einem Schild alles getan hat." Geil sei das, sagt Pauer, und in seiner Stimme schwingt die Begeisterung mit. "Auf einen Schlag kann ich mir 20 Jahre Vergangenheit anschauen." Denn sein Kalender hole die Zeit zurück. Mit Schildern, wie man sie heute in den Straßen von Linz nicht mehr findet.
Entsprechend groß war die Begeisterung vieler, die in der Entstehung des Kalenders erste Blicke auf die Kalenderblätter voller Hausnummernschilder werfen konnten. Denn eines wurde ihm schon bewusst. "Ich lenke damit den Blick der Menschen auf etwas, an dem sie meist achtlos vorbeigehen, für das sie kein Auge haben. Von dem sie gar nicht gewusst haben, wie viele Geschichten auf diese Weise erzählt werden können."
So sinniert man vor jedem einzelnen Monat und schaut durch die Dokumente, von denen Pauer insgesamt mehr als 800 fotografisch festgehalten hat. Man erkennt Straßen, in denen man schon lange nicht mehr gewesen ist. Man erinnert sich als Linzer an Begebenheiten aus der eigenen Lebensgeschichte, an die man schon lange nicht mehr gedacht hat. Peter Pauer quittiert solche Erzählungen beim Betrachten seines Herzensprojektes mit einem Grinsen.
Ein Rechtschreibfehler
Der 59-Jährige kennt auch selbst viele Geschichten zu "seinen" Schildern. Jene vom gelben Punkt etwa. "Der ist für die Feuerwehr, damit sie weiß, dass hier Gas im Haus ist", sagt er. Es ist auch der Zustand, der sinnbildlich ist. Das Schild aus der Mittelgasse in Alt-Urfahr weist in seiner Kunstfertigkeit auf die Blütezeit dieses Stadtteiles hin. Beim Ebelsberger Schlossberg kann man erkennen, dass sich hier niemand darum geschert hat. An einem Schild ist das Klebeband hängen geblieben, als das Haus offenbar einen neuen Anstrich erhielt. Auf einem anderen Schild sieht man ein Einschussloch und fragt sich, was hier wohl passiert ist. "Jedes Schild sieht anders aus", sagt Pauer, der auch einen Rechtschreibfehler entdeckt hat. Der Strnadtweg hat einen Exoten dabei. Auf Nummer 14 steht Strandweg.
Zur Person:
Peter Pauer trifft man bei der Firma Andritz auf dem Voest-Gelände. Dort kennt ihn jeder. Er ist die gute Seele in der Portiersloge. Stets ein Lachen auf den Lippen, freundlich, hilfsbereit. Erst, wenn er aufsteht, sieht man, dass ihm das Leben eine Aufgabe gegeben hat. Es sind die Folgen eines Motorradunfalles, die ihn in seinem Aktionsdrang etwas einschränken. „Es ist das Beste, was mir je passiert ist“, sagt Pauer. Man fragt nicht nach, weil man zu verstehen glaubt.
Die Fotografie hat der 59-Jährige 1975 in Saalbach-Hinterglemm entdeckt. Als Hauptschüler auf Skikurs sah er in einem Kitsch-Laden einen Fotoapparat mit Kassette um 20 Schilling. Er kaufte ihn, machte Bilder und wusste von da an: „Ich möchte Fotograf werden.“
Bilder macht er heute viele. Große und kleine. Bunte und besondere. Es sind die Ideen, die ihn begeistern und die er verfolgt. Auf seine Art.
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