Rücktritte und Chaos: Streit bei Thyssenkrupp eskaliert
ESSEN/DUISBURG. Nach dem Rücktritt von Aufsichtsratschef und Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel wandte sich Ex-Stahlchef Osburg an die Mitarbeiter: "Wir waren nicht fertig"
Der Machtkampf beim größten deutschen Stahlkonzern Thyssenkrupp eskaliert weiter. Nachdem Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel, früherer deutscher SP-Vizekanzler, am Donnerstag zurücktrat – und mit ihm drei weitere Aufsichtsräte der Thyssenkrupp Steel Europe AG und Stahlchef Bernhard Osburg samt drei Vorstandsmitgliedern –, kam es gestern in Duisburg zu Beratungsaktionen des Betriebsrates und Versammlungen. Gabriel begründete seinen Rücktritt damit, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Konzern-Chef Miguel Lopez und Konzern-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm nicht mehr möglich sei. Russwurm ist auch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.
Lopez hatte im Streit um die Zukunft der Stahlsparte des Konzerns Osburg öffentlich kritisiert. Es sei offenbar das Ziel Lopez’ gewesen, den Vorstand zur Aufgabe zu bewegen, erklärte Gabriel. Lopez wollte die Produktionskapazitäten wegen der schwachen Nachfrage reduzieren und das Stahlgeschäft in ein 50:50-Joint-Venture mit der Energieholding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky auslagern. Die Arbeitnehmervertreter befürchten dadurch den Verlust tausender Jobs. Lopez stritt mit Stahlchef Osburg auch über die Höhe der Mitgift, die der Mutterkonzern der Tochtergesellschaft für deren Eigenständigkeit geben sollte. Stahl-Aufsichtsratschef Gabriel hatte erklärt, die Sparte sehe einen Finanzierungsbedarf, der rund 1,3 Milliarden Euro über dem liege, was der Konzern biete.
Persönliche Abschiedsbotschaft
Der zurückgetretene Stahlchef von Thyssenkrupp, Bernhard Osburg, hat gestern in einem internen Schreiben an die Mitarbeiter die Entwicklung bedauert. "Wir waren mit unserer Arbeit nicht fertig und hatten sehr konkrete Ideen, wie wir den erfolgreichen Weg der vergangenen Jahre fortgesetzt und das Unternehmen in eine wirtschaftlich unabhängige Zukunft geführt hätten", hieß es in einer "persönlichen Abschiedsbotschaft".
Osburg und zwei weitere Vorstände der Stahlsparte hatten im Streit mit der Konzernführung um die Zukunft ebenfalls ihren Rücktritt erklärt. Die Ereignisse der vergangenen Tage seien für alle eine große Belastung gewesen, schrieb Osburg. Und mit Bedauern hielt er fest: "Wir werden fortan nicht mehr die Zukunft dieses Unternehmens mitgestalten dürfen." Der Manager trat in dem Schreiben dafür ein, das verbliebene Team zu unterstützen. "In diesen sehr schwierigen Zeiten braucht es Vertrauen, Respekt und Zusammenhalt, um die großen Herausforderungen zu meistern."
Die Muttergesellschaft erklärte nach den Rücktritten, dass die verbliebenen Vorstandsmitglieder Dennis Grimm (Technik) und Philipp Conze (Finanzen) die Geschäfte des Stahlsegments weiterführen würden. "Die Nachbesetzung der vakanten Positionen wird in einem strukturierten Prozess zeitnah erfolgen", hieß es. Die vakanten Ressorts werden in der Zwischenzeit aufgeteilt. Aufsichtsratschef Russwurm erklärte in einer Stellungnahme, dass das Steel-Management seine eigenen Pläne immer wieder deutlich verfehlt und keine Antworten auf strukturelle Herausforderungen gefunden habe.
27.000 Beschäftigte, Aktie sank
Die Thyssenkrupp-Stahlsparte ist Deutschlands größter Stahlerzeuger. 27.000 Menschen sind dort beschäftigt, allein 13.000 davon in Duisburg. Im laufenden Jahr hat sich der Wert der Aktie fast halbiert. Zu Handelsbeginn am Freitag rutschte die Aktie 1,5 Prozent ab, drehte aber rasch leicht ins Plus.
Grün sei auch hier gedankt
Kretinsky möcht ich nicht heißen
Da ist tailtwister natürlich viel, viel besser ...