Christian Wulff: Der Softie aus Niedersachsen
Der rote Teppich wurde ausgerollt, der Ministerpräsident wartete auf dem Rollfeld darauf, dass das Flugzeug landet: „So empfangen wir hier Präsidenten, aber ich denke, Lena hat das verdient“, erklärte Christian Wulff vor nicht einmal einer Woche in ...
Der rote Teppich wurde ausgerollt, der Ministerpräsident wartete auf dem Rollfeld darauf, dass das Flugzeug landet: „So empfangen wir hier Präsidenten, aber ich denke, Lena hat das verdient“, erklärte Christian Wulff vor nicht einmal einer Woche in Hannover. Dass er bald selbst Präsident sein könnte, ahnte der Ministerpräsident Niedersachsens da noch nicht. Wulff begrüßte die junge Lena Meyer-Landrut, die gerade den Eurovision-Songcontest gewonnen hatte.
Einen Tag später trat Horst Köhler zurück, kurz darauf präsentierten die Chefs von CDU, CSU und FDP ihren neuen Kandidaten für das Amt des Präsidenten: Den 50-jährigen Christian Wulff, seit den 70er-Jahren treu in der Union verwurzelt, zunächst in der Schüler-Union, dann deren Vorsitzender, anschließend im Bundesvorstand der Jungen Union. Wulff wurde CDU-Vorsitzender in Osnabrück, 1994 CDU-Landeschef von Niedersachsen, seit 1998 ist er stellvertretender CDU-Bundeschef und seit 2003 Ministerpräsident von Niedersachsen. Nach dem dritten Anlauf hatte er das schließlich geschafft, gegen Amtsinhaber Gerhard Schröder (SPD) hatte er sich davor nicht durchsetzen können – im ersten Anlauf, übrigens im Alter von 34 Jahren. Erst gegen Sigmar Gabriel, den heutigen SPD-Chef, gelang ihm der Sieg. Wulff ist einer, der etwas erreichen möchte. Kanzler? Nein, nein, winkte er stets ab, doch so recht glauben wollte man ihm nicht. Er sei kein Alphatier wie Angela Merkel oder Franz Müntefering, hatte er etwa in einem Interview vor genau zwei Jahren erklärt, und: Es fehle ihm der „unbedingte Wille zur Macht und die Bereitschaft, dem alles unterzuordnen“.
Als Ministerpräsident hatte er zuletzt wegen seiner Sparpläne und der Berufung der ersten türkischstämmigen Ministerin in einem Bundesland für Gesprächsstoff gesorgt. Die bunten Blätter bediente er vor allem als Privatperson: Nach 18 Jahren Ehe hatte sich Wulff 2006 von seiner Frau getrennt, kurze Zeit darauf heiratete er seine neue Freundin. Wulff ging dieses Thema offensiv an, was man in mehreren Interviews zu seiner Scheidung lesen konnte.
Der Jurist wird im konservativen Flügel geschätzt, er kann hart sein bei Auseinandersetzungen mit Gewerkschaften. Hardliner wie sein Noch-Amtskollege Roland Koch in Hessen ist der Wirtschaftsliberale indes keiner, Liberaler wie sein Parteikollege Ole von Beust, Bürgermeister von Hamburg, auch nicht. „Farblos“ ist eines der Attribute, mit dem er bedacht wird, „Softie“ und „Spießer“ sind andere. Am 30. Juni soll Wulff zum Bundespräsidenten gewählt werden.