Die Kunst, das Offensichtliche zu sehen
Biennale-2024-Künstlerin Anna Jermolaewa führt durch ihre Schau im Linzer Schlossmuseum.
Die Schritte über die Stufen hinunter in den Bauch des Linzer Schlossmuseums folgen dem Rhythmus von Antonelli Vendittis "Bomba o non bomba". Überall im riesigen Ausstellungsraum breitet sich der Allzeit-Hadern des italienischen Liedermachers aus. Die Nummer gehört zum Soundtrack des Performance-Videos "Singles Party" von Anna Jermolaewa. Für Alleinstehende, die sich schwertun, jemanden kennenzulernen, organisierte die Künstlerin 2003 ein Atelier-Fest. Sie bot den Gästen an, zu zweit zu tanzen und gemeinsam eine Orange zu halten, ohne die Hände zu benutzen. Das Ergebnis waren zwei Langzeitbeziehungen und mehrere Affären, die sich an diesem Abend ergaben.
Vor zwei Wochen waren die Linzer Kunstuni-Professorin Anna Jermolaewa und Gabriele Spindler (Kuratorin der Kultur GmbH) ausgewählt worden, den österreichischen Pavillon bei der 60. Kunstbiennale in Venedig 2024 zu konzipieren. Am Samstag führten die beiden Frauen knapp 50 Besucher und die OÖN durch Jermolaewas aktuelle Ausstellung "Number Two" in Linz. Und wie Vendittis schwereloser Partysong von zwei Musikern handelt, die in den 70er-Jahren trotz der Attentate der Terrororganisation Rote Brigaden nach Rom wollen, ist auch die Relevanz von Jermolaewas Kunst leichtfüßig angebahnt.
Die 52-Jährige, die in Leningrad (heute St. Petersburg) zur Welt kam und wegen der Gründung einer Oppositionspartei mit anschließender KGB-Verfolgung 1989 nach Österreich flüchtete, erzählt mit schelmischem Grinsen und liebevollem Witz: unter anderem über "Hermitage Cats", wofür sie 40 Katzen im St. Petersburger Kunstmuseum Eremitage im Stile von "Mitarbeiterinnen des Monats"-Bildern fotografierte. Seit 250 Jahren jagt ebendort eine Katzenarmee Nagetiere. Zweimal wurde der Job der Katzen ausgesetzt: unter anderem während der Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg. Die hungernde Bevölkerung hatte die Katzen gegessen. Nach dem Krieg ließen die sowjetischen Machthaber tausende Katzen aus Sibirien holen, um die neue Rattenplage einzudämmen.
2015 organisierte Jermolaewa eine bezahlte Massendemonstration auf der Biennale in Moskau ("Political Extras"). Sie heuerte 100 Menschen an, die sowohl für als auch gegen die Kunstschau aufmarschierten. Jermolaewa karikierte damit die politische Willfährigkeit, mit der Pro-Putin-Kundgebungen organisiert wurden.
Ein Jahr lang begleitete die Künstlerin Doppelgänger von Putin, Gorbatschow, Stalin und Lenin. Die Erzählungen der vier Männer legen die politische Haltung der russischen Bevölkerung offen.
2022 filmte sie für "Singing Revolution" Chöre aus den baltischen Hauptstädten beim Singen von Revolutionsliedern. Die Arbeit ist eine weitere Etappe von Jermolaewas Untersuchungen zum zivilen Widerstand. "Friedlicher Protest wird auch der Ausgangspunkt meiner Arbeit für Venedig sein", sagt sie. Die Ausstellung im Schlossmuseum ist noch bis 5. März geöffnet. An diesem Schlusstag wird Anna Jermolaewa um 16 Uhr wieder für Gespräche mit ihrem Publikum zur Verfügung stehen. Verpassen Sie das nicht.
sorry aber soll DAS wirklich KUNST sein? ..
ich finde diese Schau sehr verstörend und würde sie Niemandem empfehlen. Wie kann man derartiges fördern? Auch wenn es "zeitgeistig" ist