Entspannung per Smartphone: Meditations-Apps sind neuer Trend
Ausgerechnet über das Handy sollen Menschen zur inneren Ruhe finden. Vor allem in den USA nutzen immer mehr Menschen sogenannte Mediatations-Apps. Auch in Europa ist der Trend auf dem Vormarsch.
Etwas paradox ist es schon, dass Menschen ausgerechnet über das Smartphone zu mehr innerer Ruhe finden sollen. Über das Gerät, das unser Leben so sehr beschleunigt und uns immer wieder ablenkt. Der Brite Andy Puddicombe sieht das anders. Nachdem er zu einem buddhistischen Mönch im Himalaya wurde, gründete er eine App zum Meditieren: Headspace. Die Ironie, mit dem Smartphone abzuschalten sehe er schon, aber: er "glaube nicht, dass das Smartphone als Gegenstand stressig ist. Es ist unser Umgang damit." Für ihn sei es eine "Plattform über die wir die Menschen dort erreichen, wo sie sind". Er wolle mit der App vermitteln, dass Menschen überall meditieren könnten.
Es scheint zu funktionieren. Bereits 42 Millionen Menschen meditieren mit Headspace - zumindest wurde die App so oft heruntergeladen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Los Angeles hat inzwischen 260 Mitarbeiter - und es soll weiter wachsen. Seit Mitte März ist das Angebot erstmals auch in deutscher Sprache verfügbar. Es gibt Meditationen zu unterschiedlichen Themenbereichen. Von Schlaf über persönliche Entwicklung bis hin zu Stress und Ängsten. Fünf weitere Sprachen sollen im Laufe des Jahres folgen.
Meditations-Apps auch in Europa ein boomendes Geschäft
In Deutschland ist der hiesige Anbieter "7Mind" besonders erfolgreich. Im Gesundheitswesen wurde der Nutzen erkannt. So erstatten die gesetzlichen Kassen ihren Versicherten bis zu 100 Prozent der Jahresgebühr für die deutsche Meditations-App.
"Calm", neben Headspace die zweite große US-App, zählt täglich etwa 75.000 neue Nutzer weltweit. Es gibt Hunderte Stunden Inhalt, zu allerlei Themen. Die deutschen Schlafgeschichten liest beispielsweise Schauspieler Sebastian Koch. "Ziel ist es, die Konzentration zu schärfen, das Bewusstsein zu stärken und Gelassenheit zu entwickeln", erklärte Alex Will, Strategie-Chef von Calm. Viele Apps bieten eine kostenfreie Basis-Version an. Wer mehr will, muss etwa bei Headspace ein Monatsabo für rund 13 Euro (Jahresabo 95 Euro) abschließen.
Experten sehen den Trend differenziert
Achtsamkeitslehrer Günter Hudasch sieht Meditations-Apps differenzierter. "Sicher haben sie einen Wert für das kontinuierliche Üben", sagt er. Erfordere es doch eine gewisse Disziplin dranzubleiben. Aber: "Wenn ich übe, mache ich bestimmte Erfahrungen." Diese solle man vor allem zu Beginn ab und an mit einem Lehrer besprechen. Außerdem sei die Erfahrung in einer Gruppe zu meditieren oft noch mal kraftvoller, als mit einer App allein zu üben.
Ähnlich sieht es Achtsamkeitsexperte Johannes Michalak. Anfangs habe er eine skeptische Haltung gehabt. "Inzwischen sehe ich auch den positiven Effekt, dass viele Leute über solche Apps einen Zugang zu Meditation und Achtsamkeit bekommen können", sagt der Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke. Vielen reiche das sicher aus. Doch Menschen, die tiefer in die Achtsamkeit einsteigen wollen oder Personen mit psychischen Problemen empfehle er eine intensivere betreute Unterstützung in Form von Achtsamkeitsprogrammen oder eine Therapie. Denn, so Michalak: "Apps sind kein Allheilmittel".