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Franz Fiedler: „Bedenken wegen unserer Justiz“

Von Von Werner Beninger, 01. Februar 2010, 00:04 Uhr
Franz Fiedler Bild: APA

WIEN. Der frühere Staatsanwalt und Rechnungshofpräsident Franz Fiedler kritisiert den Personalmangel bei der Justiz, aber auch die fehlende Qualität bei den Staatsanwaltschaften.

OÖN: Derzeit bekommt man den Eindruck, dass die Justiz in komplexen Fällen nichts mehr weiterbringt. Woran liegt das?

Fiedler: Ich sage nicht, dass die Justiz gar nichts mehr weiterbringt, in den entscheidenden Fällen tut sie sich aber sehr schwer und agiert manchmal so, dass es mit rechtsstaatlichem Empfinden kaum nachvollziehbar ist. Die Anzeige gegen den früheren Innenminister Ernst Strasser etwa ist liegengeblieben, bis sie verjährt war, und die Anzeige gegen Kärntner Politiker wurde mit einer eigenartigen Begründung eingestellt. Auch wenn die Einstellung rechtlich vielleicht sogar richtig war, die Begründung war dermaßen hanebüchen, dass sich das eine Staatsanwaltschaft nicht leisten sollte.

OÖN: Die Justiz begründet ihre Minderleistungen immer mit personeller Unterbesetzung.

Fiedler: Die personelle Unterbesetzung ist evident. So verfügt etwa die Antikorruptions-Staatsanwaltschaft in der Schweiz über 40 Staatsanwälte, in Österreich sind es gerade sieben. Dazu kommt, dass durch das neue Vorverfahren ein Mehraufwand bei der Staatsanwaltschaft anfällt. Das war vorhersehbar, man hat dem aber nicht in entsprechendem Ausmaß Rechnung getragen. Daher liegen die Richter und Staatsanwälte mit der Justizministerin und der gesamten Regierung im Clinch, was der Strafrechtspflege auch nicht förderlich ist.

OÖN: Liegt es nicht auch an den Personen? Früher kamen Wirtschaftsstaatsanwälte wie etwa Friedrich Matousek, Erich Müller oder Ronald Schön in Großverfahren relativ schnell auf den Punkt, während sich derzeit Staatsanwälte voller Energie auf Nebenschauplätze werfen.

Fiedler: Es ist richtig, dass eine ganze Reihe von erfahrenen Staatsanwälten in Pension geschickt oder versetzt wurde. Das spielt sicher eine Rolle, weil es für diese noch keinen Ersatz gibt.

OÖN: Ein bewusstes Vorgehen der Politik?

Fiedler: Nein, es gibt einfach zu wenige Planstellen. Die Politik hat übersehen, dass Sparmaßnahmen bei der Justiz schon im Hinblick auf die neue Rechtslage nicht angebracht waren. Generell muten Sparmaßnahmen im Justizbereich merkwürdig an, weil sich die Justiz zu 70 Prozent durch Strafen und Gerichtsgebühren selbst erhält. Würden alle Ressorts so wirtschaften, hätten wir keinerlei Budgetproblem. Und dann hat sich das Justizministerium bei den letzten Budgetverhandlungen auch noch über den Tisch ziehen lassen. Ministerin Claudia Bandion-Ortner hätte besser verhandeln müssen, auch wenn sie erst sehr kurz im Amt war.

OÖN: Es ist aber auch die Zahl der großen Fälle von Wirtschaftskriminalität explodiert.

Fiedler: Ich bin nicht der Ansicht, dass mehr solcher Straftaten begangen werden als früher. Es ist die Sensibilität in der Bevölkerung gestiegen. Es wird mehr angezeigt, und man gibt sich nicht mehr so einfach zufrieden, wenn etwas unter den Tisch gekehrt wird. Das ist auch den Medien zu verdanken, die viel intensiver recherchieren. Den Verfolgungsbehörden ist bewusst geworden, dass ein Ignorieren solcher Fälle einfach nicht mehr geht. Korruptionsfälle hat es auch früher gegeben, aber heute wird wesentlich mehr verfolgt.

