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Die Obstkörbe des Intellektuellen

Von Christian Schacherreiter, 10. Februar 2020, 00:04 Uhr
Hans Magnus Enzensberger Bild: dpa

Hans Magnus Enzensberger (90) hinterfragt in "Fallobst. Nur ein Notizbuch" Gewissheiten

Hans Magnus Enzensberger, Jahrgang 1929, macht Mut zum Altern. Seine Produktivität ist beispiellos. Im Cicero-Ranking der einflussreichsten Intellektuellen 2019 nahm er den dritten von insgesamt 500 Plätzen ein. Allein im Jahr 2018 erschienen zwei Bücher aus seiner Hand, das autobiografische Opus "Eine Handvoll Anekdoten" und "99 Überlebenskünstler. Literarische Vignetten aus dem 20. Jahrhundert".

In letzterem erzählt er von Autorinnen und Autoren, denen nicht unbedingt ein leichtes, aber ein langes Leben beschieden war. Im November 2019 feierte Enzensberger selbst seinen 90. Geburtstag – natürlich mit einem weiteren Buch, einer Art Journal: "Fallobst. Nur ein Notizbuch".

In den drei "Obstkörben", mit denen sich Enzensberger auf den Literaturmarkt stellt, findet man Köstlichkeiten aller Art, obwohl der Autor behauptet, er habe es in der "Kunst des Ignorierens weit gebracht (…) Die zunehmende Zahl von Problemen, Debatten, Erscheinungen, die er gerne Jüngeren überlässt, gehört zu den unvermeidlichen Alterserscheinungen." Digitalisierung, "sogenannte soziale Medien", Schulreform und Genderstudies seien nicht mehr seine Sache, dafür aber vieles andere, vor allem Sprachreflexion und Kulturkritik: "Sähe es auf der Erde so aus wie in der zeitgenössischen Kunst (…) sie wäre unbewohnbar."

Typische Altersthemen und Endzeitmeditationen findet man nur selten – und wenn, dann in eher ironischer Darstellung. "Die soziale Umwelt älterer Leute gleicht einem Wartezimmer. Kaum haben sie das vorgeschriebene Rentenalter erreicht, kreisen ihre Unterhaltungen um irgendwelche Beschwerden." Im Kontrast dazu bekennt sich Enzensberger zu moderaten Genüssen, auch zum Rauchen. "Das Nikotin ist nur ein Nebeneffekt des Tabaks. Entscheidend sind die träumerischen Absenzen des Rauchers."

Im Dialog Gedanken schärfen

Ungebrochen ist Enzensbergers spürbare Lust, im Dialog mit klugen Köpfen seine Gedanken zu schärfen. Immer wieder nimmt er mitteilenswerte Zitate in sein Notizbuch auf, von Montesquieu, Lichtenberg, Orwell, Tschechow und vielen anderen.

Die vornehmste Aufgabe des Intellektuellen ist die sokratische Irritation, die hinter vermeintliche Gewissheiten lästige Fragezeichen setzt. Dieser Aufgabe wird Enzensberger gerecht, zum Beispiel so: Einen Lyriker stellen sich viele als eher zart besaiteten Menschen vor. Und was macht Enzensberger? Er zitiert seitenweise Lyrik politischer Gewalttäter, von Radovan Karadzic über Osama Bin Laden bis zu Stalin und Mao. O holde Kunst?

Hans Magnus Enzensberger: "Fallobst. Nur ein Notizbuch", Suhrkamp, 368 Seiten, 30,90 Euro

OÖN Bewertung: 5/6

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Autor
Christian Schacherreiter
Christian Schacherrreiter
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