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Junge Menschen gegen alten Hass

Von Klaus Buttinger, 10. Oktober 2020, 00:04 Uhr
Junge Menschen gegen alten Hass
Bild: APA

Jüdische HochschülerInnen und muslimische Jugendliche machen gemeinsame Sache gegen den Antisemitismus. Eine Blaupause für eine bessere Welt. Die Aktivistinnen im Gespräch mit Klaus Buttinger.

Sashi Turkof: Präsidentin der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen, studiert Kultur- und Sozialanthropologie sowie Bildungswissenschaften.

Der Antisemitismusbericht 2019 verzeichnete 550 Vorfälle in Österreich. Die Fallzahl hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Setzt sich das 2020 fort?

Turkof: Ja, wir spüren, dass Antisemitismus seit Corona vermehrt ein Thema geworden ist. Die Krise erweist sich als ein Nährboden für antisemitische Haltungen.

Wie erklären Sie sich das?

Eine Pandemie ist eine gute Möglichkeit für VerschwörungstheoretikerInnen, den Staat und Jüdinnen und Juden zu kritisieren. Sie können sich leicht dahinter verstecken. Wir sehen das an Organisationen wie QAnon, die ganz klar antisemitische Verschwörungstheorien weltweit verbreiten. Corona ist dafür ein Vehikel, ein Deckmantel.

Welcher Anteil der antisemitischen Vorfälle ist der autochthonen rechtsextremen Szene in Österreich zuordenbar und welcher dem Rechtsextremismus mit islamischem Hintergrund?

Ich habe jetzt keine Zahlen vor mir, kann Ihnen aber sagen, dass es von beiden Seiten genug davon gibt. Da gab es den Angriff in Graz auf Eli Rosen (Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz). Und von rechtsextremer, autochthoner Seite gab es in den letzten Tagen starke antisemitische Handlungen. Die Verteidigung der Karl-Lueger-Statue und das faschistische Auftreten einer Organisation, die sich "Die Österreicher" nennt, sind beunruhigend.

31 Vorfälle im Antisemitismusbericht werden dem politischen Islam zugerechnet, nahezu das Zehnfache dem autochthonen Rechtsextremismus …

Es ist ganz klar, dass der Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren salonfähiger geworden ist, das haben wir unter Schwarz-Blau und an den Personen, die an die Macht gekommen sind, klar gesehen. Den muslimischen Antisemitismus spüre ich persönlich nicht.

Jeder zehnte Österreicher hat laut Studie eine verfestigte antisemitische Einstellung, weitere 29 Prozent vertreten latente antisemitische Einstellungen. Erschreckende Zahlen, oder?

Es ist sehr erschreckend, denn dass im Jahr 2020 solche Zahlen in Österreich – einem Täterland – noch Realität sind, ist eine Schande für uns und ganz Europa. Kürzlich hat eine Attacke auf einen jüdischen Studenten in Hamburg stattgefunden. Das ist eine Niederlage für Deutschland, aber auch für Österreich, weil wir alle ein europäisches Kollektiv sind. Deshalb haben wir als Jüdische HochschülerInnenschaft gestern eine Kundgebung gemacht zu ein Jahr Halle, dem Anschlag auf die dortige Synagoge.

Sie haben sich mit der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ) zusammengetan. Wie das?

Wir wollen nicht als Gegnerinnen ausgespielt werden, was von rechter Politik oft gemacht wird. Die MJÖ ist so solidarisch mit uns wie wenige Organisationen und hat bei vielen Aktionen – auch gestern – diese Solidarität gezeigt.

Was tun gegen den autochthonen Antisemitismus?

Da ist es wichtig, dass man viel strengere Regeln und Gesetze macht, etwa zur Wiederbetätigung. Es passiert sehr viel an der Grenze zu den Verboten. Gelbe Davidsterne auf T-Shirts, wo Corona draufsteht, gelten noch nicht als Hetze, sind es aber. Eine Verschärfung der Gesetze hat auch Justizministerin Alma Zadic nach dem Sturm auf Berlin gefordert.

***

Canan Yasar: Bundesvorsitzende der Muslimischen Jugend Österreich, Sonderpädagogin, plant ein Masterstudium.

Fast die Hälfte der Jugendlichen aus muslimischen Familien verfügt laut einer Studie der Stadt Wien über eine antisemitische Einstellung. Wie kommt das?

Yasar: Die Studie beschreibt lediglich die Verhältnisse von marginalisierten, muslimischen Jugendlichen in Wiener Jugendzentren und ist auch laut den Autoren nicht repräsentativ für muslimische Jugendliche. Trotzdem gibt es in diesem Bereich einiges zu tun und ich hoffe, dass die Jugendarbeit in Wien entsprechende Aufmerksamkeit und Unterstützung erhält.

