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"Ah, die KZler kommen!"

Von Helmut Atteneder, 02. Mai 2020, 00:04 Uhr
"Ah, die KZler kommen!"
Eingang zum Konzentrationslager Mauthausen Bild: ORF

ORF-Redakteur Fritz Dittlbacher widmete seine erste Doku dem KZ Mauthausen (5. Mai, 22.30 Uhr, ORF 2).

Am 5. Mai 1945 wurde das KZ Mauthausen, in dem rund 100.000 Menschen von den Nazis umgebracht worden waren, befreit. Was ist danach in und mit Mauthausen passiert? Der studierte Historiker Fritz Dittlbacher ist dieser Frage nachgegangen.

OÖNachrichten: Herr Dittlbacher, Sie haben Anfang März in Mauthausen gedreht. Wie ist sich das alles mit Corona ausgegangen?

Fritz Dittlbacher: Schon nach der ersten Woche der Dreharbeiten war klar, dass es keine zweite und keine dritte Woche geben wird. In vier Drehtagen haben wir alles, was ich unbedingt wollte, gerade noch hinbekommen. Wir waren die Letzten in der Gedenkstätte, bevor sie zugesperrt haben, wir haben mit der allerletzten Besuchergruppe die Interviews gemacht. Wir haben dabei zusehen können, wie in der zweiten Märzwoche das gesellschaftliche Leben ausgetrocknet ist. Am Abend nach dem ersten Drehtag waren wir in einem noch bummvollen Lokal, zwei Tage später war unser Kameramann dort der einzige Gast.

Was war Ihnen wichtig?

Im ORF-Archiv gibt es eine Reihe guter Dokumentationen über Mauthausen, was den Zeitraum 1938 bis 1945 betrifft. Über Todesstiege, Gaskammer – alles gut aufgearbeitet. Mich hat aber auch die Zeit danach interessiert. Wie geht Mauthausen damit um, dass es Mauthausen ist, wie hat man hier die Zeit danach erlebt. Dieser Ort war immer verantwortlich für die Erinnerung und trägt eine stellvertretende Last der Geschichte.

Und wie geht Mauthausen damit um?

Bürgermeister Thomas Punkenhofer hat mir erzählt, dass – wenn eine Wohnbaugesellschaft Wohnungen in Mauthausen baut – es für Linzer überhaupt kein Problem ist, hierherzuziehen. Schon in Steyr ist es schwierig, und in Wien sind solche Wohnungen nicht anzubringen. Wenn da jemand erzählt, dass er nach Mauthausen ziehen will, heißt es: Wie kann man denn nach Mauthausen übersiedeln! Als sich ein Exportbetrieb hier niedergelassen hat, haben die um eine andere Postadresse gebeten. Und die Fußballer der Askö Mauthausen haben mir erzählt, dass sie heute bei Auswärtsspielen oft noch hören: "Ah, die KZler kommen!".

Haben Sie auch Ablehnung erfahren, im Sinne von "jetzt muss endlich einmal eine Ruhe sein"?

Interessanterweise eher nicht. Die einen reden einfacher, die anderen tun sich nicht so leicht. Nach 1945 haben in Mauthausen die Familien der Opfer und die Familien der Täter zusammengelebt. Viele von der Wachmannschaft kamen aus Deutschland, die haben aber hier Frauen kennengelernt und sind nach dem Krieg geblieben.

Warum haben Sie in Ihrer allerersten Doku Mauthausen thematisiert?

Ich habe auch einen persönlichen Zugang zum Thema, weil meine Urgroßmutter im KZ Groß-Rosen (Polen, Anm.) war. Sie war keine mutige Widerstandskämpferin, aber eine goscherte Wirtin in Ischl. Sie hatte immer wieder ihre Sträuße mit den Politikern und wurde irgendwann wegen "Schwarzschlachtens" angezeigt. Vor Gericht hat sie dann den Eigruber (August Eigruber, Gauleiter des damaligen Oberdonau, Anm.) als größten Verbrecher im Land beschimpft.

Womit sie wohl nicht unrecht hatte.

Ja, aber es war trotzdem keine so gute Idee. Jedenfalls hat sie das KZ Gott sei Dank überlebt. Das versuche ich auch in die Doku einzuarbeiten. Wie ist die Familie damit umgegangen, dass meine Urgroßmutter im KZ war? Auflösung des Rätsels: Eigentlich gar nicht. Auch sie hat nie darüber gesprochen. Später hatte sie ein Bauernhaus in Leonstein. Da hatte sie einen Knecht, den Hans. Er war aus Mauthausen. Und zwar nicht als Häftling, sondern als KZ-Wärter der SS. Diese Normalität, die sich nach dem Krieg eingestellt hat, finde ich faszinierend. Das nimmt etwas von der Monströsität. Wenn du bei Mauthausen nur diese Leichenberge siehst, dann hast du zugleich als Betrachter diese wahnsinnige Distanz. Ich wollte zeigen, dass KZ etwas war, was auch dir passieren hätte können. Im Idealfall könnte das die Menschen vorsichtiger machen, wenn wieder das Autoritäre daherkommt. Das wird nicht daherkommen mit einer Gaskammer, sondern mit der Sehnsucht nach dem starken Mann in einer großen Krise.