OÖN: Was sollen Verfolgungsschritte bringen, wenn sich die Ermittlungen totlaufen, weil die Anklage nichts weiterbringt?

Fiedler: Richtig ist, dass eine Verfahrensbeschleunigung dringend nötig ist. Da geht es einerseits um die nötige Quantität, aber auch die nötige Qualität von Staatsanwälten – beides scheint mir verbesserungswürdig. Freilich, die relativ jungen Staatsanwälte werden sich einarbeiten, ihre geringe Zahl aber ist bestürzend. Wenn man sich ansieht, wie die Causa Hypo Alpe Adria in München abgehandelt wird und wie bei uns, so ist das peinlich. So laufen wir Gefahr, dass man auch im Ausland Bedenken wegen unserer Justiz zu entwickeln beginnt. Es müsste daher vom Justizministerium ausgehend wesentlich mehr passieren, als bisher getan wurde.

OÖN: Was hat das mit der Zahl von Staatsanwälten zu tun, wenn einfach eingestellt wird, die Causen Grasser-Homepage oder Eurofighter, oder wenn eine Staatsanwaltschaft, wie im Fall Meinl, zwei Jahre lang an einem befangenen Gutachter festhält?

Fiedler: Die Grasser-Homepage war eine Terra incognita, wo sich die Rechtsexperten uneinig waren. Zum Fall Eurofighter meine ich, dass es sein kann, dass man in Korruptionsdingen nicht auf den Grund kommt. Der Fall des Meinl-Sachverständigen war ein grober Fehler. Die Konsequenz sind unnötige Kosten und Zeitverlust. Es wäre von Vorteil, wenn in den Staatsanwaltschaften selbst der entsprechende Sachverstand vorhanden wäre und man nicht schon bei der Sichtung von Akten einen Sachverständigen braucht. Darum hat man in der Schweiz den Sachverstand in der Behörde angesiedelt. Bei uns muss man den Sachverständigen bei Hausdurchsuchungen beiziehen, damit man weiß, was man beschlagnahmen soll.

OÖN: Liegt dieser Mangel nur an der Staatsanwaltschaft?

Fiedler: Früher gab es noch eine Wirtschaftspolizei, da hat man bei Hausdurchsuchungen keine Sachverständigen gebraucht. Offenbar muss bei der Polizeireform etwas schiefgelaufen sein, das hört man nicht nur aus dem Bereich Wirtschaftskriminalität. Verstehen tue ich es nicht, weil es ja kein Mehrbedarf an Personal ist, sondern es nur um dessen richtigen Einsatz geht.

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 01.02.2010 21:27

Die nunmehrigen Ausführungen des zwölf Jahre lang amtierenden Präsidenten des Rechnungshofs Dr. Fiedler machen nachdenklich.

Es ergeben sich ua folgende Fragen:

Wann hat der Rechnungshof unter der Leitung von Dr. Fiedler die "mangelnde Erfahrung, das "fehlende Know-how" und die "Personalnot bei den Staatsanwaltschaften" festgestellt und in welchem Prüfbericht ist dies festgestellt worden?

Warum agieren Prüfungsbehörden wie Finanzmarktaufsicht, Nationalbank, Rechnungshof in der Regel viel zu spät?

Wann hat der Rechnungshof eine "systemische Prüfung" in diesem Spannungsfeld durchgeführt?

Wann wurden die " Wahrnehmungsberichte " des Rechnungshofs veröffentlicht?

Welche Reaktionen gab es darauf?

Welche Rolle hat die Staatsanwaltschaft in der Causa " Hypo Alpe Adria " bisher gespielt?

Wie wird die bisherige Tätigkeit der Staatsanwaltschaft in der Causa "Hypo Alpe Adria"vom Rechnungshof geprüft?

http://so-for-humanity.com2000.at SFH-1299, SFH-0784, SFH-0949

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