Judenhass wurde über Jahrhunderte in christlichen Kirchen zelebriert. Die katholische Kirche hat sich 1965 durchgerungen, den bisherigen Wahrheitsanspruch zu relativieren. Es gibt demnach auch in anderen Religionen Wahrheiten. Wie sieht man das im Islam?

Wir MuslimInnen kennen keine vergleichbare, hierarchische Struktur wie die Kirche. Trotzdem gibt es viele positive Schritte, um einen interreligiösen Dialog zu bestärken. So stehen wir als MJÖ, aber auch die Islamische Glaubensgemeinschaft im Austausch mit der Jüdischen Gemeinschaft. Aus unserer Sicht gibt es keinen religiös argumentierbaren Antisemitismus im Islam. Judenhass ist unislamisch!

Gibt es nicht Koranverse, die sich mit Andersgläubigen befassen, wobei insbesondere Juden sehr abschätzig erwähnt werden?

Es gibt historische Konflikte zur Zeit des Propheten. Sie müssen aber in dem damaligen Kontext gelesen und verstanden werden. MuslimInnen, Juden und Jüdinnen haben eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte, von der alle lernen können.

Das Christentum hat die Aufklärung durchgemacht. Halten Sie einen ähnlichen Reformbedarf im Islam für notwendig?

Die Idee der Reform ist dem Islam nicht fremd, im Gegenteil. Wir MuslimInnen sind von Beginn an angehalten, unsere Texte immer wieder neu zu lesen, zu verstehen und zu interpretieren. Unser Islamverständnis ist zeitgemäß und bezieht sich auf die Lebensrealität in Österreich.

Wie wird die Zusammenarbeit mit der Jüdischen Hochschülerschaft in Ihrer Glaubensgemeinschaft bewertet?

Wir waren selbst überrascht, dass wir so viel Zuspruch erhalten. Aus allen Richtungen. Auffällig war nur, dass manche Akteure aus der Politik unsere Bemühungen scheinbar „übersehen“. Aber nicht jeder ist erfreut, wenn sich junge Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen zusammentun. Ich denke, dass wir mit dem Jahresschwerpunkt „MuslimInnen gegen Antisemitismus“ und der Mahnwache vor den zerstörten Bildern am Ring ein zentrales Zeichen gesetzt haben.

Glauben Sie, werden Sie es gemeinsam schaffen, den Antisemitismus ein wenig zurückzudrängen?

Antisemitismus ist älter als unsere Jugendorganisationen und ich glaube, es wird noch lange dauern, bis Antisemitismus, aber auch Islamfeindlichkeit oder Rassismus in unserer, der österreichischen Gesellschaft überwunden sein werden. Aber ja, wir sehen das gemeinsame Wirken als einen notwendigen und hoffentlich auch nachhaltigen Kampf für eine bessere und gemeinsame Zukunft aller Menschen.

Gemeinsam gegen Rechts

Sashi Turkof und Canan Yasar referieren heute beim Treffen des Oö. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus (kurz Antifa-Netzwerk). Es beginnt um 14 Uhr im Bildungshaus Schloss Puchberg b. Wels. Das Netzwerk wurde 2001 gegründet. Heute gehören ihm 87 Organisationen an mit mehr als 50.000 Mitgliedern. „Wir engagieren uns gemeinsam für Demokratie und Menschenrechte, gegen Rassismus und Rechtsextremismus“, sagt Sprecher Robert Eiter. Ein weiterer Referent beim Treffen ist Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich.
 

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Autor
Klaus Buttinger
Redakteur Magazin
Klaus Buttinger
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2  Kommentare
2  Kommentare
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ichauchnoch (9.802 Kommentare)
am 10.10.2020 11:52

Ein eigenartiges Interview!
Da heisst es, "die Zahlen hab ich nicht vor mir" - aber nachgefragt wird nicht, wie man über Vorfälle sprechen kann, wenn man nicht weiss, wieviele es davon gegeben hat. Und weiter in dem Absatz "das faschistische Auftreten einer Organisation, die sich "Die Österreicher" nennt, sind beunruhigend.": warum gibt's dazu keine Nachfrage, was das denn für eine Organisation ist und wie deren faschistisches Auftreten ausschaut.
Es ist immer dasselbe, die Leute die eigentlich behaupten für Toleranz einzutreten, säen nichts wie Zwietracht.
Wenn ich das Interview lese, dann möchte ich nachher klüger sein als zuvor, kann ich aber nicht, wenn solche pauschale Ver- und Beurteilungen kommen, mit denen ich absolut nichts anfangen kann und auch nicht will.
Wenn die jungen Damen meinen, sie können damit Probleme lösen, wenn sie solche Pauschalstehsätze ohne Hintergrundwissen von sich geben, dann irren sie gewaltig.

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vinzenz2015 (46.381 Kommentare)
am 10.10.2020 12:28

Was ist das eigentliche Ziel ihres posts?
Bitte um Klartext!

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