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Nur noch jeder zweite Hof wird voll bewirtschaftet

Von Monika Raschhofer, 07. Jänner 2016, 01:04 Uhr
Nur noch jeder zweite Hof wird voll bewirtschaftet
Manfred Hirschlinger setzt noch auf Kühe, Ludwig Weinberger hat übergeben, Josef Dicker vermarktet direkt (v.l.). Bild: mora

GILGENBERG. Bauernsterben konkret am Beispiel des Dorfs Gilgenberg: Drei Funktionärs-Generationen beurteilen die Lage.

"Verpachtet, verpachtet, verpachtet", zeigt Manfred Hirschlinger auf drei Bauernhöfe in seiner Nachbarschaft. Der Gilgenberger Ortsbauernobmann hat sich für das Wachsen seiner Landwirtschaft entschieden. Zwei bewirtschaftete Anwesen gibt es auch in Sichtweite – und einen Neubau gibt es auch.

Sichtbar wird bei diesem Rundblick, was der Ortsbauernobmann in anonymen Zahlen belegen kann: "Etwa jeder zweite Hof wird nicht mehr selber geführt. In manchen wohnt noch jemand, der Grund ist verpachtet, aber die Ställe sind leer", beschreibt er (mehr Vergleichszahlen im Info-Kasten rechts).

Erweitern, umstellen, übergeben

"Mein Vater ist früh gestorben, es war klar, dass ich den Hof weiterführe, da hat es gar keine Überlegung gegeben", sagt der 41-Jährige. Nach der landwirtschaftlichen Ausbildung in Burgkirchen und der Meisterausbildung 1996 habe er natürlich einen anderen Blickwinkel bekommen, "die Produktionspreise werden dadurch aber auch nicht höher", ergänzt er. Mit einem 65.000-Liter-Milchkontingent hat er den Hof übernommen, jetzt liefert der Betrieb fast 300.000 Liter, hat den Betrieb seiner Ehefrau und den eines Nachbarn übernommen und bewirtschaftet somit die Fläche von zwei weiteren Höfen. Stiermast und Ackerbau sind zwei zusätzliche Standbeine.

"Die Kinder sehen den Unterschied. Wenn sie arbeiten gehen, haben sie ab Freitagmittag frei und ein sicheres Einkommen", ist er nicht sicher, wie es in der nächsten Generation weitergeht. Ludwig Weinberger war von 1983 bis 1996 Ortsbauernobmann in Gilgenberg. Den Hof führt sein Sohn weiter, er mästet Stiere. "Ich habe von einem Sacherl in einen Hof eingeheiratet. Das war eine Besonderheit damals. Früher ist in eine Landwirtschaft nur hineingekommen, wer selber was hatte", erinnert er sich und sieht den Gegensatz, wie schwer es für junge Bauern heute ist, eine Frau zu finden. Dass die Landwirtschaft an Wert verliert, beobachtet er. Und ihre Produkte auch: "Ein Kilo Fleisch kostet 4,20 Euro, ein Liter Bier 6,40", stellt er eine Relation her, die nicht passe. Für die Milch kriegen die Bauern seit Jahren gleich wenig. "Mehr Grund, mehr erzeugen, größer werden – das hat Grenzen. Mit der Mehrproduktion kann man nicht immer das Einkommen steigern", gibt er zu bedenken.

Josef Dicker war dazwischen, von 1996 bis 2004, Ortsbauernobmann in Gilgenberg. Er hat sich umorientiert. Direktvermarktung mit Edelbränden, Ackerbau und Grünland sind jetzt seine Hauptgebiete. "Aber jetzt brauche ich eine teure Registrierkassa", macht er klar, dass auch ihn bürokratische und finanzielle Auflagen hart treffen. "Wie es bei uns am Hof weitergeht, weiß ich nicht. Unsere Kinder gehen arbeiten", sagt er. Ackerbau ist das zweite Standbein auf seinem Hof.

In 40 Jahren kein Bauer mehr?

Etwa 15 Bauern geben durchschnittlich innerhalb von zehn Jahren auf. Auch in Gilgenberg. "Wenn das so weitergeht, sind wir in 40 Jahren auf null", sagt Hirschlinger nachdenklich. "Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist strapazierfähig. Ohne Investition kann er noch etwa 15 Jahre überleben", ergänzt er. "Man sieht’s eh: Wenn nichts mehr investiert wird am Hof, ist es in ein paar Jahren zu Ende, da wursteln die Alten halt noch weiter bis zu ihrer Pension, aber es sind keine Jungen da, die übernehmen wollen", kennt er Beispiele im Dorf. Ungefähr 20.000 Euro muss ein mittlerer Betrieb jährlich investieren, damit Maschinen und Gebäude am Stand der Technik bleiben.

