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"Die Angst, die wir durch Corona erleben und die von außen kommt"

Von Nora Bruckmüller, 24. Juli 2020, 00:04 Uhr

Diesen Frühling vor 100 Jahren wurde Marlen Haushofer geboren, vor 50 Jahren starb die große Autorin aus Steyr. Corona verhinderte ein öffentliches Gedenken. Burgtheater-Star Dorothee Hartinger holt nun am 8. 8. ihr Theater zum Roman "Die Wand" nach - ein Werk mit zeitloser Kraft.

Eine Frau fährt mit Freunden in eine Waldhütte, wo sie eine unsichtbare, aber unüberwindbare Wand alleine einschließt. Ihr bleibt das Überleben mit Natur und Tieren. Aus diesem Konflikt entwickelte Marlen Haushofer ihren Erfolgsroman "Die Wand" (1956).

Was Haushofer als Wand skizziert, wurde oft als etwas dem Menschen Innenliegendes interpretiert. Hat sich in der Corona-Zeit für Sie diese Sicht dahingehend verändert, zu sagen: Sie liegt nun außen?

Dorothee Hartinger: Ich habe meine Bearbeitung schon an die 80 Mal gespielt. Ich habe den Text also schon oft gesprochen, auch in verschiedensten Situationen meines Lebens. Und das Tolle an guter Literatur ist, dass sie immer mehrere Deutungsweisen hat, in verschiedenen Lebenslagen unterschiedlichste Perspektiven transportiert. Und so geht es mir mit "Die Wand". Einerseits beschreibt sie eine Robinsonade (literarische Form unfreiwilliger Isolation, Anm.), andererseits die Angst, die wir durch Corona erleben, die von außen kommt. Genauso aber ein Eingesperrtsein, das man in sich so heftig spürt, sodass man sich nicht mehr mit den Menschen um sich beschäftigen kann.

Sie haben "Die Wand" selbst für die Bühne adaptiert. Ist es eine Erleichterung, eine größere Freiheit, ohne übergeordnete Regie zu agieren?

Also "Die Wand" habe ich nicht komplett alleine gemacht. Mein Schauspielkollege Christian Nickel hat mir geholfen (szenische Einrichtung, Anm.). Ganz alleine wäre es wohl nicht gelungen. Aber ich hätte es auch mit keinem geschafft, den ich überhaupt nicht kenne. Jemanden, der von außen ein Regiekonzept über den Text drüberstülpt, wollte ich nicht. Ich hatte sehr klare Vorstellungen. Es war mir wichtig, dass die Umsetzung nah an dem ist, was ich von diesem Text möchte und an der Idee des ursprünglichen Erzählens. Ich habe in meinem Leben bestimmt hundert Stücke gespielt, fast alle davon waren mit Regiekonzept, Kollegen und Bühnenapparat. Und es tut mir sehr gut, dass es etwas ohne dem gibt.

Und Ihre Faszination für "Die Wand" und deren Protagonistin, die sie seit sieben Jahren verkörpern, ist ungebrochen?

Ja. Aber das ist bei mir immer so. Ich habe selten erlebt, dass ich einmal gesagt hätte: Jetzt möchte ich das Stück aber nicht mehr spielen. Zum Theater gehört ja immer ein Live-Erlebnis. Und die entscheidende Kunst des Schauspielberufs ist es, im Live-Moment bestimmte Dinge zu erzeugen und das Publikum zu erreichen. Und da das Publikum jedes Mal ein anderes ist, gilt es, das immer aufs Neue zu leisten. Deshalb wird es einem auch nie langweilig.

Es gibt viele Porträts über Sie. Aber in keinem steht, wie und wann die Liebe zum Spiel entstanden ist?

Ich hatte viele Hobbys, Theaterspielen war eines. Aber ich kannte den Beruf dazu überhaupt nicht, weil ich aus keiner Theaterfamilie stamme. Kein Mensch in meinem Umfeld war Schauspieler. Ich bin auch leidenschaftliche Handarbeiterin und wollte lange Handarbeitslehrerin werden. Aber diesen Beruf konnte ich mir genauso wenig vorstellen (lacht). Ich bin dann doch Stück für Stück in den Schauspielberuf reingewachsen. Es gab aber immer wieder Momente, auch vor gar nicht allzu langer Zeit, in denen ich dachte: Puh, ich weiß gar nicht, ob er das Richtige ist.