So wie jetzt?

Was man derzeit in Verordnungen alles schnell durchbringt, wofür man sonst ein Jahr lang im Parlament herumverhandelt – das ist etwas, bei dem man aufpassen muss. Die Demokratie muss sich auch Zeit nehmen. Der Hang zum Autoritären, gerade in Krisenzeiten, war schon immer da.

Menschen & Mächte

„Wieder ein Mensch sein und nicht nur eine Nummer“ heißt die Doku von Fritz Dittlbacher, die in der Reihe „Menschen und Mächte“ am 5. Mai, 22.30 Uhr, ORF 2, zu sehen ist.

Fritz Dittlbacher (57) wurde in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs in Wels auf. Der studierte Historiker war bis 2018 Chefredakteur des ORF, sein Spezialgebiet ist die Innenpolitik.

 

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Autor
Helmut Atteneder
Redakteur Kultur
Helmut Atteneder

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7  Kommentare
7  Kommentare
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Hillsmith (3.544 Kommentare)
am 02.05.2020 20:26

"Dieser Ort war immer verantwortlich für die Erinnerung und trägt eine stellvertretende Last der Geschichte." Da ist wohl einiges dran. Und vielleicht hat es auch was Gutes, dass es so vielen ÖsterreicherInnen leichter gemacht wurde, sich mit dieser abstoßenden Geschichte aus sicherer Distanz auseinandersetzen zu können bzw. nach einem Besuch der KZ-Gedenkstätte sich wieder in die vermeintlich unverdächtige eigene Umgebung zurückzuziehen. Und damit auch schon wieder nichts mehr zu tun zu haben. Das ist bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass das KZ fast fünfzig Nebenlager hatte, die über ganz Österreich verstreut waren. In Westösterreich waren es Nebenlager des KZ Dachau. Dieser ständige Rückgriff auf den "Hauptort" dieses Lagersystems verschleiert die Tatsache dass die Fragen, die man sich über Mauthausen stellt, praktisch in ganz Österreich (und letztlich darüber hinaus) diskutiert werden könnten,sollten, ja müssten.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 02.05.2020 17:48

Im ORF-Archiv gibt es eine Reihe guter Dokumentationen über Mauthausen, was den Zeitraum 1938 bis 1945 betrifft.

An Samstagabenden wurde von ORF III auch unterschiedlichen Doku betreffend letzter WKII und die Machenschaften Hitler gezeigt .LERNREICHES .

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jetztreichtsameise (8.121 Kommentare)
am 02.05.2020 12:32

Jetzt wählt der Verfasser eh schon eine für meine Begriffe zu reißerische Schlagzeile und dann mobilisiert das noch immer keine Kommentatoren.
Die schenken sich dafür im rechts gegen Rechts/grün ordentlich ein.

Ich wage zu behaupten, dass viele wieder wegschauen würden oder mitlaufen würden.
Mir sind aus Wels und dem Innviertel noch Leute bekannt, die mit ihrer Meinung zu den vermeintlich positiven Aspekten des NS Regimes nicht hinter dem Berg halten und noch schlimmer, ihre Kinder und Enkel mit diesem Gedankengut indoktrinieren.
Die sitzen dann für FPÖ und ÖVP im Gemeinderat.

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soluxtec (457 Kommentare)
am 02.05.2020 12:44

Leute mit so einem autoritären Gedankengut haben wir heute in der Regierung.
Oder wie habe ich das flapsige hinweggehen über Gesetze, Verfassung usw. zu verstehen?
Und kommt mir ja keiner mit Corona. Vernünftige Gesetze lassen sich auch im Parlament in so einer Situation diskutieren. Nur WILL das die Regierung gar nicht.

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LASimon (11.356 Kommentare)
am 02.05.2020 18:51

Schwer zu vergleichen.

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LASimon (11.356 Kommentare)
am 02.05.2020 18:54

Sämtliche Gesetze standen auf der Tagesordnung des Nationalrates; die zugehörigen Verordnungen natürlich nicht.
Dass dabei Fehler aufgetreten sind, ist nicht schön, aber mMn hauptsächlich dem Zeitdruck zuzuschreiben. In so einer Krise ist - leider - keine Zeit für eine ausführliche Begutachtung.
Soweit ich die Koalitionsmitglieder verstanden habe, haben alle "Corona"-Gesetze eine sog sunset clause, dh ein vorbestimmtes Ablaufdatum. Es wird unsere Aufgabe sein, dies zu überprüfen. Denn das ist der Lackmustest dieser Koalition.

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nichtschweiger (5.899 Kommentare)
am 03.05.2020 09:45

Wo bist du den angrennt? Selten dummer Vergleich!

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