Vierkampf um die Führung in Italien
ROM. Bei der Parlamentswahl am Sonntag ist Silvio Berlusconis Mitte-rechts-Block der Favorit, die regierende Mitte-links-Allianz rittert mit der Fünf-Sterne-Bewegung um Platz zwei.
Nach einem zermürbenden Wahlkampf mit herben Slogans und politisch motivierten Ausschreitungen ist es am Sonntag so weit: 46,5 Millionen Italiener wählen ein neues Parlament. Die Wahlen sind ein Vierkampf, bei dem nur die Mitte-rechts-Allianz um Ex-Premier Silvio Berlusconi Hoffnungen auf eine Mehrheit hat.
Wegen eines Ämterverbots zählt der 81-Jährige nicht zu den Spitzenkandidaten, doch bei dem Medien-Tycoon laufen die Fäden zusammen. Laut aktuellen Umfragen liegt sein Bündnis bei 36 Prozent. Der Milliardär muss sich mit der koalitionsinternen Konkurrenz der ausländerfeindlichen Lega messen. Während sich Berlusconis "Forza Italia" EU-freundlich gibt, punktet die Lega mit aggressiver Anti-Einwanderungs-Rhetorik und Attacken gegen das "Brüssel der Technokraten". Der Lega, die auf ihre separatistischen Wurzeln verzichtet hat, um sich immer mehr als rechte Partei nach dem Modell des französischen Front National zu profilieren, werden 13 Prozent prognostiziert.
Sowohl Berlusconis Forza Italia als auch Matteo Salvinis Lega konnten mit dem Versprechen der Einführung einer "Flat Tax" und eines entschlossenen Einsatzes gegen die illegale Einwanderung in den vergangenen Wochen stark an Stimmen zulegen.
Kommt eine Große Koalition?
Dennoch gilt ein Kabinett aus Forza Italia und den Sozialdemokraten um Ex-Premier Matteo Renzi für viele politische Beobachter in Rom als einzige Möglichkeit, um Italien Regierbarkeit zu sichern, und als geringstes Übel für das Land und Europa. Diese Lösung gilt auch in Brüssel als willkommen. Schließlich wäre eine Kooperation des Duos Berlusconi-Renzi kein Novum. Sie hatten bereits 2013 die Regierung von Enrico Letta unterstützt. Nicht ausgeschlossen wird, dass in diesem Fall der seit Dezember 2016 amtierende Sozialdemokrat Paolo Gentiloni weiterhin im Sattel bleibt.
Die Mitte-links-Allianz um Renzis Demokratische Partei (PD) kann mit 29 Prozent der Stimmen rechnen. Renzis Parteienbündnis präsentierte sich im Wahlkampf als zuverlässige, europafreundliche Regierungskraft und als "Bollwerk" gegen den Populismus.
Jugend fliegt auf "Fünf Sterne"
Größtes Fragezeichen ist die Fünf-Sterne-Bewegung, die mit 27 Prozent zur stärksten Einzelpartei Italiens aufrücken könnte. Da sie keine Koalition eingehen will, gilt die Oppositionsrolle als fix. Die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Bewegung punktet vor allem bei Jungen.
Premierkandidat Luigi Di Maio, ein 31 Jahre alter Studienabbrecher, wiederholt gebetsmühlenartig, dass seine politische Bewegung nicht EU-feindlich sei. Ein Referendum zu Italiens EU-Austritt sei kein aktuelles Thema.
Bei politischem Patt ein „Schiedsrichter“ gefragt
Erstmals wird in Italien nach einem im Oktober 2017 verabschiedeten Wahlgesetz gewählt. Der Wahlsieger braucht mindestens 40 Prozent der Stimmen, um das Land allein zu regieren. Es besteht daher die Gefahr, dass keine Parteien-Allianz eine Regierungsmehrheit im Parlament erreicht.
Daher gibt es in Europa große Sorge um die politische Stabilität der drittstärksten Volkswirtschaft in der Eurozone. Mögliche Szenarien sind:
Sieg des Berlusconi-Bündnisses: Die Mitte-Rechts-Allianz aus Berlusconis Forza Italia, der ausländerfeindlichen Lega und der rechtsextremen Partei „Brüder Italiens“ kommt laut Umfragen auf 37 Prozent. Die stärkere der beiden Parteien Forza Italia und Lega soll den Premier stellen. Es gibt noch keine Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten, Berlusconi favorisiert Antonio Tajani, den Präsidenten des EU-Parlaments. Es ist aber auch gut möglich, dass die fragile Parteienallianz nach der Wahl im Streit auseinanderbricht.
Große Koalition: Sollten Berlusconis Block und die Mitte-Links-Allianz um Matteo Renzi bei den Wahlen etwa gleich abschneiden, könnte eine „Große Koalition“ nach deutschem Modell infrage kommen. Bisher lehnen sowohl Berlusconi als auch Renzi diese Möglichkeit kategorisch ab – aus wahltaktischen Gründen natürlich.
Technokraten-Kabinett: Bei einem unklaren Wahlergebnis könnte Präsident Sergio Mattarella als „Schiedsrichter“ auftreten und eine Schlüsselrolle spielen. Nach Konsultationen mit den Parteien könnte er einen parteiunabhängigen Technokraten mit der Regierungsbildung und der Aufgabe beauftragen, ein von einer Parteienmehrheit gestütztes Programm umzusetzen.
Rasche Neuwahlen: Sollten sich keine klaren Machtverhältnisse ergeben und sich ein monatelanges Patt abzeichnen, könnte es Neuwahlen geben. Zuerst müsste das Parlament aber ein neues Wahlgesetz verabschieden. Dem viermaligen Ex-Premier Silvio Berlusconi könnte das zugute kommen, denn sein zweijähriges Ämterverbot aufgrund einer Verurteilung wegen Steuerbetrugs endet im kommenden Jahr. Und dann könnte er wieder als Premier kandidieren.