Rock'n'Roll für den Drohnen-Krieg
Am Freitag stellen die Briten Muse ihr Album "Drones" beim "Rock in Vienna"-Festival vor.
Die Geheimhaltungstrategie anlässlich der Veröffentlichung der neuen Muse-CD "Drones" hätte der CIA zur Ehre gereicht. Per E-Mail wurde das siebte Album der Engländer um Frontmann Matt Bellamy als Stream unter dem mysteriösen Titel "Cola by Rum" an Journalisten verschickt, kombiniert mit einer ellenlangen Verschwiegenheitsklausel. Zusätzlich wurden sämtliche "Drones"-Songtitel mit Cocktail-Namen à la "Long Island Iced Tea", "Blue Hawaii" oder "Mojito" verschlüsselt.
Exzentrischer Marketinggag oder ein bissiger Kommentar zum Überwachungsstaat? Ausgehend von der Ernsthaftigkeit und Detailverliebtheit, mit der Muse ihr neues Album als homogenes Gesamtkunstwerk über Drohnen, Krieg sowie politische und gesellschaftliche Fremdbestimmung konzipiert haben, wohl Letzteres.
Wie aus George-Orwell-Roman
Die Geschichte, die Matt Bellamy, Chris Wolstenholme und Dominic Howard in zwölf Songkapitel erzählen, scheint direkt aus dem dystopisch-totalitären Universum George Orwells importiert worden zu sein: Der haltlose und instabile Held lässt sich von mächtigen Kriegstreibern als willenloser Handlanger – quasi als Drohne in Fleisch und Blut – missbrauchen. Reduziert auf eine Maschine, die auf Knopfdruck Befehle ausführt, verliert er seine Seele und ursprüngliche Menschlichkeit. Kurz vor der Apokalypse begehrt der Held gegen die Großkopferten, die "per Fernbedienung töten" auf, befreit sich aus deren Umklammerung und errichtet ein Utopia.
Dass sich Muse an diesem konzeptuellen Gigantomanismus, auf den sogar die seligen Pink Floyd stolz gewesen wären, nicht hoffnungslos überheben, ist erstaunlich, und der hohen Qualität der einzelnen Stücke geschuldet.
Endlich wieder eine Rockband
Gleich zum Auftakt gibt’s mit der ersten Single-Auskopplung "Dead Inside", dem düsteren Glam-Rock-Stampfer "Psycho", der ansteckenden Electro-Rocknummer "Mercy" und dem giftigen Metal-Stück "Reapers" vier Knaller, mit denen das britische Trio den progressiven Synthesizer-Bombast von "The 2nd Law" (2012) endgültig hinter sich lässt. Auf "Drones" klingen Muse endlich wieder wie eine richtige Rockband: laut, aggressiv und eingängig.
Nach diesem kompromisslosen, die traumatischen Kriegserlebnisse der Hauptfigur thematisierenden Beginn folgt mit dem ruhigeren, etwas faden Song-Dreierpack "The Handler", "Defector" und "Revolt" die Phase der Entspannung und Einsicht des Helden.
Zum Schluss lassen Bellamy und Kollegen dann dem Wahnwitz freien Lauf. Mit "Aftermath" liefern sie einen hymnischen, abgedrehten Nach-der-Schlacht-Abgesang, im Anschluss folgt mit dem zehnminütigen "The Globalist" der Höhepunkt des Albums. Ein epischer Trip in eine dunkle, geheimnisvolle Welt, die der Protagonist im Angesicht der nuklearen Zerstörung errichtet hat. Der Titelsong, eine auf dem "Sanctus und Benedictus"-Hymnus aus dem 16. Jahrthundert basierende, A-cappella-Nummer, bringt "Drones" schließlich zu einem versöhnlichen Ende.
Kurz, ein bemerkenswertes Album einer furchtlosen Band.
CD-Kritik: Muse "Drones" (Warner, ab Freitag im Handel erhältlich)
OÖN Bewertung:
"Rock in Vienna"-Festival
Am Wochenende feiert das „Rock in Vienna“ (4. bis 6. Juni) auf der Wiener Donauinsel seine Premiere. Die wichtigsten Bands:
Donnerstag: Neben den beiden Headlinern Metallica und Faith No More stehen u.a. Auftritte von Testament, A Day To Remember, Broilers und Body Count ft. Ice-T auf dem Plan.
Freitag: Pflichtpunkte am zweiten Festivaltag sind die Gastspiele von Muse und Incubus. Nicht verpassen sollte man auch Within Temptation, Turbonegro, Danko Jones und The Hives.
Samstag: KISS werden die erste „Rock in Vienna“-Auflage zu einem würdigen Ende bringen. Unterstützt werden sie dabei u.a. von Limp Bizkit, Sabaton und Airbourne.
Infos: www.rockinvienna.at