Prozess um Bestechung eines Ex-BVT-Beamten in St. Pölten gestartet

ST. PÖLTEN. Ein mehrtägiger Prozess wegen Bestechlichkeit und Bestimmung zum Amtsmissbrauch gegen einen Ex-Beamten des mittlerweile aufgelösten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat am Mittwoch am Landesgericht St. Pölten begonnen.
Der 65-Jährige soll für eine Privatermittlerin gegen Entgelt u.a. Firmenbuch-Abfragen gemacht und Organigramme erstellt haben. Er bekannte sich nicht schuldig. Das Verfahren gegen die mitangeklagte Agentin wurde ausgeschieden. Würde man die Ereignisse zusammenfassen, wäre der Titel der Geschichte wohl "Die Privatagentin und der Geheimdienstler", sagte Wolfgang Handler von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in seinem Eröffnungsvortrag. Das Verhalten der beiden bezeichnete er als "undenkbar, unmöglich, unerlaubt". Die deutsche Privatagentin Christina W. - "Deckname Nina" - hatte Aufträge von Unternehmen erhalten. Bei zwölf Recherchen soll der frühere Beamte laut Anklage mitgearbeitet und dafür rund 90.000 Euro Honorar in bar erhalten haben. Die Beteiligung des Polizisten an den Projekten der Unternehmensberaterin sowie die Zusammenarbeit zwischen dem Geheimdienstler und der Privatagentin "war nicht nur eigenartig, sondern ganz klar verboten", erklärte der Oberstaatsanwalt.
- Lesen Sie auch: Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott enthaftet
Vorwurf der Bestechlichkeit
Vorgeworfen wird dem früheren Beamten Bestechlichkeit in mehreren Fällen von 2010 bis 2016. Der Mann soll laut Anklage mehrere Male ohne dienstliche Rechtfertigung Abfragen im Firmen- und Grundbuch getätigt und u.a. Organigramme erstellt haben. Hinzu kommt Bestimmung zum Amtsmissbrauch. Der 65-Jährige soll der Anklage zufolge auf eine entsprechende Anfrage der Privatagentin zur Vermögenssituation eines Russen die Einholung von Steuererklärungen angeboten haben. In Folge sollen Finanzbeamte Steuererklärungen dieser Person abgefragt haben, die WKStA sieht hier einen Zusammenhang.
Der frühere Beamte hatte die Frau, die zuvor laut Handler für das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) der DDR tätig gewesen war, im Jahr 1997 kennengelernt. Sie arbeitete als Buch- und Fernsehautorin sowie Journalistin, bevor sie laut Staatsanwaltschaft ungefähr ab 2004 im Auftrag von Firmen als Unternehmensberaterin tätig war. Informationen sollte sie beispielsweise für die Novomatic AG recherchieren oder für die OMV-Tochter Petrom Informationen in Zusammenhang mit Öldiebstählen in Rumänien liefern. Die Privatagentin stellte den Angaben zufolge auch dem BVT Informationen zur Verfügung, sie galt als "Quelle Bertram".
Geheimdienstler um Verrichtungen gebeten
Spätestens ab Ende 2009 sei die Frau nicht mehr nur als Informantin oder Quelle aufgetreten, sondern habe den Geheimdienstler um Verrichtungen gebeten, "die er im Rahmen seiner Berufsausübung als Polizeibeamter erbringen kann", sagte Handler. Eine Quelle sei sie nicht mehr gewesen, "sondern eine Mündung", meinte der Oberstaatsanwalt. In Folge habe sich eine Geschäftsbeziehung zwischen den beiden entwickelt - Handler sprach von einer "klassischen Umkehrgeschichte, die man eigentlich aus Agentenfilmen kennt".
Der Verteidiger des 65-Jährigen, Roland Kier, betonte, es handle sich um "keine strafrechtlichen, sondern Disziplinarvorwürfe". Es gebe keine Beweise. Sein Mandant habe lediglich in seiner Freizeit Schaubilder erstellt. Auch den Vorwurf der Bestimmung zum Amtsmissbrauch wurde zurückgewiesen.
Der in Niederösterreich lebende Pensionist bekannte sich nicht schuldig. Er habe in seiner Freizeit aus Informationen der Privatagentin jeweils "ein Schaubild gemacht", meinte er. Die Infos seien aber nicht von ihm, sondern von ihr gekommen. Teilweise habe er "zur Kontrolle" vom Dienst-PC im Firmenbuch nachgeschaut, um Informationen aus ihren Berichten zu überprüfen. "Wir waren befreundet und haben ein Vertrauensverhältnis gehabt - in einem gewissen Maß", sagte der 65-Jährige. In Summe habe er von der Deutschen 7.200 Euro erhalten. Die Nebentätigkeit hatte er nicht gemeldet.
"Ich wollte nichts in dieser Sache machen"
Rund um die Einholung von Informationen zur Vermögenssituation eines Russen sei er nicht tätig geworden, erklärte der 65-Jährige. "Ich wollte nichts in dieser Sache machen", betonte er. Er habe die Unternehmensberaterin an einen Privatdetektiv verwiesen. Schließlich machte er Firmenbuchabfragen - zur Abklärung, ob eventuell Geldwäsche vorliege, meinte der Beschuldigte. Fragen des Oberstaatsanwalts beantwortete der Angeklagte nicht.
Der in ihrem Heimatland einschlägig vorbestraften weiblichen Angeklagten - sie ist Jahrgang 1947 - wird Bestechung von 2009 bis Anfang 2016 sowie versuchte Bestimmung zum Amtsmissbrauch in mehreren Fällen 2009 und 2013 vorgeworfen. Sie erschien nicht zur Schöffenverhandlung am Mittwoch, weil sie sich derzeit in einem deutschen Krankenhaus befindet. Das Verfahren gegen Christina W. wurde zu Prozessbeginn ausgeschieden, um eine Verzögerung zu vermeiden. Die Frau soll beim nächsten Verhandlungstermin am 17. Juli als Zeugin - eventuell per Videokonferenz - einvernommen werden.
Ermittlungen auch gegen 2 Finanzamtsmitarbeiter
Ursprünglich hatte es vier Beschuldigte gegeben. Der Prozess findet in der niederösterreichischen Landeshauptstadt statt, weil auch gegen zwei Mitarbeiter eines Finanzamts im Gerichtssprengel St. Pölten ermittelt worden war. In Bezug auf die beiden Personen wurde aber eine Amtsmissbrauchs-Anklage zurückgezogen. Das Verfahren bleibe dennoch in St. Pölten, erläuterte Gerichtssprecherin Birgit Eisenmagen auf Anfrage. Einer der Finanzbeamten wurde laut WKStA in Zusammenhang mit anderen Abfragen bereits in St. Pölten verurteilt, sein Kollege erhielt eine Diversion. Da eine Zusatzstrafe nicht zu erwarten gewesen sei, stehen die beiden nun nicht mehr vor Gericht, erklärte der Vertreter der Anklagebehörde.
Christina W. hatte im Jänner 2017 in Schwerin u.a. wegen Bestechung zwei Jahre und zehn Monaten Haft erhalten. Sie soll an verschiedene Firmen Informationen über deren Kunden, Konkurrenten und Mitarbeiter verkauft haben. Ein ebenfalls verurteilter deutscher Kriminalbeamte soll ihr gegen rund 270.000 Euro bei der Recherche geholfen haben.