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"Es findet kein Fremdenverkehr statt"

Von Roman Sandgruber, 10. November 2018, 00:04 Uhr
"Es findet kein Fremdenverkehr statt"
Sommerfrische am Mondsee Bild: sommerfrische@mondesee.at

Im Jahr 1918 durfte es in Oberösterreich keinen Fremdenverkehr geben.

Die Versorgung mit Lebensmitteln war 1917 so kritisch geworden, dass auf Verlangen der Bevölkerung der Fremdenverkehr "amtlich" verboten wurde. Wer trotzdem kam, musste sich seine Lebensmittel nachschicken lassen. Auch in den ersten Nachkriegsjahren blieb die Situation unverändert kritisch. 1919 hatten alle Gäste im Salzkammergut auf Anordnung der oberösterreichischen Landesregierung die Region bis 1. September zu verlassen. Ein Erlass vom 7. Mai 1920 meinte unter § 4 lapidar: "Ein Sommerfremdenverkehr findet in Oberösterreich im Jahre 1920 nicht statt." Auch in Salzburg und Tirol handelte man ähnlich.

Immer wieder kam es zu Protesten und Handgreiflichkeiten von hungernden Einheimischen gegen die anwesenden Touristen und die sie beherbergenden und verköstigenden Hoteliers. Der Fremde war vom Gast zum Feind geworden, dem die Einreise verweigert und der Aufenthalt verwehrt werden sollte. Der Kurssturz der Krone in der Zeit der Hyperinflation zwischen 1918 und 1922 machte Österreich für Ausländer zum Preisparadies und heizte die Fremdenfeindlichkeit an. Waren vor dem Krieg fast ausschließlich Wiener und sonstige Inländer nach Oberösterreich gekommen, so konnten sich nun verstärkt Ausländer billig in den Luxushotels einmieten. Ischl verzeichnete 1922 fast genauso viele Gäste wie in den besten Jahren vor dem Krieg. Doch die Gästestruktur war eine ganz andere geworden. "Neureiche" und "Kriegsgewinnler" prägten das Leben und brachten neue Zerstreuungen: "Jüdische" Nachtlokale und fremde "Negermusik", wie man Juden- und fremdenfeindlich schimpfte.

Die Geldentwertung lockte ausländische Künstler und Intellektuelle an, auch wenn sie nicht viel Geld hatten. Latente Ressentiments wie die versteckte Wienfeindlichkeit und der unter der Decke immer vorhandene Antisemitismus brachen offen aus. Die feinen Städter, die mit ihren Spazierstöcken und eleganten Schuhen auf die Almen kamen, förderten bei den Bauern das Klischee vom hochmütigen, faulenzenden Wiener, der unter den Dienstboten nur die Sehnsüchte nach dem leichten Leben in der Stadt wecke und sie vom Land weglocke.

Inmitten dieser Feindseligkeit allem Fremden gegenüber wurden 1920 die ersten Salzburger Festspiele abgehalten. Die Reaktionen der einheimischen Bevölkerung waren skeptisch bis ablehnend.

Nach der Währungsstabilisierung aber war der Fremde wieder ein gern gesehener Gast und wurde allseits umworben. Der Fremdenverkehr wurde zur "Lebens- und Überlebensfrage" der von wirtschaftlichen und politischen Krisen geschüttelten Republik hochgelobt und ist zu einem der zentralen Stützen der österreichischen Wirtschaft und zum Imageträger der österreichischen Kultur geworden.

 

Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz. 

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