Warum?

Weil er schon noch einmal viel mehr Fähigkeiten von einem verlangt als das reine Spielen. Man ist sehr, sehr abhängig. Davon, wie man besetzt und gesehen wird. Es war ein Teil der Emanzipation für mich, dass ich Stücke immer wieder für mich allein gemacht habe, in die mir niemand dreinreden kann und über die ich sagen kann: Die gehören nur mir, die kann ich spielen, wo ich will und niemand zwingt mich zu irgendwas. Ich spiele nach wie vor noch gerne, aber der Beruf des Schauspielers hat nach wie vor seine großen Schattenseiten.

Werden Sie noch oft gefragt, was Sie tagsüber so machen?

(Lacht) Immer wieder. Ich sage dann: Ja, da arbeiten wir auch. Die meisten sind ganz verblüfft, dass wir von zehn bis 15 Uhr Proben haben.

Am Abend alles geben, runterkommen, am Morgen wieder proben – das ist nicht wenig.

Als meine Tochter noch klein war (geboren 2009, Anm.), dachte ich mir an manchen Tagen: Ich schaff das nicht, dieses ganz früh aufstehen mit einem kleinen Kind und dann den ganzen Tag bis abends um 23 Uhr zu funktionieren. Das fand ich schon sehr grenzwertig. Jetzt ist sie ein bisschen älter, da geht es schon einfacher.

Gibt es weitere Pläne mit dem Werk von Haushofer zu arbeiten, auch im Burgtheater?

Ja, ich habe das im Burgtheater angeregt. Aber da kannte wieder keiner die Haushofer – nur Männer, nur Deutsche. Und es ist einfach so, in Deutschland ist Marlen Haushofer einfach weniger bekannt. Das war noch vor Corona, aber es wurde dann gesagt: Ja, ja, wir wollen was machen. Und jetzt versuchen wir nächstes Jahr eine Lesereihe zu ihren Kinderbüchern zu veranstalten. Hoffentlich klappt’s (bekannte Kinderbücher von Haushofer sind u. a. "Bartls Abenteuer" aus 1964 oder "Brav sein ist schwer" aus 1956, Anm.).

Leben

Marlen Haushofer wurde am 11.4.1920 im Effertsbachtal bei Frauenstein geboren. Ursulinen Linz (Internat), Matura 1939, Reichsarbeitsdienst, 1941 Heirat mit dem Medizinstudenten Manfred Haushofer, ein Sohn, der Erstgeborene stammte aus einer früheren Beziehung. Ab 1947 Steyr, wo ihr Mann ein Zahnlaboratorium hatte. Die Ehe war problematisch. Haushofer starb am 21.3.1970. Zeitlebens blieb der Autorin, im Kreis des Herausgebers Hans Weigl daheim, umfassende Anerkennung verwehrt. Die feministische Rezeption änderte dies. Berühmte Werke: u. a. „Die Tapetentür“ (1957), „Wir töten Stella“ (1958), „Die Mansarde“ (1969)

Die Wand

Der Roman gilt als Haushofers Erfolgswerk. 2012 wurde er mit Martina Gedeck verfilmt. Am 3. 8. in Steyr: Gedeck und Regisseur Julian Pölsler im Gespräch (20.30), Kinofilm „Die Wand“ (21 Uhr), im Schlossgraben, Vvk. City Kino Steyr: city-kino.at

Termin

Dorothee Hartinger, 1971 in Regensburg geboren, zählt seit 2002 zum Ensemble des Wiener Burgtheaters, davor u. a. Thalia Theater Hamburg, Salzburger Festspielen. Am 8. 8. führt sie für das Styraburg Festival ihr Solo „Die Wand“ in Molln auf (20 Uhr, Veranstaltungszentrum). Karten: Tel. 0676/83844 8199, tickets@styraburg.com, styraburg.com

 

 

 

 

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Autorin
Nora Bruckmüller
Redakteurin Kultur
Nora Bruckmüller
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