Russlands Auslandsgeheimdienst feierte Hunderter
MOSKAU. Putins Spione werden regelmäßig für Attacken auf den Westen verantwortlich gemacht.
Als Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes ist Sergej Naryschkin geübt in der Abwehr von Vorwürfen des Westens. Dabei muss der enge Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin stets viel zurückweisen. Hackerattacken? Einmischung in US-Wahlen? Morde an Staatsfeinden? Die Antwort aus Moskau ist meist dieselbe: Russland habe damit nichts zu tun. Doch in diesen Tagen kann Naryschkin sein wahres Gesicht zeigen: Stolz feiert er die Erfolge von Moskaus Spionen. Der Auslandsgeheimdienst SWR ist 100 Jahre alt.
"Die Aufklärung ist ein schwerer, gefährlicher und ein ziemlich interessanter Beruf, der einen das ganze Leben begleitet", sagt Naryschkin. Der 66-Jährige muss es wissen. Er hat – wie Putin, der lange in Dresden im Einsatz war – schon beim sowjetischen Geheimdienst KGB gedient. Kernaufgabe sei es, geheime Informationen zu sammeln, äußere Bedrohungen zu erfassen, Entwicklungen zu analysieren und den russischen Staat zu schützen. Naryschkin, ein knöcherner Mann, sieht den SWR als einen der effektivsten Nachrichtendienste der Welt.
Der kommunistische Revolutionär Feliks Dzierzynski (1877–1926) gründete einst den mächtigen Geheimdienstapparat – genannt Tscheka. Am 20. Dezember 1920 unterzeichnete er den Befehl zur Gründung der Ausländischen Abteilung in der schon drei Jahre zuvor geschaffenen Gesamtrussischen Notfallkommission für den Kampf gegen Konterrevolution und Sabotage (WTschK).
Feiertag der Nachrichtendienste
Der 20. Dezember ist bis heute der Feiertag aller russischen Nachrichtendienste, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aus dem KGB hervorgingen, darunter der Inlandsgeheimdienst FSB und seit 1992 der Militärgeheimdienst GRU. Zum spektakulärsten Fall seit Ende des Kalten Krieges kam es 2010 in Wien, als Anna Chapman und andere Spione gegen den inhaftierten GRU-Geheimdienstler Sergej Skripal ausgetauscht wurden. Skripal hatte eine Strafe wegen Hochverrat abgesessen, weil er an den britischen Geheimdienst MI6 Agentennamen übergeben hatte. Putin meinte, "Verräter" nähmen ein schlimmes Ende: im Suff oder als Drogenjunkies. Auch nach der Vergiftung Skripals mit dem Nervengift Nowitschok 2018 betonte Putin, Verrat sei das "schlimmste Verbrechen".
Geheimdienstexperte Andrej Soldatow meint mit Blick auf die aktuellen Fälle – von den US-Vorwürfen zu Cyberattacken bis zur Vergiftung des Kremlgegners Alexej Nawalny mit Nowitschok –, dass Moskaus Geheimdienste immer unverfrorener vorgingen. Sein Fazit: "Russlands Geheimdienste sind gar nicht mehr sehr geheim."
So potschert wie unser BVT sind die auch nicht.