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Das Grausame an der künstlerischen Wahrheit

Von Peter Grubmüller, 22. November 2019, 07:05 Uhr
Das Grausame an der künstlerischen Wahrheit
Knaugårds autobiografischer Zyklus wurde in 30 Sprachen übersetzt. Nun schrieb der Norweger über die Kunst seines Landsmanns Edvard Munch. Bild: dpa

In Karl Ove Knausgårds Buch über Edvard Munchs Kunst gibt sich auch wieder der Schriftsteller selbst zu erkennen.

In Edvard Munchs Bildern ist das Leben und des Leiden des Malers nicht zu leugnen. Der Schriftsteller Karl Ove Knausgård hat aus dessen Leben 4600 Seiten Literatur gezimmert und in sechs Bänden mit dem 2017 erschienenen finalen Buch "Kämpfen" veröffentlicht. Das Autobiografische eint die beiden Norweger, und Knausgård hat auch keine Minute gezögert, als er 2015 vom Munch-Museum in Oslo die Anfrage bekam, eine Ausstellung mit Werken des Symbolisten zu kuratieren. So schreibt es Knausgård in seinem Band "So viel Sehnsucht auf kleiner Fläche", obwohl sich der 50-Jährige dafür kaum qualifiziert gefühlt hatte, weil er sich doch nur "gern Gemälde ansah und häufig in Kunstbildbänden blätterte."

Manches in Knausgårds Texten und Reden klingt kokett. Schließlich hatte er einst in Bergen Kunstgeschichte studiert und 2013 zu Munchs 150. Geburtstag eine vielbeachtete Rede gehalten. Munchs Kunst sei er obendrein schon in der Schule verfallen gewesen: "Hatten die vorherigen Bilder sich geöffnet und meines Blickes angenommen, war es bei Munchs Bildern umgekehrt, es war, als kämen sie mir entgegen, als wären sie aktiv und der Blick passiv. Eine solche Intensität, dass ein Bild einen Raum in Besitz nehmen und ihn prägen kann, hatte ich nie zuvor erlebt. Sie vibrierten ja!"

Anselm Kiefer als Helfer

Knausgård tritt Munch so unbefangen wie möglich gegenüber, er möchte ihn abseits seiner Klassiker wie "Der Schrei", "Melancholie" oder "Vampir" sehen. Als wäre es das erste Mal, gerade mit größtenteils unbekannten Bildern – und er hat sich die Hilfe anderer Künstler geholt und mit ihnen über Munch gesprochen: unter anderem mit Anselm Kiefer.

Knausgård eröffnet mit dem Bild "Kohlacker" von 1915. Munch hatte gerade einen psychischen Zusammenbruch hinter sich und das Landhaus in Ekeley bei Oslo erworben, wo er bis zu seinem Tod 1944 lebte. "Magisch" komme Knausgård das Kohlfeld vor, "als würde etwas in mir zerbrechen". Er beschreibt Farben wie Formen und interpretiert die Sehnsucht des Malers, "zu verschwinden in der Welt". Diese Balance von Bildbeschreibung und Bildwirkung setzt Knausgård fort. Er betrachtet alle Werke unter biografischen Prämissen und auf Basis der Frage, was Kunst eigentlich sei. Wie moralisch muss sie sein, welchem Ziel ist sie hinterher? Für Knausgård ist es klar, dass Kunst zu sich selbst findet, wenn sie – losgelöst von Zeit und Ort – "zum Wahren" vorstößt, wie sich dieses Wahre auch immer darstellt – ob in der Malerei oder in der Literatur.

Im Gespräch mit Knausgård kommt es einem so vor, als liege alles Wahre bei ihm auch in der Langsamkeit. Ehe er zu seinen sechs Bänden ansetzte, hatte er vier Jahre lang überhaupt nicht schreiben können. Knausgård: "Ich wollte über den Tod meines Vaters schreiben, aber ich konnte keinen Weg finden, an den ich hätte glauben können. Das war mein Full-Time-Job für vier Jahre. Können Sie sich vorstellen, vier Jahre jeden Tag zu versagen? Das ist schrecklich." Seitdem sei ihm klar: "Einen Roman zu schreiben ist einfach. Das Schwierige ist, dahin zu kommen, wo es einfach wird."

Feinde und Scheidung

Seit er so radikal über sein Leben und seine Mitmenschen geschrieben hat, habe er einige Feinde. Seine Frau, die schwedische Dichterin Linda Boström – die beiden haben vier Kinder –, ließ sich 2017 scheiden, auch weil er Details ihrer Ehe und über Lindas Depression öffentlich gemacht hatte. Selten ist etwas so grausam wie das Wahre.

Karl Ove Knausgård: "So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche – Edvard Munch und seine Bilder", Luchterhand Verlag, 288 Seiten, 24,70 Euro

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Autor
Peter Grubmüller
Ressortleiter Kultur
Peter Grubmüller
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