"Sei‘n Sie doch nicht so deutsch"
Hamburg ist Deutschlands Musical-Hauptstadt. Für das jüngste Musical "Das Wunder von Bern" haben die Norddeutschen kurzerhand auch gleich ein neues Theater an die Elbe gebaut.
Es reißt die Zuschauer von den Plätzen." "Fulminante Premiere." "Glück und Tränen, so muss ein Fußballfest sein." So und ähnlich tippten deutsche Journalisten ihren Eindruck vom Wunder von Bern in die Computer.
Als Österreicher sieht man das Musical – Premiere war vergangenen Sonntag – distanzierter. Unser Nachbar wurde 1954 in Bern erstmals Fußball-Weltmeister. Das ist das Wunder – Gratulation. Als zweiter Handlungsstrang sind im Musical die Sorgen und Ängste der Nachkriegszeit eingebaut. Ein Vater kehrt nach langer Gefangenschaft heim in den Ruhrpott. Seinen jüngsten Sohn hatte er zuvor nie gesehen. Der Mann findet sich nicht zurecht. Erst als die Deutschen kurz vor dem Gewinn des Endspiels in Bern stehen, entdeckt er seine positiven Gefühle wieder.
Zwischenapplaus, Tränen, faszinierte Gesichter, Standing Ovations, so die Publikumsreaktionen. Als Österreicher kann man sich nur schwer in den Nationalstolz hineinfühlen, nimmt die Reaktionen staunend auf. Als Ende des ersten Akts eine Schweizer Putzfrau dem Nationaltrainer die Leviten liest und ihm vorsingt: "Sei‘n Sie doch nicht so deutsch..." kommt ein Schmunzeln über die Lippen.
Unbestritten ist die sehr gute technische Inszenierung. Etwa die Wiedergabe von Szenen aus dem Fußball-Endspiel Deutschland gegen Ungarn. Wo Fußballer, durch Seile gesichert und offenbar mit Magneten in den Schuhen, durch die Luft fliegen und an einer Mauer hinter der Bühne Spielzüge simulieren.
"Es ist für alle Frauen das erste Musical in Deutschland, bei dem die Männer freiwillig mitkommen", sagt die deutsche Schauspielerin Nina Bott.
Und österreichische Männer? Die können jederzeit in eines der anderen Musicals mitgenommen werden, die derzeit in Hamburg gespielt werden: "Rocky" , " König der Löwen" oder die "Heiße Ecke"...