„Viele Hilfesuchende sind dauermüde“
Viele berufliche Termine, ständige Erreichbarkeit am Handy, Elternabende, Theaterabo, Fitness-Studio.
„Wir bemerken bei unseren Telefonberatungen, dass viele Hilfesuchende zwar mit einem konkreten Problem kommen. Im Gespräch stellt sich dann aber heraus, dass die Betroffenen an einer Grundmüdigkeit leiden, die sich durch permanente Überforderung im Alltagsleben ergibt“, sagt Silvia Breitwieser, Chefin der Telefonseelsorge 142.
Diese Nummer ist 24 Stunden pro Tag besetzt. Wer anruft, bekommt Hilfestellungen in Form von Gesprächen. „Das Grundproblem ist meist, dass Menschen heutzutage immer glauben, dass sie alles schaffen können. Berufliche Karriere, Familie, Haushalt Freizeit, Fitness. Dieses falsche Selbstbild führt nicht selten zu einer jahrelangen Überbelastung, die irgendwann nicht mehr zu ertragen ist, weil es im Leben keine echten Ruhephasen gibt. Dauermüde Menschen haben oft gar keine Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse – oder wissen gar nicht mehr, wie sie wirklich leben wollen“, sagt Breitwieser.
„Diese Menschen laufen hemmungslos, ohne Bremse, bis sie umfallen“, sagte der Neurobiologe Gerald Hüther bei einem Burn-out-Kongress in Deutschland am vergangenen Wochenende und betont: „Jeder Mensch braucht Refugien, in denen er sich selbst erlebt.“
Mit diesen Refugien oder Erholungsphasen seien aber keinesfalls Abende vor dem Fernseher gemeint. „Es klingt banal, ist aber wirksam: Gehen Sie spazieren – alleine, ohne Kopfhörer. Ich rate Erschöpften auch immer, sich einfach einmal ein ganzes Wochenende lang nichts vorzunehmen. Das tut gut, weil im Alltag immer so viele Informationen und Eindrücke auf uns einstürmen, dass der Kopf für eine Auszeit dankbar ist“, sagt Silvia Breitwieser. Denn stehen Menschen stetig unter Strom, leide der Körper, Krankheiten seien die Folge.
Die Telefonseelsorge 142 ist auch an Sonn- und Feiertagen erreichbar. Die Gespräche sind gebührenfrei.