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Endlich Ferien

Von Roman Sandgruber, 06. Juli 2019, 00:04 Uhr
Endlich Ferien
Bild: dpa

Sommerferien gibt es deshalb, weil die Kinder früher für die Feldarbeit gebraucht wurden. Und auch die Lehrer brauchten diese Ferien, um sich zu ihrem kärglichen Einkommen etwas dazuverdienen zu können.

"Ich möchte noch heute den Totenschädel des Mannes streicheln, der die Ferien erfunden hat", jubelte der Schriftsteller und Lehrersohn Jean Paul, der mit seinem 1795 erschienenen Roman "Hesperus oder 45 Hundposttage" einen der größten literarischen Erfolge nach Goethes Wertherroman erreicht hatte. Wenn er drei Wünsche beim Herrgott frei hätte, bäte er, dass dieser als Herr über die Zeit die Ferien, zumindest aber die deutschen Ferien, verlängern möge.

Was den unermüdlichen Vielschreiber Jean Paul, der als freier Schriftsteller gar keine Ferien brauchte oder hatte, zu seinem überschwänglichen und gleichzeitig recht makabren Lob veranlasst hat und welche Ferien er überhaupt gemeint hat, muss offen bleiben. Denn Ferien gibt es viele: Schulferien, Universitätsferien, Theaterferien, Gerichtsferien, Werksferien, Parlamentsferien... Das lateinische "feriae" bedeutet ursprünglich religiöse oder sonstige öffentlich festgelegte Feiertage. Ihrer Herkunft und auch Konstruktion nach sind sie kein Urlaub. Den gesetzlich zustehenden oder auch sonstigen Urlaub muss man beim Dienstgeber anmelden und genehmigt bekommen, Ferien hingegen sind per Gesetz oder Verordnung datumsmäßig festgelegt. Ferien bedeuten, dass eine Einrichtung für eine bestimmte Zeit mehr oder weniger vollkommen schließt. Das gilt für Schulen, Gerichte, Universitäten, Parlamente. Auch manche Betriebe, etwa große Autowerke, wo Fließbänder rollen, aber auch kleine Unternehmungen machen Betriebsferien.

Ferien rückblickend

Das Interesse an Ferien ist unterschiedlich: In den Städten, wo die Sommerhitze nicht nur das Leben recht ungemütlich, sondern auch das Wasser und die Luft recht ungesund machen konnte, ging, wer es sich leisten konnte, zwei bis drei Monate auf "Sommerfrische". Am Land bedeuteten Sommerferien keineswegs Nichtstun. Die Bauern, die ohnehin nicht sehr schul- und bildungsfreundlich waren, drängten auf möglichst lange Schulferien, um die Kinder als Arbeitskräfte heranziehen zu können.

Sommerferien gibt es deshalb, weil die Kinder früher für die Feldarbeit gebraucht wurden. Und auch die Lehrer brauchten diese Ferien, um sich zu ihrem kärglichen Einkommen etwas dazuverdienen zu können. Ganz anders war und ist es mit den diversen Winter- und Herbstferien. In den Kriegs- und Nachkriegszeiten gab es zwar auch Kälteferien, wenn die Schulen aus Holz- und Kohlenmangel gesperrt werden mussten. Aber die sogenannten "Energieferien", die anlässlich des "Energieschocks" 1973 eingeführt wurden, um in den Schulen Heizkosten einzusparen, sind inzwischen zu Energieverschwendern geworden. Sie sind zeitlich gestaffelt, um den Kapazitätseffekt für die Ski- und Tourismuswirtschaft möglichst wirksam zu gestalten. Und bei den bestehenden oder angedachten Herbst-, Wander- oder Gesundheitsferien geht es um ähnliche Auslastungsprobleme des Tourismus.

Mit den Universitätsferien ist es nicht anders als mit den übrigen Schulferien, nur dass sie traditionell noch um einiges länger sind. Für einen großen Teil der Studierenden spielten und spielen sie eine wirtschaftliche Rolle, wenn sie die Mittel für Lebensunterhalt und Studium selbst verdienen müssen. Professoren sollen sie für die Forschung nutzen. Über Sinn und Unsinn all dieser Ferien, über Länge, zeitliche Staffelung und Festlegung wird endlos diskutiert. Hier prallen pädagogische Argumente, wirtschaftliche Interessen und wohl erworbene Rechte hart aufeinander.

140-tägige Gerichtsferien

Die Theaterleute machen Ferien und begeben sich zu den Festspielen. Gerichtsferien hingegen, in denen keine Verhandlungen stattfinden und die auch den Fristenlauf grundsätzlich nicht mehr hemmen, gibt es in Deutschland seit 1996 und in Österreich seit 2011 keine mehr. Das alte Reichskammergericht, das 1495 von Kaiser Maximilian I. begründet worden war und mit dem alten Reich 1806 untergegangen ist, war berühmt für seine Ferien: nicht nur Weihnachts- und Fasnachts-, Oster-, Pfingst- und Hundstagsferien, sondern zuletzt fast das halbe Jahr. An 140 Tagen im Jahr machte das Gericht Ferien. Man unterschied Ferien der Sachen und Ferien der Personen. 1772 hatten sich bei dem in Wetzlar angesiedelten Gericht bereits 20.000 unerledigte Prozesse angesammelt, von denen nur etwa sechzig pro Jahr entschieden wurden. Manche Verfahren hatten sich über weit mehr als hundert Jahre hingezogen. Der Berg unerledigter Akten soll am Ende mehr als 10.000 Zentner gewogen haben.

Goethe, der nach seinem ungeliebten Jusstudium auf Wunsch seines Vaters ein Praktikum in Wetzlar ablegen musste, kam diese Ferienregelung sehr zugute. Er musste keinen einzigen Tag aufs Gericht gehen und nutzte die Monate für seinen ersten großen literarischen Erfolg, "Die Leiden des jungen Werther". Auch die Parlamente haben sitzungsfreie Sommerpausen, die früher vom Kaiser festgelegt, heute aber von den Abgeordneten selbst beschlossen werden.

Die Ferien des österreichischen Parlaments dauern in der Regel von Mitte Juli bis Anfang September. Nur heuer verhält es sich angesichts der Auflösung des Nationalrats etwas anders. Nicht dass deswegen die Parlamentsferien wegfallen würden. Sie können trotzdem in der vollen Länge stattfinden, indem man den Wahltermin bis Ende September hinausgezögert hat und in der ersten Juli- und der letzten Septemberwoche in einem sogenannten freien Spiel der Kräfte, in welchem die Abgeordneten dennoch streng nach Parteiorder agieren, eine Fülle zum Teil überhasteter und im Nachhinein meist teurer Beschlüsse durchpeitschen. Vielleicht hat Sebastian Kurz gar nicht so unrecht gehandelt, als er sich aus diesem zwischen Revanchefouls und Wahlgeschenken pendelnden Kräftemessen von Anfang an herausgenommen hat.

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Roman Sandgruber
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2  Kommentare
2  Kommentare
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stangl (99 Kommentare)
am 07.07.2019 13:55

Eine kleine Korrektur: Der tragische Briefroman heißt "Die Leiden des jungen Werthers", auch wenn Goethe bei der Überarbeitung vierzehn Jahre später das "s" wegließ, aber das hatte ja nichts mehr mit diesen Ferien zu tun … Mein Reclam-Heft UB 67/67a ziert noch immer das "s" grinsen

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Gugelbua (31.972 Kommentare)
am 06.07.2019 10:43

und heute fürs Touristen-Geschäft : - )

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