Umjubelte Rückkehr: Libanons Premier Hariri erklärte Rücktritt vom Rücktritt
BEIRUT. Damit ist die schwere Krise in der Zedernrepublik entschärft – aber noch lange nicht gelöst.
Drei Wochen nach seinem mysteriösen Rücktritt in der saudischen Hauptstadt Riad ist sich der libanesische Premier Saad Hariri seiner staatspolitischen Verantwortung bewusst geworden. Wenige Stunden nach der Rückkehr in sein Heimatland erklärte der 47-Jährige gestern, dass er seinen Rücktritt auf Bitte des libanesischen Staatspräsidenten Michel Aoun vorerst verschoben habe.
Damit entschärfte der Sunnit Hariri die Krise in der Zedernrepublik. Beendet dürfte die Krise freilich noch lange nicht sein, da sich die Grundsatzpositionen der auch im Libanon aufeinander treffenden Regionalmächte im Mittleren Osten – Saudi-Arabien und Iran – nicht verändert haben.
Saudis erzwangen den Rücktritt
Hariri hatte in seiner in Saudi-Arabien verlesenen Rücktrittserklärung schwere Vorwürfe gegen den Iran und die den Libanon dominierende schiitische Hisbollah-Miliz gerichtet. Für die meisten Beobachter kam die Kritik überraschend. Schließlich hatte sich Hariri mit der schiitischen "Partei Gottes" arrangiert und damit verhindert, dass sein Land in den Sog des Syrien-Krieges geriet.
Für das sunnitische Saudi-Arabien war die Allianz Hariris mit der verhassten Schiitenmiliz unerträglich. Man zwang ihn zum Rücktritt und schränkte seinen Bewegungsspielraum ein. Hariris Körpersprache in einem TV-Interviews vor zehn Tagen erhärten Spekulationen, dass er in Riad unter massivem Druck stand, der erst von ihm abfiel, als er am Freitag in Paris eintraf. Erst dort wirkte der Libanese entkrampft – und er konnte wieder lachen.
Es ist dem unermüdlichen Wirken von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu verdanken, dass Hariri – über Paris – die Heimreise gestattet wurde. Mit dem Umweg konnten alle Beteiligten ihr Gesicht wahren. Frankreich gelang es auch, Hariri davon zu überzeugen, vorerst im Amt zu bleiben. Sein Rücktritt vom Rücktritt scheint auch von den Saudis akzeptiert worden sein. Sie verlangt jedoch Gegenleistungen.
"Die erste Verteidigungslinie"
Den Schmusekurs gegenüber der Hisbollah wird Hariri kaum fortsetzen können. Riad will Taten sehen, drängt auf eine Entwaffnung der Schiitenmiliz, wofür Hariri freilich die Mittel fehlen.
Der heimgekehrte Premier auf Zeit ließ sich gestern von Tausenden seiner Anhänger frenetisch feiern. Vollmundig versprach er, künftig an ihrer Seite zu stehen und "die erste Verteidigungslinie des Libanons zu bilden".
Hariri machte einen gelösten, entschlossenen Eindruck. Doch die in ihn gesetzten Erwartungen sind hoch. Als Politiker hat Hariri – im Gegensatz zu seinem ermordeten Vater – bisher wenig überzeugt. Ob der erzwungene "Ausflug" nach Riad und die mit Umwegen erfolgte Heimkehr in den Libanon sein politisches Profil geschärft haben, bleibt abzuwarten.