Milchwirtschaft ist noch die Hauptsache in den landwirtschaftlichen Betrieben Gilgenbergs – 31 Bauern liefern. Fünf Bauern halten Stiere, Schweine, Mutterkühe und betreiben Ackerbau. Vier haben sich der Direktvermarktung verschrieben. Drei setzen auf Eierproduktion, vier auf Geflügelmast. Auch der Gilgenberger Bundesrat Ferdinand Tiefnig züchtet Geflügel und vermarktet direkt.

Energie-Produktion ist für viele Landwirte auch zu einem zentralen Unternehmensbereich geworden. Hirschlinger ist an der Hackschnitzel-Liefergemeinschaft von zwölf Bauern für die Nahwärme beteiligt. Dicker pflanzt Elefantengras und auch Photovoltaik-Anlagen sind auf großen Dachflächen einiger Höfe zu sehen. Doch die Energie-Sparte hat auch Schattenseiten: Deutsche, die Grund pachten, um Rohstoff für Biogas-Anlagen zu kriegen, treiben die Pachtpreise in die Höhe. Ohne Gratis-Arbeitskraft der Alten, Teilzeitarbeit, Ausgleichszahlungen ginge auf den Höfen im Ort gar nichts mehr, sind sich die drei Funktionäre einig.

 

Gegenüberstellungen

Veränderungen in der Landwirtschaft am Beispiel des Dorfes Gilgenberg anhand einiger verfügbarer (teilweise nur bedingt vergleichbarer) Zahlen:

1962 gab es 177 Rinderhalter (teilweise nur eine Kuh), 2015 sind es 36 (Milch-, Stier-, Mutterkuh-Betriebe). 1962 gab es 961 Kühe (13,6 Rinder pro Betrieb), 1972 sogar 1205 Kühe (22,1), 2007 waren es 1011, 2013 nur noch 966. 1998 gab es noch 63 Milchlieferanten, 2015 sind es 31. Die Milchmenge ist gestiegen (von 4,9 Millionen Liter 2003 auf 5,5 Millionen Liter 2015, das ist der Bedarf für 16.600 Personen). 1998 gab es 88 aktive Bauern, davon 57 im Haupterwerb (der EU-Beitritt hat sich da noch nicht ausgewirkt), 2013 waren es 56 gesamt, davon 35 im Haupterwerb. 1998 wurden 65 Verpachtungen verzeichnet, 2013 bereits 90. Seit 1959 sind 192 Hektar Anbaufläche und Grünland verbaut oder bewaldet worden.

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2  Kommentare
2  Kommentare
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( Kommentare)
am 07.01.2016 05:34

Die Aussage " Die Kinder sehen das anders und wollen arbeiten gehen... da haben sie ab Freitagnachmittag frei und einen sicheren Arbeitsplatz " kann wohl nur von Jemandem kommen, der Zeit seines Lebens Bauer war. Denn mit Realität hat das nichts zu tun. Erstens hat ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung schon lange nicht ab Freitagnachmittags frei, und einen "sicheren" Arbeitsplatz gibt's schon lange nicht mehr! Das ist eine typische Aussage des Bauernstands, und die eingeprügelte Meinung ihrer Standesvertretung ( den Arbeitern und Angestellten geht's ja sooooo gut..) Mal schauen wenn die Bauerskinder dann die Brötchen völlig OHNE Subventionen und Förderungen als Arbeiter oder Angestellte verdienen müssen, ob es dann auch noch so viel schöner ist, als doch Bauer zu sein....

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wertz (920 Kommentare)
am 07.01.2016 09:11

Die Tiefbaupartie, welche bei uns in der Nähe gearbeitet hat, arbeitete von Mo-Do. Jetzt sitzen die Herren daheim weil "stempeln". Im Sommer 2 Wochen Betriebsurlaub.
Auf diversen Ämtern kann man an einem DO-Nachmittag schon ein schönes WE gewünscht bekommen.
Welches Risiko bzgl. Arbeitsplatz hat man im öffentlichen Dienst, Magistrat, ÖBB,.....
Selbst der normale Arbeiter sitzt mehr als 4 Monate daheim und kommt nicht mal in die Nähe seines Arbeitsplatzes. (47 WE + 5 Wochen Urlaub= ca.129 Tage Feiertage und Krankenstand nicht eingerechnet)
Aber jammern. Mehr schon als die Bauern selber grinsen grinsen

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